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Ärzte Woche

11.11.2019 | Gesundheitspolitik

Kann denn Dampfen Sünde sein?

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Nach einer Reihe von Todesfällen, hat der erste US-Bundesstaat den Konsum von E-Zigaretten verboten. Der schwedische Psychologe Karl Fagerström warnt aber davor das Dampfen zu verdammen.

Einige wenige Anzeigen, kaum Verstöße, bislang ein Polizeieinsatz in Wien: Das Rauchverbot in der heimischen Gastronomie lässt sich ähnlich unspektakulär an wie die Eröffnung der Begegnungszone in der Mariahilfer Straße – gemessen an der Aufregung, die vorab geherrscht hat. Mehr Aufregerpotenzial hat eine Aussage des schwedischen Verhaltensforschers Dr. Karl Fagerström, der sich vor Kurzem in Wien für die E-Zigarette aussprach, wenn der Verzicht auf die Zigarette nicht gelingen will. „Wir fordern seit Jahrzehnten die Reduktion Tabak-assoziierter Gesundheitsschäden. E-Zigaretten können als alternative Nikotinzuliefersysteme einen Beitrag dazu leisten.“ Dagegen tritt etwa die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin auf: Wer von der herkömmlichen Tabakzigarette auf die E-Zigarette umsteige, ersetze lediglich eine Sucht durch eine andere, betont sie in einer Erklärung.

Harmlos seien E-Zigaretten trotz der Vorteile im Vergleich zur Tabakzigarette nicht, sagte auch Frank Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Pauschale Aussagen über E-Zigaretten seien schwierig, da es zwischen den Geräten große Unterschiede gebe. Der Beitrag Fagerströms kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Vor wenigen Wochen hat Massachusetts als erster US-Staat den Verkauf von E-Zigaretten verboten. Gouverneur Charlie Baker sagte, das Verbot gelte bis zum 25. Jänner. Der Politiker sprach von einem Gesundheitsnotstand. Das Zentrum für Seuchenbekämpfung CDC gibt 1.299 registrierte Fälle von Lungenschädigungen an, die im Zusammenhang mit der Verwendung von E-Zigaretten gesehen werden. Unter diesen Fällen gibt es 26 Todesfälle. Laut CDC haben viele dieser Patienten THC-haltige Produkte verwendet.

Martin Krenek-Burger

Ärztliche Empfehlung für E-Zigarette nicht sinnvoll

„Die seit 1. November 2019 geltende Novelle zum Tabakgesetz sieht einen umfassenden Nichtraucherschutz vor. Die Regelungen im Sinne dieser Bestimmung erstrecken sich auch auf die Verwendung von Wasserpfeifen und verwandter Erzeugnisse, also auch E-Zigaretten.

Es ist nun einmal ein Faktum, dass ein Drittel aller Krebserkrankungen auf Rauchen zurückzuführen ist. Generelle Rauchverbote in anderen EU-Ländern haben gezeigt, dass damit Herzinfarkte, Atemwegserkrankungen, Angina pectoris sowie die Frühgeburtenrate und die Anzahl der zu kleinen Neugeborenen ( small for date ) reduziert werden konnten.

Laut den aktuellsten OECD-Daten rauchen 24,3 Prozent der österreichischen Bevölkerung täglich, damit belegen wir den drittschlechtesten Platz in der EU. Im Vergleich dazu beträgt der OECD-Durchschnitt 18,4 Prozent. Nur Griechenland (27,3 %) und Ungarn (25,8 %) sind schlechter als wir. Österreich ist auch das Land mit den meisten Raucherinnen in Europa (22,1 %). Auch bei Männern belegen wir mit 26,5 Prozent einen Top-Platz. Bei den Jugendlichen belegen wir ebenfalls einen Platz im vorderen Spitzenfeld (14,5 %) und liegen damit weit über dem OECD-Durchschnitt (11,7 %). Dazu ist Lungenkrebs in der EU die häufigste durch Krebs bedingte Todesursache. In Ungarn gehen 27 Prozent aller tödlichen Krebserkrankungen auf Lungenkrebs zurück – dies ist der höchste Wert in der EU.

Portugal weist mit 15 Prozent den niedrigsten Anteil auf. Österreich liegt laut Eurostat-Daten aus dem Jahr 2014 mit 19 Prozent leicht unter dem EU-Durchschnitt von 21 Prozent. Das liegt aber aus unserer Sicht daran, dass wir in Österreich eine ausgezeichnete medizinische Versorgung haben.

Ob E-Zigaretten daher helfen können, alle diese alarmierenden Zahlen zu verbessern, ist aus medizinischer Sicht eher zweifelhaft. Gerade angesichts der Meldungen aus den USA, wo immer mehr schwere – teilweise neuartige und unbekannte – Krankheitsfälle aufgrund von E-Zigaretten publik werden, wäre eine ärztliche Empfehlung zu E-Zigarette als Rauchentwöhnung nicht sinnvoll.“

Prof. Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischenund der Wiener Ärztekammer

Öffnung für mehr tabakfreie Möglichkeiten wäre wichtig

„Nach der jüngsten Stellungnahme des amerikanischen Zentrums für Seuchenkontrolle und -prävention CDC vom 15. Oktober 2019 kommt selbstgemischten Liquids , die die psychoaktive Substanz THC und ein illegales Vitamin E enthalten haben, eine zentrale Rolle beim Ausbruch der US-Erkrankungen zu. Bezogen wurden diese Substanzen meist über informelle Quellen oder illegale Händler. Dieser riskante und unsachgemäße Gebrauch sollte nicht vermischt werden mit in Österreich oder in Europa zugelassenen, geprüften E-Zigaretten-Produkten.

In Europa sind E-Zigaretten seit mehr als zehn Jahren erhältlich. Die EU-Tabakprodukterichtlinie TPD liefert einen verlässlichen und bewährten gesetzlichen Rahmen, der die Inhaltsstoffe und die Zusammensetzung von E-Zigaretten in Europa strikt reguliert.

Laut der DEBRA-Studie der Heinrich-Heine-Universität aus dem Jahr 2018 ist die E-Zigarette in Deutschland inzwischen das wichtigste Mittel zur Entwöhnung vom Tabakrauch. In Großbritannien sind ca. 1,7 Millionen ehemalige Raucher auf das Dampfen umgestiegen, weitere 1,4 Millionen Raucher haben mit der Nutzung der E-Zigarette begonnen.

Erst kürzlich veröffentlichte das New England Journal of Medicine eine Studie, die zeigt, dass E-Zigaretten doppelt so effektiv sind in der Raucherentwöhnung als andere Nikotinprodukte. Sowohl ähnliche Gewohnheiten als auch der Nikotingehalt spielen dabei eine Rolle.

Es ist unrealistisch, Gesellschaften von sämtlichen Drogen zu befreien. Die komplette Vermeidung wäre das Beste, aber wichtig wäre eine Öffnung für mehr tabakfreie Möglichkeiten des Nikotinkonsums. In Schweden, wo traditionell Snus ( kleine Tabaksäckchen zur oralen Aufnahme des Nikotins; Anm. ), konsumiert werden, gibt es um die Hälfte weniger Lungenkrebsfälle bei Männern, obwohl diese einen ähnlichen Konsum wie die Österreicher aufweisen.“

Karl Olov Fagerström, PhD, Psychologe, Leiter des „Smokers‘ Information Centre“ und Karl Fagerström Consulting AB, Vaxholm Schweden

Riesiger Feldversuch an jungen Menschen

„Die ÖGP schließen sich der Empfehlung der ERS und DGP ( European Respiratory Society und Deutsche Gesellschaft für Pneumologie , Anm.) an. E-Zigaretten und E-Shishas richten sich mit ihren fruchtigen und exotischen Aromen wie Pfirsich, Erdbeere, Apfel oder Kokosnuss an ein junges Publikum. Sie gelten bei vielen Rauchern als harmlosere Alternative zu Zigaretten oder Shisha. Sie werden als Instrument zur Raucherentwöhnung angepriesen. Und auch an Orten, wo tabakhaltiger blauer Dunst verboten ist, gelten E-Zigaretten als willkommener und harmloser Ersatz für Raucher.

Das Dilemma ist: Bisher gibt es kaum wissenschaftliche Studien zu den gesundheitlichen Spätfolgen der E-Zigaretten und strikte Regulierungen wie bei Nahrungsmitteln, Medikamenten oder herkömmlichen Tabakprodukten fehlen.

Die Hersteller haben bei den Inhaltsstoffen daher großen Spielraum. So ist es möglich, dass Inhaltsstoffe und Trägersubstanzen verwendet – und nicht deklariert werden –, die bisher noch nicht ausreichend untersucht wurden. Wirkungen und Nebenwirkungen sind weitgehend unbekannt.

Viele der verwendeten Aromastoffe sind zwar dermatologisch getestet, welche Auswirkungen sie aber auf Atemwege und Lunge haben, weiß man einfach noch nicht. Zum Vergleich: Wird ein Pharmazeutikum für die Lunge auf den Markt gebracht, gibt es zahlreiche Untersuchungen und eine jahrelange Testphase, um Wirkung, Nebenwirkungen und Risiken möglichst genau zu erkennen. Derzeit befinden wir uns quasi in einem riesigen Feldversuch, der an jungen Menschen vorgenommen wird.

In einer E-Zigarette werden aromatisierte, nikotinhaltige oder nichtnikotinhaltige Flüssigkeiten elektrisch verdampft. Es entsteht kein Verbrennungsrauch, sondern ein Aerosol, das eingeatmet wird. Das Einatmen dieser Dämpfe beeinträchtigt potenziell die Flimmerhärchen in ihrer wichtigen Funktion, die Lunge vor Fremdstoffen zu schützen, und behindert dadurch die Selbstreinigungsfunktion der Lunge. Das könnte der Grund dafür sein, dass es zu einer erhöhten Anzahl von Lungenentzündungen oder Atemwegsinfekten durch den Gebrauch von E-Zigaretten kommt.“

Prim. PD Dr. Bernd Lamprecht, ÖGP-Generalsekretär, stv. Dekan für Lehre und Studierende der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde ebenda.

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Metadaten
Titel
Kann denn Dampfen Sünde sein?
Publikationsdatum
11.11.2019
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 46/2019

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