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Ärzte Woche

21.02.2022 | Gesundheitspolitik

Lottoland ist abgebrannt

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Das Auslaufen der Corona-Maßnahmen im März lässt die Impflücke nicht kleiner werden. Mit Geld ließe sich diese noch am effektivsten schließen.

Dies ist kein Kommentar, sondern ein Bericht, dennoch erlaube ich mir eine tendenziöse Feststellung: Die Pandemie-Zeit ist verlässlich in ihrer Unverlässlichkeit. Kaum meint man, die aktuell geltenden Regeln verstanden zu haben, sind sie passé. Das hat mit der nicht immer evidenz-basierten Pandemiestrategie der Regierung zu tun – Ende der Corona-Maßnahmen mit dem 5. März bei gleichzeitigem Hoffen auf einen langfristigen Erfolg der Impfpflicht. Nicht vergessen sollte man aber auch, dass das Virus selbst mit seinen Serotypen und Varianten erheblich zur Unsicherheit beiträgt. Prof. Dr. Cornelia Lass-Flörl, Direktorin des Institutes für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie in Innsbruck, forderte daher vor Kurzem, diese Schwierigkeiten offen zu benennen. „Man sollte den Mut haben, der Bevölkerung mitzuteilen, dass wir viele Dinge eben nicht wissen.“ Doch selbst wenn man, wie der Komplexitätsforscher Prof. Dr. Peter Klimek, das Ende der Corona-Maßnahmen für vertretbar hält – die Impflücke zu schließen, bleibt auf der Agenda der Regierung ganz oben. Eine ungelöste Frage. 

Impfskeptiker und solche, die auf die Booster-Impfung pfeifen, hat ein Ärztekammer-Funktionär laut der Kleinen Zeitung als Spielernaturen bezeichnet, die darauf spekulieren, „dass sie das Virus nicht erwischt“. Eine Impflotterie hätte dieser Gruppe gefallen können. „Hätte, hätte, Fahrradkette“ würde das TV-Ekel Bernd Stromberg dazu sagen. Mit dem ORF konnte man sich nicht auf die Durchführung einigen, damit sagte Bundeskanzler Karl Nehammer das Vorhaben gleich ganz ab. Wie eine Umfrage von Unique research für das Nachrichtenmagazin profil zeigt, halten 18 Prozent der Menschen die Impflotterie für eine gute Idee. 23 Prozent sind der Meinung, dass die Idee zu spät komme.

Dennoch ließe sich mit Geldauszahlungen eine Steigerung der Impfquote erzielen, sagen die Schweizer Gesundheitsökonomen Dr. Armando N. Meier und Dr. Florian Schneider. Wie Erfahrungen aus Schweden zeigten, „können sich auch bescheidene monetäre Anreize positiv auf die Impfquote auswirken“. Die Vorschlägen, wie das Lotto-Geld ausgegeben werden könnte, sind Legion. NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker warnt indes vor neuen Schulden: „Das ist Geld, das wir nicht haben“.

Martin Krenek-Burger

Regierung hat viel Goodwill verspielt

( Mit Gerald Loacker hat Martin Křenek-Burger gesprochen ). Es gibt Impflotterien landauf, landab, nur bundesweit kommt eine solche nicht zustande. Muss man darob traurig sein, Herr Abg. Loacker? „Es ist ein Unterschied, ob im Burgenland ein VW verlost wird oder ob im Bund mehr als 1 Milliarde Euro für eine Impflotterie ausgegeben werden soll. Das muss man in ein Größenverhältnis setzen. Das wäre mehr, als die gesamte Mindestsicherung kostet – für einen politischen Spaß. Da merkt man, dass die Verantwortlichen den Bezug zu den finanziellen Größenordnungen verloren haben.“

Wo nun einmal das Geld schon da ist, wo wäre diese Summe besser angelegt? „Dieses Geld haben wir aber eben nicht. Es ist nur im Zuge der Corona-Krise so viel Geld hinausgeschmissen worden, dass die Regierung offenbar den Eindruck hat, auf diese Milliarde komme es auch nicht mehr an. Aber für die jungen Menschen, die diese Summe einmal zurückzahlen müssen, ist das sehr wohl relevant. Daher bin ich froh, wenn das Geld nicht ausgegeben wird und keine zusätzliche Milliarde an Schulden gemacht wird für null Nutzen.“ Wenn es also nicht die Lotterie ist, mit der die Impflücke geschlossen wird, was dann? „Die Regierung hat viel Goodwill verspielt, und viele Leute, die man vor einem halben oder einem dreiviertel Jahr hätte erreichen können, sind heute unerreichbar, weil man sie vergrämt hat. Jetzt zu fragen, was man noch machen könnte, ist eine schwierigere Frage als noch im vergangenen Sommer. Es gibt eine kleine Gruppe, die zwar grundsätzlich impfbereit wäre, aber den Aufwand, einen Impftermin zu organisieren, scheuen, wenn sie es nicht unbedingt tun müssen. Der Zugang müsste ganz niederschwellig erfolgen. Nach Ansicht meiner Fraktion müsste man Apotheken das Impfen erlauben, zumindest Auffrischungsimpfungen. Wenn beispielsweise jemand schon zweifach COVID-geimpft ist, sollte er sich den Booster in der Apotheke seines Vertrauens holen dürfen. Damit würde gleichzeitig das Netz an Impfstellen engmaschiger. Das sollte man noch machen, damit könnte man den einen oder anderen grundsätzlich Impfwilligen noch mitnehmen.“

NAbg. Mag. Gerald Loacker, NEOS-Pandemiesprecher

Finanzielle Belohnung führt zu mehr Impfungen


„Trotz zahlreicher Appelle aus Politik und Wissenschaft bremsen stagnierende Impfquoten die Eindämmung der Corona-Pandemie. Viele Länder erwägen deshalb, mit Impfprämien mehr Menschen zu einer COVID-19-Impfung zu bewegen. Dass sie damit richtigliegen könnten, zeigt unsere Studie ,Monetary incentives increase COVID-19 vaccinations’ ( https://bit.ly/36fUfds ), die in der Fachzeitschrift Science erschienen ist. Darin berichten wir, dass es bei einem groß angelegten Versuch in Schweden gelungen ist, mit einer Prämie von rund 21 Franken (200 Schwedische Kronen oder 20 Euro) die Impfrate um vier Prozentpunkte zu erhöhen. Mit der in Aussicht gestellten Belohnung ließ sich die bereits hohe Quote im Versuch von 72 Prozent auf 76 Prozent anheben.

Unsere Studie zeigt, dass finanzielle Anreize die Impfrate erhöhen können, selbst wenn diese – wie in vielen Ländern der EU – bereits hoch ist.

Wir stellten fest, dass die Aussicht auf eine Prämie nicht nur die erklärte Impfabsicht erhöht, sondern tatsächlich auch zu mehr Impfungen führt. Dies zeigte sich unabhängig vom Geschlecht, Einkommen und Alter der Teilnehmenden.

Weniger erfolgreich waren hingegen andere Anregungen, mit denen die Forscher versuchten, das Verhalten der Teilnehmenden zu beeinflussen. Dazu gehörte zum Beispiel die Aufforderung, Personen aus dem eigenen Umfeld zu nennen, welche die Teilnehmenden mit einer Impfung schützen könnten. Solche sogenannten Nudges erhöhten zwar kurzfristig die Absicht, sich impfen zu lassen. Sie führten aber genauso wie Ermahnungen und Erinnerungen am Ende nicht zu mehr Impfungen.

Die Ergebnisse relativieren die Befürchtung, dass finanzielle Belohnungen kontraproduktiv wirken und Unentschlossene von der Impfung abhalten könnten, indem sie beispielsweise Misstrauen schürten. Im Gegenteil: Auch bescheidene monetäre Anreize können sich positiv auf die Impfquote auswirken.“

Dr. Armando N. Meier, Postdoctoral Fellow at the University of Chicago Booth School of Business (Mitautor Dr. Florian Schneider ist an der Universität Zürich, Department of Economics, tätig)

Nachhaltige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen

„Wir finden es wirklich gut und richtig, dass sich Bundeskanzler Karl Nehammer für die Milliarde Euro für den Gesundheits- und Pflegebereich als Ersatz für die Impflotterie entschieden hat. Wir haben allerdings einige Vorschläge, wie die Auszahlung aussehen und wie die Milliarde verwendet werden sollte. An sich ist das eine super Sache. Die Kolleginnen und Kollegen haben sich nach den zwei Jahren Pandemie sicher eine Einmalzahlung verdient, die Beschäftigten brauchen aber zusätzlich nachhaltige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen.

Neben der Aufstockung des Personals insgesamt braucht es einen bundesweit einheitlichen Personalberechnungsschlüssel. Bis 2030 fehlen laut Prognosen immerhin 76.000 Beschäftigte im Pflegebereich. Das heißt, die Milliarde ist gut, aber nicht im Sinne der Beschäftigten, die schon vor Corona am Anschlag gearbeitet haben und von denen sich viele während der Pandemie aufgrund der hohen Arbeitsbelastung schon nach Job-Alternativen umgesehen haben.

Mit der längst überfälligen Investition in den Gesundheits- und Pflegebereich ist es nicht getan. Alle Systemerhalterinnen und Systemerhalter, also auch die Kolleginnen und Kollegen bei den Eisenbahnen, haben sich finanzielle Zuwendungen verdient. Wir beraten den Bundeskanzler gerne dabei, wie er den Kolleginnen und Kollegen Wertschätzung entgegenbringen kann. Unsere Hand ist wie immer zu Gesprächen ausgestreckt.“

Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida

Metadaten
Titel
Lottoland ist abgebrannt
Schlagwort
Gesundheitspolitik
Publikationsdatum
21.02.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 8/2022

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