Skip to main content
Ärzte Woche

13.02.2022 | Gesundheitspolitik

Klinik für Rechenkönige

verfasst von: Martin Krenek-Burger

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Für den Skandal-Bau liegt nunmehr die Endabrechnung vor. Die Kosten von rund 1,3 Mrd. Euro liegen demnach um 25 Prozent über der ursprünglichen Kalkulation, aber noch unterhalb den vom Rechnungshof prognostizierten Ausgaben. Das ist zwar happig, aber gerade noch im Rahmen für vergleichbare Großprojekte, sagten der zuständige Stadtrat Hacker und der stv. Generaldirektor des WGV, Wetzlinger.

An harten – der Wiener sagt dazu: nicht lieb gemeinten – Vergleichen mangelte es nicht: „Berlin hat seinen Flughafen, Wien hat das KH Nord“, sagte etwa ÖVP-Klubchef Markus Wölbitsch im August 2018. So schlimm kam es dann nicht, doch auch so geht das KH Nord als Pleiten-Pech-und-Pannen-Bau in die Wiener Stadtgeschichte ein. Einige Stichworte dazu: Bauzaun, Energiering, Fassadenfirma. Die tatsächlichen Mehrkosten, aber auch die erzielten Einsparungen sind mit der von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker vor Kurzem vorgelegten Endabrechnung amtlich.

Das Krankenhaus in Floridsdorf hat in Summe 1,262 Milliarden Euro gekostet. Stadtrat Hacker ist froh, dass diese Summe „unter der von mir im Juni 2018 vorgegebenen Höchstgrenze von 1,341 Milliarden Euro“ liegt. Damit unterschreitet man auch die vom Rechnungshof prognostizierten 1,4 Milliarden Euro an Baukosten. Dennoch muss die Stadt unterm Strich ein Kosten-Plus von 25, 63 Prozent stemmen.

Auf der Habenseite verbucht Hacker, dass man sich unter seiner Ägide 400 Millionen Euro an Mehrkosten erspart habe. Mit Hunderten Firmen wurden Einigungen erzielt, lediglich drei Fälle seien noch gerichtsanhängig. Für den viel diskutierten Bauzaun habe man beispielsweise nicht 800.000 sondern 38.000 Euro bezahlt. Der energetische Schutzring um die Klinik, der, als der Auftrag 2018 ruchbar wurde, für Kopfschütteln gesorgt hat, schlug dafür mit dem vollen Betrag von 95.000 Euro zu Buche. Diese Zahlung sei durch die zwischenzeitlich abgelöste Programmleitung zu Recht erfolgt, „wenn auch „der Inhalt der Leistung keinesfalls richtig war“, sagt Herwig Wetzlinger, Generaldirektor-Stellvertreter des Wiener Gesundheitsverbundes und seit Ende 2017 für den Bau der Klinik Floridsdorf zuständig. „Kein Bauprojekt ist risikofrei. Beim Bau der Klinik Floridsdorf kam es unter anderem durch Zeitverzögerungen zu Mehrkosten.“

Dem freiheitlichen Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl reichen die vorgelegten Zahlen immer noch nicht. „Zwar wurde eingeräumt, dass es zu Mehrkosten gekommen sei, jedoch seien diese in erster Linie auf Indexanpassungen geschoben worden.“ Weder Fehlplanungen noch Fehlmanagement seien eingeräumt , der kritische Bericht des Rechnungshofes vom Tisch gewischt worden. Dafür, dass sich Gesundheitsstadtrat Hacker so viel Zeit für die Präsentation der Kosten gelassen habe, sei die Auskunft „mehr als mau. Absurditäten beim Bau, wie etwa der gezogene Energiering, mussten bezahlt werden, das hat das Gesundheitsmanagement der Stadt Wien einfach in Kauf genommen. Das ist ein verantwortungsloser Umgang mit Steuergeld.“

Gara: „Viel gelernt, besser gerüstet“

Die NEOS waren eine treibende Kraft hinter der Aufklärungsarbeit in der KH Nord-Untersuchungskommission 2018/2019. Vor zwei Jahren wechselten die Wiener NEOS von der Oppositions- auf die Regierungsbank. Ihr Gesundheitssprecher Stefan Gara resümiert heute, dass die Untersuchungskommission wichtige Arbeit geleistet habe: „Ohne die Untersuchungskommission hätte es diesen Kurswechsel zu planvollem und verantwortungsvollem Management in der Schlussphase des Baus nicht gegeben. Die Erkenntnisse der Untersuchungen haben mit Sicherheit auch dazu geführt, dass die Stadt Wien für künftige Großbau-Projekte viel gelernt hat und deshalb besser gerüstet ist!“

Was besser zu machen wäre, erläuterte Gara im Jahr 2019, als der Abschlussbericht der Kommission vorlag: „Der grundlegende Fehler“ sei bei der Verknüpfung der Grundstücksbereitstellung in Floridsdorf mit der Vergabe der Planung und Errichtung passiert. „Das ist extrem unüblich in der Branche, weil es den Wettbewerb massiv einschränkt. Kaum jemand verfügt genau an diesem Ort über ein Grundstück außer den üblichen Bekannten und das sehen wir als eine sehr schlechte Verhandlungsposition, in die sich der KAV ( Anm.: seit 2020 WGV, Wiener Gesundheitsverbund ) begeben hat.“ Er wies darauf hin, dass der KAV „kein Unternehmen im eigentlichen Sinne“ sei, „sondern eine Magistratsabteilung ohne Personal- und Kostenhoheit. Letztlich ist der KAV stärker in der politischen Verantwortung als dargestellt“.

Korosec: „massive Steigerung“

Ob tatsächlich für künftige Großprojekte die richtigen Lehren gezogen wurde, wird sich weisen. „Tatsache ist, dass dieses Projekt um ein Vielfaches mehr gekostet hat, als anfänglich präsentiert“, sagt die Wiener ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec. Erst durch den Untersuchungsausschuss wurde die Tochtergesellschaft für Baumanagement etabliert, die in Zukunft derartige Kostenüberschreitungen und Verzögerungen verhindern soll. „Derartige Fälle dürfen sich nicht mehr wiederholen. Im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“, sagt Korosec. „Auch die Beteuerungen und die beruhigenden Worte von Stadtrat Hacker, dass man sich im zuletzt festgelegten Kostenrahmen bewege, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Bauprojekt mit einer massiven Kostensteigerung zulasten der Wienerinnen und Wiener verbunden ist.“

Nächste Runde: Ausrüstungsmängel

Die nächste Baustelle für den Gesundheitsverbund ist eine überschaubarere als das KH Nord, aber nicht minder gefährlich. Denn qualitativ schlechte Ausrüstung regt die Mitarbeiter in den Häusern vermutlich mehr auf als schwer fassbare Kostenüberschreitung in Millionenhöhe. Personalvertreter berichten von Schutzhandschuhe, welche zu schnell reißen, von vermehrten Hautausschlägen nach dem Tragen der Arbeitskleidung und auch von Kopfbedeckungen in OP- und Intensivbereichen, die für die Kopfgröße zu klein sind, und den darauf folgenden Kopfschmerzen.

Die strenge, nicht lieb gemeinte Mahnung der Unabhängigen Personalvertretung der Gemeindebediensteten lautet: „Wenn dem Wiener Gesundheitsverbund seine Mitarbeiter tatsächlich so viel wert sind, wie in der Öffentlichkeit immer betont wird, dann wird man sich nicht für die kostengünstigste, sondern für eine qualitativ hochwertige, teurere Schutzausrüstung entscheiden.“

print
DRUCKEN
Metadaten
Titel
Klinik für Rechenkönige
Schlagwort
Gesundheitspolitik
Publikationsdatum
13.02.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 7/2022

Weitere Artikel der Ausgabe 7/2022

www.gesundheitswirtschaft.at (Link öffnet in neuem Fenster)

Mit den beiden Medien ÖKZ und QUALITAS unterstützt Gesundheitswirtschaft.at das Gesundheitssystem durch kritische Analysen und Information, schafft Interesse für notwendige Veränderungen und fördert Initiative. Die ÖKZ ist seit 1960 das bekannteste Printmedium für Führungskräfte und Entscheidungsträger im österreichischen Gesundheitssystem. Die QUALITAS verbindet seit 2002 die deutschsprachigen Experten und Praktiker im Thema Qualität in Gesundheitseinrichtungen.

zur Seite

www.pains.at (Link öffnet in neuem Fenster)

P.A.I.N.S. bietet vielfältige und aktuelle Inhalte in den Bereichen Palliativmedizin, Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerzmedizin. Die Informationsplattform legt einen besonderen Schwerpunkt auf hochwertige Fortbildung und bietet Updates und ausgewählte Highlight-Beiträge aus Schmerznachrichten und Anästhesie Nachrichten.

zur Seite