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Ärzte Woche

21.06.2021 | Gesundheitspolitik

COVID-19

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Das Nationale Impfgremium empfiehlt die Immunisierung der über 12-Jährigen, die deutsche STIKO will dies hingegen nur bei gewissen Vorerkrankungen. In Wien beginnt das sogenannte „Eltern-Kind-Impfen“.

Im Schnitt wird in Österreich jede Sekunde eine COVID-Impfung verabreicht. Das hat das Ministerium von Wolfgang Mückstein (Die Grünen) ausgerechnet. Mehr als zwei Millionen Menschen hierzulande, und damit jeder Vierte der impfbaren Bevölkerung, ist voll immunisiert. Der Gesundheitsminister hat sich auch für eine Impfung Jungen ausgesprochen. Mückstein rechnet mit 200.000 impfwilligen Jugendlichen in dieser Altersgruppe. Ziel sei ein „möglichst ungestörter Präsenzunterricht im September“.

Gestützt wird die Meinung des Allgemeinmediziners vom Nationalen Impfgremium NIG: „Die Impfung wird in Österreich in der Altersgruppe der 12- bis 15-Jährigen gemäß der Priorisierungsliste des NIG empfohlen.“ Die Empfehlung gilt für den Impfstoff Comirnaty® der Firma BioNTech/Pfizer. Für diesen hat die europäische Gesundheitsagentur EMA am 29. Mai die Zulassung erteilt. Bei unmündigen Minderjährigen (Anm.: Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres) ist die Einwilligung eines Elternteiles nötig, mündige Minderjährige müssen selbst einwilligen. In Wien beginnt am 25. Juni das sogenannte „Eltern-Kind-Impfen“, kündigte der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) an. Geimpft werde im Austria Center Vienna.

Deklariert gegen eine Impfung von Kindern ist die FPÖ, „Impf-Finger weg von unseren Kindern“, wetterte der neue Parteichef Herbert Kickl. Differenzierteres ist von der Ständigen Impfkommission STIKO in Deutschland zu hören, auf die sich die FPÖ mitunter beruft. Diese empfiehlt Impfungen nur bei gewissen Vorerkrankungen, unter anderen Adipositas, Diabetes, Herzinsuffizienz, Herzfehler, chronische Lungenerkrankungen und Trisomie 21.

Martin Krenek-Burger

Empfehlung umfasst zwölf Erkrankungsentitäten

„Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt, lediglich jene Kinder und Jugendliche aus dieser Altersgruppe impfen zu lassen, die eine besondere Vorerkrankung aufweisen. Die Empfehlung umfasst insgesamt zwölf Erkrankungsentitäten beziehungsweise Erkrankungsgruppen. Dazu zählen unter anderen Adipositas, Diabetes, Herzinsuffizienz, Herzfehler, chronische Lungenerkrankungen und Trisomie 21.

Eine aktuelle Auswertung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zeigt, dass etwa 11 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die zwischen 12 und 17 Jahre alt sind, unter mindestens eines der STIKO-Risikomerkmale fallen. Die regionale Spannbreite der spezifischen Impfindikationen reicht von 9,5 Prozent bis 13,8 Prozent. Bei gesetzlich Versicherten ergeben sich bundesweit etwa 402.000 Impflinge. 45 Prozent davon sind Kinder und Jugendliche, die unter asthmatischen Erkrankungen leiden. Unter Berücksichtigung der Privatversicherten sind bundesweit etwa 452.000 potenzielle Impflinge betroffen.

Unsere Auswertung gibt eine Orientierung, wo viele Kinder- und Jugendliche unter die Empfehlung der STIKO fallen. Die Indikationsimpfungen für Kinder und Jugendliche mit bestimmten Vorerkrankungen sollten in den Praxen der Kinder- und Jugendärzte vorgenommen werden können. Hier gehören die Impfungen hin; die Praxen kennen ihre Patienten am besten. Eine Voraussetzung für ein zügiges Impfen dieser schutzbedürftigen Personengruppe dürfte allerdings die regelmäßige, planbare Belieferung der Praxen mit Impfstoff sein.

Auf Basis der bundesweiten, krankenkassenübergreifenden vertragsärztlichen Abrechnungsdaten des Jahres 2019 sind in der Auswertung die Zahl der Erkrankten mit Impfindikation gemäß STIKO-Empfehlung und deren Anteil an allen Patienten der GKV für den Altersbereich 12 bis 17 Jahre berechnet worden. Die Operationalisierung zur Identifizierung der Erkrankungsfälle mit Impfindikation erfolgte über ICD-10-GM-Codes gemäß der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10-GM). Lagen bei Patienten mehrere Erkrankungen vor, sind diese nur einmal gezählt worden.“

Dr. Dominik von Stillfried, Vorstandsvorsitzender des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland

Todesfälle sind nicht auszuschließen

„Bisher ist in Österreich kein einziges Kind unter 5 Jahren an COVID verstorben, nur zwei im Alter von 5 bis 14 Jahren. Jedes einzelne Schicksal ist im höchsten Maße bedauerlich, aber es stellt sich die Frage, ob aus diesen wenigen Einzelschicksalen eine Impfempfehlung oder gar ein Impfzwang für alle Kinder abgeleitet werden kann und soll. Von allen verfügbaren Corona-Impfstoffen ist bisher nur der Impfstoff von BioNTech/Pfizer für Kinder ab 12 Jahren zugelassen. Die Zulassung wurde von der EMA nur ,bedingt’ erteilt, bis weitere Daten verfügbar sind. Diese bedingte Zulassung stützt sich auf eine kleine Studie an etwa 2.000 Kindern mit einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von nur 56 Tagen. Lokale Nebenwirkungen traten bei 86 Prozent der geimpften Kinder auf, systemische Nebenwirkungen wie Fieber, Abgeschlagenheit oder Kopfschmerzen bei etwa 60 Prozent. Auch schwere Nebenwirkungen traten vereinzelt auf. Wegen der kurzen Beobachtungszeit und der geringen Fallzahl ist die Studie ungeeignet, um zuverlässige Aussagen über die Langzeitsicherheit und -effektivität der Impfung bei Kindern abzuleiten. Todesfälle sind nicht auszuschließen. In der Europäischen Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelwirkungen befinden sich bereits jetzt 583 Einträge zu unerwünschten Wirkungen von Comirnaty bei Kindern unter 18 Jahren. Der Eintrag alleine weist keine Kausalität nach, jedoch ist auch nicht auszuschließen, dass die Impfung kausal für die berichteten Nebenwirkungen war. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass es auch bei Kindern zum Thrombotisch-Thrombozytopenischen Syndrom kommen kann, das bei jungen Erwachsenen inzwischen zahlreich im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Impfung aufgetreten ist.

Sowohl die STIKO als auch die DEGAM und viele weitere Fachgesellschaften sprechen sich wegen des unklaren Nutzen/Risiko-Verhältnisses gegen die routinemäßige Impfung von Kindern aus. Die DEGAM schreibt: ,Deswegen sind Covid-Impfungen von Kindern und Jugendlichen allenfalls bei schweren Vorerkrankungen im Rahmen von kontrollierten Studien denkbar.’ Es ist vollkommen unverständlich und ethisch höchst fragwürdig, dass die Ärztekammer, die Regierung und das Nationale Impfgremium die Impfung von Kindern empfehlen oder gar eine Impfpflicht in Erwägung ziehen.“

Prof. Dr. Andreas Sönnichsen, FA für Innere Medizin,Wien/Salzburg/München

Weltweit werden kontinuierlich Daten erhoben

„Der mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer ( BNT162b2, Comirnaty ) zeigt bei Jugendlichen ab 12 Jahren eine hohe Wirksamkeit und bietet daher einen sehr guten Schutz vor COVID-19. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine Impfung mit Comirnaty für Jugendliche von 12 bis 17 Jahren, die selbst Vorerkrankungen haben oder in deren Umfeld Angehörige und andere Kontaktpersonen mit hoher Gefährdung für eine schwere COVID-19-Erkrankung sind. Die DGfI unterstützt aus immunologischer Sicht diese Indikationsempfehlung. Die European Medicines Agency (EMA) hat nach Prüfung der mit dem Zulassungsantrag eingereichten Unterlagen unter Mitarbeit des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) den Einsatz des Impfstoffs Comirnaty für die Anwendung bei Personen ab 12 Jahren aufgrund einer günstigen Nutzen-Risikobilanz empfohlen und die Europäische Kommission hat die Erweiterung der Altersindikation zugelassen. Auch die STIKO sagt, dass eine Impfung nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz des Kindes oder Jugendlichen bzw. der Sorgeberechtigten möglich ist. Für die eingeschränkte Empfehlung der STIKO war von Bedeutung, dass das Risiko einer schweren COVID-19-Erkrankung in dieser Altersgruppe gering ist.

Für eine generelle Impfempfehlung ist die studienbasierte Datenlage derzeit noch zu gering, aber es werden weltweit kontinuierlich weitere Daten erhoben, etwa im Zuge des Zulassungsverfahrens für den COVID-Impfstoff von Moderna für diese Altersgruppe sowie der laufenden Studien zu Comirnaty bei Kindern zwischen 6 Monaten und 11 Jahren. Auch internationale „Real-World“-Daten von mehr als drei Millionen Geimpften im Alter von 12 bis 17 Jahren können dazu beitragen, möglichst zeitnah belastbarere Daten auch zu seltenen Nebenwirkungen bei Jugendlichen zu erhalten, die in die Nutzen-Risikobilanz einfließen können.

Kinder und Jugendliche ohne Impfung sind einem Infektionsrisiko ausgesetzt, vergleichbar zu allen anderen ungeimpften Altersgruppen. So wurden die höchsten Inzidenzen der 3. Welle bei den 12- bis 17-Jährigen erreicht. Ohne Impfung von Kindern und Jugendlichen besteht im Herbst die Gefahr vermehrter Ausbrüche in Schulen und ähnlichen Einrichtungen.“

Prof. Dr. Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI)


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Metadaten
Titel
COVID-19
Impfling Junior
Schlagwort
Gesundheitspolitik
Publikationsdatum
21.06.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 25/2021

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