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Ärzte Woche

19.06.2018 | Gesundheitspolitik

„Ich sehe den Job als Dienst an der Öffentlichkeit“

verfasst von: Mit Eva Dichand hat Raoul Mazhar gesprochen

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Im Mai hat sich der neue Universitätsrat der Medizinischen Universität Wien auf sein fünftes Mitglied geeinigt und war als vollständiges Gremium in der Lage, seine Vorsitzende zu wählen: Letztlich wurde die einzige Nichtmedizinerin auserkoren: die Wirtschaftswissenschaftlerin und „Heute“-Herausgeberin Dr. Eva Dichand. Wir sprachen mit ihr über die Wahl, ihre Ambitionen und darüber, wie sie die Arbeit im Unirat ausfüllen will.

Der klassische Unirat hält sich aus der Tagespolitik eher heraus und sieht sich vor allem als Aufsichtsorgan. Dann gibt es jene, die Impulse setzen wollen. Wie legen Sie es an?

Dichand: Ich halte es nicht für zielführend, in die Rolle des täglichen Ratgebers zu schlüpfen. Es gibt ja Uniräte, die glauben, einmal in der Woche Hof halten und ständig ins operative Geschehen eingreifen zu müssen. Das habe ich nicht vor. Zum einen wäre mir das aufgrund meiner ohnehin vielfältigen anderen Aufgaben zu anstrengend, und zum anderen hat die MedUni Wien mit Markus Müller einen jungen, extrem engagierten Rektor, der tolle Managerqualitäten aufweist. Wenn man es von mir einfordert, werde ich mit Rat und Tat zur Verfügung stehen, aber ansonsten halte ich es wie in der Privatwirtschaft, wo der Aufsichtsrat ein Aufsichtsgremium ist.

Natürlich kann der Unirat im Krisenfall eingreifen oder, um ein anderes Betätigungsfeld zu nennen, sich für das Fundraising einsetzen. Einige wesentliche langfristige wirtschaftliche Entscheidungen wurden ja ohnehin bereits vor meiner Periode als Unirat getroffen, wie etwa die Bauprojekte am MedUni Campus oder die Bestätigung der Funktion von Rektor Dr. Markus Müller bis 2023.

Also legen Sie es wie der Bundespräsident an, erst im Notfall Hilfestellung zu leisten?

Dichand: Ich hoffe, dass es keine Notfälle geben wird. Aber ja, so sehe ich es. In großen Unternehmen, wie etwa Google oder der OMV, decken die Aufsichtsräte auch unterschiedliche Bereiche ab. Da das medizinische Know-how eher von den Kolleginnen und Kollegen kommt, sehe ich mich eher als Schnittstelle zu Politik und Privatwirtschaft. In diesem Bereich sind viele heimische öffentliche Universitäten eher schwach und haben keine gemeinsame Lobby. Ich kann hier viel erreichen, zumal ich das Ohr der Öffentlichkeit und der Politik erreiche. Dabei ist ein großer Vorteil, dass wir eine junge Regierung haben, die gegenüber Änderungen aufgeschlossen ist. Nun könnten wir endlich Dinge ändern, die bislang festgefahren waren.

Sie sprachen vorhin davon, bei drohenden Desastern tätig zu werden. Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass Großprojekte wie der neue MedUni Campus Mariannengasse oft in einer Katastrophe münden …

Dichand: Ich würde nicht gleich im Vorhinein von einer drohenden Katastrophe sprechen. Sie haben jedoch recht, dass es vor allem in Wien negative Erfahrungen bei großen Bauprojekten wie etwa im Krankenhausbau gibt. Ich habe daher sofort bei meiner Bestellung gefordert, dass man sich genau die Kalkulation anschauen möge. Mir wurde daraufhin versichert, dass das Projekt bis ins Detail durchgeplant wurde. Aus meiner Sicht ist mit professionellen Bauvorhaben und Projektabwicklung ohne Kostenüberschreitungen zu rechnen.

Erinnern Sie sich an den Bau des Wiener AKHs? Hier versagte schon im Vorfeld die Projektplanung und -steuerung. Ein Gegenbeispiel ist der Campus der Wirtschaftsuniversität Wien, wo man dank ausgezeichnetem Management eine Punktlandung erzielte, sowohl was die Kosten als auch das Zeitmanagement betraf. Das nehmen wir uns als Vorbild. Wir haben lange darüber diskutiert und wissen, dass wir uns an der Privatwirtschaft orientieren müssen, dort geht es auch nicht, dass alles länger dauert und die Ausgaben explodieren. Jeder verlorene Euro geht der studentischen Ausbildung oder der Forschung verloren.

War das eigentlich Ihre eigene Idee, sich als Unirätin in Position zu bringen?

Dichand: Nein, man ist auf mich zugekommen. Ich wurde gefragt, ob ich das machen will und dann habe ich Rektor Müller getroffen, der Aussagen von vielen anderen bestätigte, nämlich dass man es begrüßen würde, wenn mal jemand nicht aus der Politik kommt.

Der Kanzler hat Sie persönlich gefragt? Es scheint ja, als ob sich die Regierung eine günstige Berichterstattung erkauft.

Dichand: Das stellt sich der kleine Max so vor, es ist aber überhaupt nicht so gewesen. Ich wurde schon von der vorigen Regierung gefragt. Kanzler Kurz war damals zwar Außenminister, hatte auf diese Entscheidung jedoch keinen Einfluss. Er ist ein bisschen wie die Jungfrau zum Kind gekommen.

Es mag Menschen geben, die ein Amt betreiben, um ihr Netzwerk aufzubauen und Termine bei wichtigen Promis zu erhalten, aber das habe ich nicht nötig. Ich sehe diese Aufgabe als Dienst an der Öffentlichkeit, und sie liegt mir mittlerweile am Herzen. Ich war ja in den USA, wo ich mir ein Jahr lang hauptsächlich die digitale Entwicklung im Gesundheitsbereich angeschaut habe.

Wo wir wieder bei der ersten Frage wären, wo ich Sie nach den Impulsen gefragt habe, die Sie setzen könnten.

Dichand: Ja ok, ich könnte mir vorstellen, mich für die Digitalisierung in der Medizin einzusetzen. Hier hinken wir in Österreich hinterher. Während wir im Medienbereich Schritt halten, fallen wir bei den Start-ups im Gesundheitsbereich zurück. Das ist aber wie in der Forschung: Man muss sich ständig engagieren, sonst verliert man den Anschluss.

Schauen Sie sich beispielsweise die Telemedizin in Deutschland an. Dort wurden Programme installiert, wo Patienten den ersten Termin physisch wahrnehmen müssen, danach können sie aber selbst entscheiden, ob sie darauf folgende Konsultationen per Video machen. Die Krankenkassen ziehen da auch mit.

Vom technischen Fortschritt profitieren ja nicht nur die Patienten; die Allgemeinmediziner müssen im ländlichen Bereich weite Strecken zurücklegen und verdienen auch noch wenig. Viele Wege könnte man sich sparen, wenn die Telemedizin öfter zum Einsatz käme. Das wird natürlich nicht in allen Bereichen funktionieren, aber in manchen viel Effizienz und Vereinfachung mit sich bringen. Es gibt viele kleine Schritte, die wir setzen könnten, trauen muss man sich halt.

Sie stehen der Digitalisierung im Gesundheitsbereich also sehr positiv gegenüber?

Dichand: Selbstverständlich! Dabei geht es nicht nur um die Telemedizin, also einen Fortschritt direkt beim Patienten, auch in der Lehre und in der Forschung bringt uns die digitale Vernetzung der Universitätskliniken viele Vorteile.

Das könnte in der Ausbildung freilich stärker eingesetzt werden.

Dichand: Nach den Gesprächen mit dem Rektor bin ich da sehr optimistisch. Wir bekommen in den nächsten Jahren fünf neue Lehrstühle im Bereich der digitalisierten Medizin. Dort soll den Studenten die Möglichkeiten der Virtual Reality ebenso nahegebracht werden wie die Vorteile von Simulationsprogrammen bei der ärztlichen Fortbildung.

Überhaupt werden die Berufsbilder in der Gesundheitslandschaft demnächst revolutioniert werden. Wir beide erleben das schon jetzt im Medienbereich. Noch vor Kurzem waren vor allem Journalisten gefragt, heute suchen wir vorrangig IT-Spezialisten. Auf solche einschneidenden Veränderungen müssen wir die Ärzteschaft von morgen vorbereiten. Die Herausforderungen einer digitalen Welt spüren die Mediziner ja bereits heute, denken Sie etwa an den Mehraufwand aufgrund der neuen Datenschutzverordnung.

Es werden immer mehr private Universitäten gegründet, was den Druck auf öffentliche Einrichtungen erhöht. Ist das Studium an der MedUni Wien attraktiv genug, um dem standzuhalten?

Dichand: Was die Privatunis angeht, so gibt es unterschiedliche Meinungen. Die einen sagen, all diese privaten Einrichtungen kosten viel Geld, bilden aber schlecht aus, die anderen behaupten, dass die Ausgaben gut investiert wären. Ich bin davon überzeugt, dass man an die Spitzenmedizin der MedUni Wien nicht herankommen wird. Dennoch dürfen wir nicht nachlassen und müssen in spezifischen Bereichen den Vorsprung weiter ausbauen. Selbstverständlich ist es schon eine enorme Herausforderung, tausenden Studenten eine gleichbleibend hohe Qualität zu bieten.

Ist der Numerus clausus eine Option?

Dichand: Ich denke nicht! Die gute Ausbildung können wir – obwohl das zugegeben eine Herausforderung ist – weiterhin gewährleisten. Das Problem ist wohl eher, die fertigen Mediziner im Land und im Beruf zu halten. Wir befinden uns da in harter Konkurrenz mit Deutschland oder der Schweiz, wo die Gehälter und Bedingungen teilweise attraktiver sind. Hier sind wir gefordert, nicht nur im medizinischen Bereich, denn das gleiche Problem haben wir mit den Absolventen der Technischen Universität. Wir bilden teuer aus und verlieren die besten Leute ans Ausland. Aber es ist nicht nur das, wir haben bekanntermaßen auch ein Stadt-Land-Verteilungsproblem. Wir müssen endlich akzeptable wirtschaftliche Rahmenbedingungen für niedergelassene Arzte schaffen, das Image aufpeppen und eine gute Work-Life-Balance garantieren.

Sind Sie eigentlich zufrieden mit der klinischen, also der praktischen Ausbildung an der Wiener Universität?

Dichand: Im Moment sind wir mit dem Erreichten durchaus glücklich. Junge Mediziner sollten länger in einer Allgemeinmediziner-Praxis arbeiten um dort möglichst umfassend auf allen benötigten Gebieten praktisch ausgebildet zu werden. Was die Zukunft der Facharztausbildung betrifft, so werden gerade Gespräche im Hintergrund geführt.

Besonders wichtig ist meines Erachtens der Ausbau der Geriatrie und der Palliativmedizin. Da müssen wir endlich in neuen Kategorien denken. Der Staat überlässt dieses Feld fast vollkommen Institutionen wie der Caritas, dem Roten Kreuz und unzähligen ehrenamtlichen Helfern. Es ist aber sehr fraglich, ob die das angesichts der Alterspyramide auch in Zukunft stemmen können. Der Staat wird das irgendwann übernehmen müssen. Auch hier wird sich einiges in der Aus- und Weiterbildung tun müssen.

Apropos Ausbildung, wir haben fünf Personen im Unirat, vier davon haben Medizin studiert. Die Einzige, die es nicht studiert hat, wurde in den Vorstand gewählt. Wie kam es dazu?

Dichand: Das ist eine interne Wahl, die anderen vier haben halt so entschieden.

Wie kann man sich so eine Wahl vorstellen? Wurden Argumente ausgetauscht, gab es persönliche Gespräche?

Dichand: Es gab unterschiedlichste Diskussionen. Letztendlich wurde ich einstimmig gewählt. Der letzte Vorsitzende, Dr. Erhard Busek, war ja auch kein Mediziner, sondern kam aus der Politik. Er hat den Unirat trotzdem hervorragend über zehn Jahre geleitet und hat sich jetzt wohlverdient zurückgezogen. Jetzt ist eben eine neue Generation dran.

Außerdem können Sie auch im Google-Vorstand sitzen, ohne zu wissen, wie man programmiert. Ich habe in letzter Zeit mit unterschiedlichen Interessensvertretern über die Anforderungen des österreichischen Gesundheitswesens diskutiert. Hierbei ist vor allem Hausverstand gefragt. Es geht darum, Bedürfnisse und Herausforderungen zu verstehen und an der bestmöglichen Umsetzung mitzuarbeiten.

Sie sind jetzt Vorständin einer der wichtigsten akademischen Gremien unseres Landes, und in Ihrer Zeitung „Heute“ finden sich zum Teil unwissenschaftliche, teils esoterisch angehauchte Beiträge. Wie verträgt sich das?

Dichand: Also bitte, das ist ja völlig wurscht. „Heute“ ist eine Gratiszeitung und kein medizinisches Fachblatt. Wir machen eben Tageszeitung für über eine Million Leser täglich, und das hat nichts damit zu tun, was auf der Medizinischen Universität geschieht.

Sie sehen also keine Konflikte?

Dichand: Ich verstehe nicht einmal die Frage. Was für ein Konflikt?

Weil die Inhalte in „Heute“ oft dem widersprechen, was auf der MedUni Wien gelehrt wird.

Dichand: Tun sie das? Eine Zeitung, die so viele Leser erreicht, muss eben die Sprache der Leute sprechen. Es ist eine Tatsache, dass nur ein geringer Prozentsatz der Menschen versteht, was auf der MedUni besprochen wird. Das müssen wir übersetzen. Das ist immer dieses Gequake, das den Unterschied zwischen Qualitäts- und Massenmedium beschreibt. Wir brauchen aber die Massenmedien, weil man über sie vermittelt kann, wie wichtig es ist, zur Krebsvorsorge zu gehen oder sein Kind zu impfen. Sollen spezifische Forschungsergebnisse publiziert werden, brauchen Sie sicherlich Fachzeitschriften. Wollen Sie ein medizinisches Thema ein paar Millionen Menschen verständlich näher bringen, werden Sie um sogenannte Massenmedien, sei es im Print, digital oder den Rundfunk, nicht herumkommen.

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Metadaten
Titel
„Ich sehe den Job als Dienst an der Öffentlichkeit“
Schlagwort
Gesundheitspolitik
Publikationsdatum
19.06.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 25/2018

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