Italien will 10.000 Krankenpfleger aus dem Ausland einsetzen, um die Personalprobleme im öffentlichen Gesundheitswesen einzudämmen. Die Pflegekräfte kommen aus Indien. Und wie löst Österreich dieses Problem?
Ein Teil der Pflegereform der noch amtierenden schwarz-grünen Bundesregierung ist Stückwerk geblieben. Ihre Ausbildungsoffensive greift zwar, doch müsste diese noch intensiver und konsequenter umgesetzt werden. Auch der „Fleckerlteppich“ – weniges ist Bundeskompetenz und es herrscht eine recht große Länderautonomie – ist nicht hilfreich.
Die Frage: Soll man bundesweit Pflegekräfte aus EU-Drittstaaten anwerben oder aber in Österreich die Weiche so stellen, dass der Personalbedarf im Land gedeckt werden kann?
Helmut Lutz von „Malteser Care“ dazu: „Wir haben keinen Pflegenotstand, sondern eine Pflegekatastrophe.“ Alles, was jetzt geschehe, sei eigentlich nur noch „Schadensbegrenzung“. Wichtiger sei es jedenfalls, in Richtung EU-Drittstaaten zu blicken und der Bevölkerung gleichzeitig reinen Wein einzuschenken: Nämlich, dass in Zukunft immer weniger Pflegeleistungen von öffentlicher Hand finanziert werden könnten.
Etwas weniger drastisch beschreibt Anna Paar, Generalsekretärin der Caritas Österreich, die Situation. Was ihr aber wichtig sei: „Es braucht eine bundesweite Strategie zur Bewältigung dieses Themas.“ Es gehe darum „in einem System“ und nicht „in neun Systemen“ zu denken und zu handeln.
Paar rührt an der Kompetenzverteilung von Bund und Ländern an. Was sagt Tirol dazu? Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele (ÖVP) weist darauf hin, dass es in ihrem Bundesland eine funktionierende Ausbildungsoffensive gebe. Zudem werde in den nächsten Jahren „die Anstellung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland“ eine immer größere Rolle spielen.
Italien blickt in Sachen Pflege weit voraus
„Der aktuelle Stand der Dinge ist leicht beschrieben: Wir haben keinen Pflegenotstand, wir haben eine Pflegekastastrophe. Genauer genommen ist es eine Personal- und Pflegekatastrophe. Niemand weiß mehr, wie der Pflegebedarf gedeckt werden soll. Es ist höchst an der Zeit, die Thematik in Österreich anzusehen und sich auch die Bund- und Länderkompetenzen genau anzusehen. Die Länder sind ja für die Umsetzung da, bundesweit ist hingegen die Pflegereform der schwarz-grünen Bundesregierung steckengeblieben.
Es war jedenfalls höchst an der Zeit, die Anerkennung für ausländische Kenntnisse zu vereinfachen und es somit Drittstaatenangehörigen leichter in Österreich zu machen. Italien ist uns da offenbar um einiges voraus: Die schauen weit hinaus, rund um den Globus, und holen die Pflegekräfte, die sie brauchen. In Österreich ist alles fragmentiert, es gibt zu viele Verantwortlichkeiten. Allein, dass für die Pflege das Arbeit-, Sozial- und Innenministerium betroffen ist, zeigt das auf. Es ist offenbar einfach ein Thema, das nicht auf den Boden gebracht wird.
Alles dauert zu lange, etwa bei einer Pflegekraft aus Serbien mit dort anerkannter Ausbildung. Das dauert über Monate, bis alles bei uns anerkannt ist. Es sind Einzelfallprüfungen. Man könnte aber von den Einzelfällen auf vergleichbare Ausbildungen rückschließen und alles vereinfachen. Sogenannte ,Pre-Checks’ könnten eine Lösung sein. Zudem müssen wir auf eine Bürokratievereinfachung pochen.
Darüber hinaus ist es wichtig –, denn auch das zieht Pflegekräfte an –, endlich damit aufzuhören, den Beruf krank zu jammern. Es ist keine ach so schreckliche Arbeit, wie zum Teil angenommen oder dargestellt. Für viele ist es eine erfüllende Arbeit. Es gilt, am Image zu arbeiten: Man könnte Erfolgsgeschichten erzählen von Menschen, die in der Pflege arbeiten. Mehr als all das braucht es aber eine Entwirrung der Kompetenzen. Es braucht klare Zuständigkeiten. Es braucht eine Entscheidungskompetenz auf Bundesebene, was die Nostrifikationen betrifft.
Klar ist, dass wir nicht nur auf Österreich und auf die EU schauen dürfen. Es braucht die Drittstaaten. Insgesamt brauchen wir bis 2030 deutlich mehr Pflegekräfte. Da brauchen wir Zuzug, aber auch eben das Aufpolieren des Job-Images sowie eine Attraktivierung des Jobs, auch hinsichtlich des Gehalts. Den vielen Worten der vergangenen 20 Jahre müssen Taten folgen. Zeitgleich muss man den Leuten reinen Wein einschenken, denn so oder so werden künftig nicht mehr alle Leistungen in der aktuellen Form von öffentlicher Hand finanziert werden können.“
Helmut Lutz, Geschäftsführer Malteser Care
Der Bund sollte mehr Kompetenzen haben
„Die schwarz-grüne Bundesregierung hat – wenngleich sehr spät – erkannt, dass es mehr Maßnahmen braucht, um Menschen in die Pflege zu bringen. Der Ausbildungsschwerpunkt in allen Bundesländern war wichtig. Die Ausbildungskapazitäten wurden in die Höhe gefahren. Das merkt man bereits, denn die Anzahl der Absolventen steigt langsam an. Das kommt dem Mehrbedarf an Pflege sehr entgegen.
Das allein reicht jedoch noch nicht aus. Es gibt zu wenige Menschen, die in diesem Bereich arbeiten. Wir wissen jedenfalls, dass die Ausbildungskapazitäten noch nicht ausgeschöpft sind. Die Schulklasse sind nicht gefüllt. Es braucht auch Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, damit sich das ändert und die Ausbildungsplätze aufgefüllt werden. Was es da mitzudenken gilt: Die Ausbildung findet ja nicht nur in der Klasse statt, sondern auch am Bett, also in den Krankenhäusern und in den Pflegebereichen. Praxis ist in diesem Berufsbild wichtig.
Es gab drei Pflegereform-Pakete: Wir wurde einbezogen, und einige wichtige Punkte wurden angegangen, wie der Ausbildungsschwerpunkt. Darüber hinaus gab es viele Einzelmaßnahmen. Was es aber nicht gab: eine Systemreform. Es ist nach wie vor so, dass wir Einzelreformmaßnahmen haben, statt einer Gesamtreform. Die wäre aber höchst an der Zeit, wir haben da auch einen volkswirtschaftlichen Druck. Wir haben nämlich nicht ein System, sondern neun Systeme. Es gibt in den Bundesländern unterschiedliche Personalschlüssel.
Es gibt viele Bausteine, um die Probleme in der Pflege anzugehen. Die internationale Gewinnung von Menschen für die Pflege ist einer davon. Dort muss aber auch darauf geachtet werden, die demographischen Gegebenheiten in den Herkunfts-ländern zu berücksichtigen. Es braucht eine geordnete Herangehensweise, es braucht eine bundesweite Strategie. Welche Länder wollen wir ansprechen? Wir wollen die Länder ja nicht in Probleme bringen.
Es braucht einen Mut zur Gesamtreform. Wir haben ein sehr föderales System. Der Bund hat dabei relativ wenig Kompetenzen. Wir müssen uns fragen, ob nicht mehr auf Bundesebene entschieden werden soll. Einiges wäre sinnvoll. Das würde Geld im System sparen und zur Effizienz und zur Klarheit beitragen.
Die kommende Bundesregierung muss die Ausbildungsoffensive fortsetzen. Die Rahmenbedingungen für Menschen, die in der Pflege arbeiten, müssen verbessert werden. Ich denke dabei an Digitalisierung. Es ist belegt, dass viel Arbeitszeit für Dokumentation draufgeht. Das könnte Digitalisierung verbessern. Dann bliebe mehr Zeit für die zu Pflegenden.“
Anna Parr, Generalsekretärin Caritas Österreich
Ausbildungsoffensive des Landes Tirol greift bereits
„Unsere Gesellschaft wird immer älter, das stellt uns im Gesundheitsbereich vor neue Herausforderungen. Vor allem in der Pflege stellt der Fachkräftemangel eine der größten zu lösenden Aufgaben dar. Derzeit arbeiten insgesamt rund 15.500 Personen als diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger sowie Pflege(fach)assistenten in der stationären Pflege in den Krankenanstalten sowie den Alten- und Pflegeheimen und in der mobilen Pflege in Tirol. Aufgrund der derzeitigen Altersstruktur wird der Bedarf an gut ausgebildeten Pflegekräften in den kommenden Jahren steigen: Im Bereich der Langzeit- und der mobilen Pflege werden in den kommenden zehn bis 15 Jahren 39 Prozent der Pflegekräfte aufgrund des Pensionsantritts wegfallen. Weitere 26 Prozent folgen in den nächsten 20 bis 25 Jahren. Die Tiroler Landesregierung arbeitet deshalb intensiv daran, diesem Engpass entgegenzuwirken.
Wir wollen allen Menschen, die Interesse an einem Pflegeberuf haben, den Einstieg möglichst einfach und schnell ermöglichen. Sei es durch einen niederschwelligen Zugang auf Basis einer dualen Berufsausbildung bis hin zu Erleichterungen bei der Anerkennung von im Ausland abgeschlossenen Pflegeausbildungen. Neben der Schaffung eines wohnortnahen und flexiblen Ausbildungsangebots setzen wir auf vielfältige Maßnahmen rund um die finanzielle Aufwertung der Pflegeberufe, Führungskräfteschulungen, die Optimierung der Dienstplansicherheit und den Ausbau der Kinderbetreuung.
Erfreulich ist, dass die Ausbildungsoffensive des Landes bereits greift: Derzeit absolvieren in Tirol über 2.000 Personen eine Ausbildung im Pflegebereich – ein Rekordwert. Neben klassischen Bildungsgängen bietet Tirol mit der seit Herbst 2023 eingeführten Pflegelehre nun eine duale und praxisnahe Ausbildung für junge Menschen. Schon 69 Lehrverträge konnten abgeschlossen werden, womit Tirol über dem österreichischen Durchschnitt liegt. Mit diesem Programm und weiteren Maßnahmen möchte die Tiroler Landesregierung den Pflegeberuf nicht nur zugänglich, sondern auch langfristig attraktiver gestalten. In den nächsten Jahren wird auch die Anstellung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland eine immer größere Rolle spielen. Derzeit liegt der Anteil der Berufsangehörigen mit inländischem Abschluss in Tirol bei durchschnittlich 92 Prozent. Mit der bundesweiten Novellierung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes wurde die Anrechnung von im Ausland erworbenen Pflegeausbildungen erleichtert. Statt strengen Fächervergleichen setzt die neue Regelung auf eine Bewertung der Gesamtqualifikation und Berufserfahrung.“
MMag. Dr. Cornelia Hagele, Gesundheitslandesrätin (ÖVP)