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Ärzte Woche

01.04.2021 | Gesundheitspolitik

Budesonid

Lisa-Maria Kellermayr: „Es gab keine Fragen an mich“

verfasst von: Josef Broukal

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Dr. Lisa-Maria Kellermayr war im oberösterreichischen Corona-Notdienst tätig. Die 35-jährige Ärztin ist gerade dabei, ihre eigene Ordination zu gründen. Sie gibt Patienten, die leicht an COVID-19 erkrankt sind, einen budesonidhaltigen Asthmainhalator. Kellermayr ging an die Öffentlichkeit, nachdem Budesonid in einer kleinen Studie der Universität Oxford als geeignetes Medikament zur Dämpfung von COVID-19 in der Frühphase bezeichnet wurde. Ihr Vorwurf: Sie sage das seit Oktober 2020, aber die Fachwelt habe das überhört.

Wann haben Sie das erste Mal bemerkt, dass das Asthmamittel Budesonid hilft, schwere Corona-Verläufe zu verhindern?

Kellermayr: Wir haben in der ersten Coronawelle schon gesehen, dass die Patientinnen und Patienten unter einem kaum zu stillenden Reizhusten gelitten haben. Mit Paracodein-Tropfen haben wir diese Beschwerden auch nur beschränkt lindern können. Ich habe mich darüber mit dem Bad Ischler Lungenfacharzt Matthias Reisinger ausgetauscht. Er sagte mir, dass er auch bei COVID-19-Patienten einen Budesonid-haltigen Inhalator verordnet und das ganz gut funktionieren würde. Eine echte wirksame Alternative dazu oder offizielle Empfehlungen von Fachgesellschaften gab es ja nicht, weshalb ich begonnen habe, in meinen Diensten auch dieses Medikament zu verordnen. Es war für mich schnell erkennbar, dass dieser Inhalator hilft. Noch klarer wurde die Sache, als wir dann mehr Patienten gehabt haben, vor allem zu Beginn der zweiten Welle: Dieses Medikament funktionierte extrem gut!


Budesonid wirkt offenbar dort sehr gut, wo COVID-19 noch nicht voll ausgebrochen ist. Also dort, wo Menschen noch zu Hause sind, aber spüren, dass sie nicht gut atmen können und dann den Notdienst anrufen, bei dem Sie tätig waren. Jetzt haben Sie in diesen Fällen Budesonid verschrieben – aber wie wussten Sie dann, ob dieses Medikament auch wirklich hilft?

Kellermayr: Ich hatte Feedback. Alle COVID-19-Patienten, die unter der Nummer des Hausärztlichen Notdienstes angerufen haben, wurden zu den Ärzten des sogenannten COVID Hausärztlichen Notdienstes verbunden, die im jeweiligen Einzugsbereich im Dienst waren. Und das war sehr oft ich, viele Tage in Folge. Ich glaube, mein Rekord waren 13 Dienste innerhalb von 16 Tagen. Und ich habe allen Patientinnen und Patienten gesagt: Wenn sich etwas verschlechtert, dann rufen Sie wieder an.

Es gab viele Patienten, die im Laufe ihrer Erkrankung häufiger angerufen haben – meist aus Verunsicherung. Hier fiel auf, dass Patienten, die mit Budesonid behandelt wurden, kaum spitalspflichtig wurden. Ich habe auch oft gesehen, dass Patienten bereits durch ihre Hausärzte mit verschiedenen Medikamenten anbehandelt wurden. Auch hier war auffällig, dass Patienten mit diesem Medikament wesentlich bessere Werte aufwiesen und seltener ins Spital eingewiesen werden mussten als bei anderen Asthma-Inhalatoren.


Bei wie vielen Patienten haben Sie Budesonid verordnet?

Kellermayr: Ich glaube, ich allein habe es bei mehr Menschen verordnet als in der Lancet -Studie. Aber darauf kommt es nicht an. Ich habe bei Online-Fortbildungen schon ab Oktober 2020 anderen Ärzten berichtet. Und die haben dann diese Information aufgegriffen und Budesonid auch gegeben. Und zwar so oft, dass der Hersteller AstraZeneca darauf aufmerksam wurde. Der hat so lange nachgeforscht, bis er meine private Telefonnummer hatte. Aber alles was mir AstraZeneca sagte, war, dass ihr Medikament Symbicort keine Zulassung für COVID-19 hat und mir klar sein müsse, dass es sich um einen Off-Label-Use handelt.


Nun ist Budesonid ein rezeptpflichtiges Medikament. Die Krankenkassen müssten eigentlich wissen, wie oft es verschrieben wurde und wie es wirkt.

Kellermayr: Ich bin froh, dass jetzt durch die mediale Aufmerksamkeit Budesonid in den Fokus gerückt wurde. Dass man dieses Medikament jetzt verordnet. Es bleibt aber bei einer Empfehlung aufgrund von Erfahrungsberichten. Was wir brauchen sind Studien, die die Wirksamkeit beweisen. Die Krankenkassen haben alle Daten, mit denen wir in kürzester Zeit eine Evidenz schaffen könnten. Sie wissen: Wer hat Budesonid verordnet bekommen? Wer wurde wenige Tage später mit COVID-19 im Spital aufgenommen? Wir hätten auf diese Art natürlich viel mehr Probanden als in der Oxford-Studie. Wir hätten alle Altersklassen in dieser Studie vertreten. Alle Vorerkrankungen. Alle demografischen Hintergründe. Wir könnten dann auch die Frage beantworten, ob Budesonid zu spät gegeben wurde. Oder zu früh! Wir wissen dann auch, welche anderen Medikamente gleichzeitig gegeben wurden.


Vor kurzem hat Ärztekammer-Vizepräsident Dr. Johannes Steinhart gesagt, man solle durch Studien mehr Informationen darüber bekommen, ob Budesonid wirkt. Freut Sie das?

Kellermayr: Es freut mich. Gleichzeitig ärgere ich mich aber auch, dass es diese Lancet -Studie mit einer so kleinen Probanden-Anzahl gebraucht hat. Überspitzt formuliert: Dass es die mediale Aufmerksamkeit von „honorigen Herren“ gebraucht hat. Ich habe am 1. Dezember 2020 in einer Online-Fortbildung der Medizinischen Fortbildung-Akademie Oberösterreich wörtlich gesagt: „Meiner Erfahrung nach hilft Budesonid schwere Verläufe zu verhindern. Es wirkt.“ In der anschließenden Fragerunde wurden Fragen dazu nicht an mich gerichtet, sondern an die anderen Referenten, ob denn das so stimme, was ich da sage. Dabei können Fachärzte aus universitärem Umfeld das gar nicht beurteilen, da sie ein sehr selektives Patientengut sehen, nämlich die bereits schwer Erkrankten in fortgeschrittenem Stadium. Wie sollen sie da wissen, was in der frühesten Krankheitsphase hilft?

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Metadaten
Titel
Budesonid
Lisa-Maria Kellermayr: „Es gab keine Fragen an mich“
Publikationsdatum
01.04.2021
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 16/2021

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