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Ärzte Woche

18.02.2022 | Geschichte der Medizin

Sinnbild des Pestdoktors: ein durchaus komischer Kauz

verfasst von: Marion Maria Ruisinger

Die Figur des Pestarztes mit seiner typischen Schnabelmaske ist die Pest-Metapher schlechthin. Aber entspricht diese Ikonografie überhaupt den historischen Gegebenheiten?

Die Pestarztmaske (Abb. 1) gehört zu den beliebtesten Objekten des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt (DMMI). Immer wieder erreichen uns diesbezügliche Anfragen. Offensichtlich ist das Bild des Pestarztes mit der Schnabelmaske heute in so hohem Grad ikonisch für „die Pest“, dass selbst Fachleute die vom Publikum herangetragene Erwartungshaltung bereitwillig bedienen oder selbst der suggestiven Skurrilität des Pestarztes erliegen. Und so gehört der Schnabeldoktor heute zu den selbstverständlichen Statisten musealer Pest-Inszenierungen, ebenso wie zu den beliebtesten Titelmotiven seuchenhistorischer Literatur. Die Figur des Pestarztes gilt uns heute als die Bildmetapher für die Pest schlechthin. Aber entspricht dies auch den historischen Gegebenheiten? Wie bedeutend war diese spezielle Form der Schutzkleidung in Seuchenzeiten tatsächlich? Und ist unsere eigene Pestarztmaske überhaupt „echt“?

Schutzkleidung in Seuchenzeiten


Eine ärztliche Berufskleidung im eigentlichen Sinn entstand erst als Reaktion auf die bakteriologischen Erkenntnisse gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Vorher kleidete sich ein Medicus (akademisch ausgebildeter Arzt) oder Chirurgus (handwerklich ausgebildeter Wundarzt) so, wie es seinem jeweiligen, meist bürgerlichen, Stand entsprach. Allerdings galt seit der Antike die Regel, dass Ärzte und Wundärzte durch ein sauberes, gepflegtes Erscheinungsbild und angenehme Umgangsformen das Vertrauen ihrer Klientel erwerben sollten. In Seuchenzeiten galten andere Prioritäten. Für den Arzt war es nun wichtiger, sich beim Krankenbesuch vor Ansteckung zu schützen, als durch gefällige Kleidung einen guten Eindruck zu hinterlassen.

In der vorbakteriologischen Zeit gab es im wesentlichen zwei Erklärungen für das Phänomen der Ansteckung: Eine Krankheit konnte durch ein stofflich gedachtes Krankheitsgift (contagium) oder durch verdorbene Luft (den „Pesthauch“) übertragen werden. Als probates Mittel zur Vertreibung des Pesthauchs aus der Krankenstube galten Feuer und Räucherungen. Die individuelle Atemluft konnte gereinigt werden, indem man sich einen mit Duftessig getränkten Schwamm oder ein Säckchen mit in Essig getränkten aromatischen Kräutern vor die Nase hielt, wenn man sich dem Kranken näherte. Für die Kleidung des Arztes wurden lange, an den Handgelenken geschlossene Ärmel empfohlen, damit die Krankheitsstoffe nicht unter das Gewand eindringen konnten. Ein möglichst glatter Stoff sollte verhindern, dass jene an der Oberfläche haften blieben. Als geeignet galt etwa gepresstes Leinen, das zusätzlich durch eine Behandlung mit Öl oder Wachs abgedichtet werden konnte. Diese Schutzprinzipien wurden auch bei der Epidemie von 1720 in Marseille befolgt, wie dem Bericht des Schweizer Arztes Johann Jacob Scheuchzers zu entnehmen ist:

"Der Kleideren halb hat man sich zu hüten vor allem, was auß Tuch, oder Baumwolle gemachet wird, weilen das Gifft sich leicht an dergleichen Sachen henket. Besser sind die leinernen, seidenen, tafteten Kleider, oder von Cameel-Haaren, noch besser, sonderlich vor die, so um die Kranken seyn müssen, dicht lederne, oder gar von Wachs- und Harz-Tuch, welche von denen Marsilianischen Doctoribus sollen gebraucht worden seyn. Alle Kleider aber sollen reinlich gehalten, offt abgeänderet, zuweilen beräucheret, und in freye Lufft gehenket werden." 

Diese Empfehlungen galten nicht nur für Ärzte und Chirurgen, sondern auch für die Pestbediensteten, die betroffene Häuser reinigten oder Umgang mit Pestkranken hatten. Beispielsweise sah eine Schlesische Verordnung für diesen Personenkreis „eng anliegende Bekleidung aus gewachster Leinwand und ebensolche Handschuhe“ vor.

Verhüllung des Kopfes


In manchen Quellen gibt es Hinweise darauf, dass Ärzte und Pestbedienstete im 17. Jahrhundert ihre Schutzkleidung gelegentlich durch eine Kopfhaube zu ergänzen pflegten. So gibt die 1680 erschienene Pestschrift „Einfältiger Discursus Sanitatis“ eine genaue Anweisung für die Anfertigung einer haubenartigen Kopfbedeckung für Totengräber, Reiniger und Pestbüttner mit Glaseinsätzen vor den Augen. Das Prinzip der maximalen Verhüllung wurde mitunter auch für die Erkrankten selbst angewandt. Eine kolorierte Federzeichnung in der Nürnberger Chronik des Weinschenks Wolf Neubauer d. J. (gest. 1621) zum Seuchenjahr 1562 dokumentiert eine solche Situation. Hier ist der Pestkranke, der auf einer Sänfte zu dem vor den Stadttoren gelegenen Pesthaus getragen wird, mit einem schwarzen Überwurf verhüllt. Diese Maßnahme schützte die gesunden Bürger nicht nur vor den schädlichen Dünsten, die der damaligen Überzeugung nach vom Kranken ausgingen, sondern auch vor dessen Anblick und den damit verbundenen heftigen Gemütsbewegungen, die ihrerseits als Gefahr für die Gesundheit galten.

„Schnabel“: Halterung für Duftstoff


Erst im 17. Jahrhundert wurde die ärztliche Schutzkleidung durch ein weiteres Element ergänzt: eine Halterung für Duftstoffe, die direkt vor der Nase platziert wurde. Dadurch sollte zum einen die kontinuierliche Aufbereitung der Atemluft gewährleistet werden, zum anderen musste sich der Arzt nun nicht länger den Riechapfel, Duftschwamm oder Kräuterbeutel vor die Nase halten, sondern hatte beim Krankenbesuch beide Hände frei. Die ersten Überlegungen zu dieser Optimierung sollen auf den Leibarzt Ludwigs XIII, Charles Delorme (1584-1678), zurückgehen. Der früheste bekannte Beleg für die Verwendung eines solchen Nasenfutterals in Seuchenzeiten bezieht sich auf die Epidemie, die 1656 in Rom herrschte. Der dänische Arzt Thomas Bartholin (1616-1680) nahm die ihm aus Rom übersandte Abbildung eines solchen Pestarztes zum Anlass, um in seiner 1661 erschienenen Sammlung anatomischer und medizinischer Merkwürdigkeiten auch die „Kleidung des Arztes in Seuchenzeiten“ zu behandeln. Er referierte zunächst über die Kleidung des Arztes im Allgemeinen sowie in Seuchenzeiten, um sich dann der nur wenige Jahre zurückliegenden Pest von Rom zuzuwenden: Die Pestärzte kleideten sich in ein Gewand aus gepresstem Leinen, an dem die Keime der Krankheit nicht leicht haften blieben; in der linken Hand trugen sie einen Stock als Zeichen ihres Amtes und vor dem Gesicht eine Schnabelmaske, die mit schützenden, wohlriechenden Substanzen angefüllt war.

Als Jean-Jacques Manget (1652-1742) anlässlich der Pestepidemie von Marseille 1721 in Genf sein auf Literaturstudien und Briefen basierendes Traité de la Peste veröffentlichte, stellte er ihm als Titelkupfer eine weitere Darstellung des Schnabeldoktors voran (Abb. 3). Die Bildlegende lautete: „Gewand der Ärzte und anderer Personen, welche die Pestkranken besuchen. Es ist aus levantinischem Maroquinleder, die Maske hat Augen aus Kristall und eine lange Nase voller Duftstoffe (parfums).“ Im zweiten Teil des Werkes führt Manget an, dass diese Schutzkleidung keine neue Erfindung sei, sondern in Italien schon vor langer Zeit bekannt gewesen. Wichtig war Manget der Hinweis, dass der lederne „Schnabel“ zwar nur zwei Nasenlöcher habe, diese aber zum Atmen ausreichten. Die Duftstoffe in seinem Inneren aromatisierten die einströmende Luft und schützten den Arzt so vor dem gefürchteten Pesthauch. Für das Gewand des Pestarztes wurde weich gegerbtes Ziegenleder verwendet, das durch seine geschlossene, glatte Oberfläche das Anhaften von Contagien noch besser verhindern sollte als Leinen. Dieses Leder war in verschiedenen Varianten im Handel: Das im Osmanischen Reich nach einem geheimen Verfahren hergestellte, besonders hochwertige „Maroquin“ war auch in Rot und anderen Farben erhältlich, das vor allem in Hamburg und Lübeck produzierte „Corduan“ dagegen hatte stets eine schwarze Farbe, was der daraus gefertigten Arztkleidung eine düstere, an Tod und Trauer gemahnende Anmutung verlieh.

Die beiden Darstellungen weisen bei aller Ähnlichkeit doch einige Unterschiede auf: Bei Bartholin (Abb. 2) hat der Pestarzt bloße Hände, während er bei Manget (Abb. 3) Lederhandschuhe trägt, deren Stulpen über die schmal geschnittenen, langen Ärmel gezogen sind. Noch auffallender ist die Ausgestaltung des Kopfschutzes: Bei Bartholin trägt der Pestarzt eine das Gesicht bedeckende Schnabelmaske mit Brille. Erst durch die Kombination dieser Maske mit dem hochgezogenen Mantelkragen und dem Doktorhut wird die gewünschte Verhüllung des Hauptes erreicht; bei Manget hingegen sind der Schnabel und die Augengläser in eine Haube eingearbeitet, die den ganzen Kopf und die Schultern bedeckt. Alle späteren Abbildungen basieren auf diesen beiden Varianten. Für die Beschäftigung mit dem Phänomen des Schnabeldoktors bietet sich daher eine typologische Unterscheidung in einen „Maskentyp“ (nach Bartholin 1661) und einen „Haubentyp“ (nach Manget 1721) an. Die frühesten bekannten Belege für die Anwendung des schnabelartigen Nasenfutterals stammen aus dem 17. Jahrhundert. Sie beziehen sich aber nur auf Frankreich und Italien. Für den deutschsprachigen Raum sind keine Quellen nachweisbar. Für die Zeit davor, also vom „Schwarzen Tod“ des Spätmittelalters bis zum ausgehenden 16. Jahrhundert, haben sich in zeitgenössischen Dokumenten und Druckschriften bislang keinerlei Hinweise auf die Verwendung dieser auffallenden Schutzkleidung finden können.

Die „Pestmaske“ des DMMI


Treten wir mit dem neu gewonnenen Wissen um die zeitlich und räumlich begrenzte Präsenz von „Schnabelärzten“ nun mit kritischem Blick vor die Pestarzthaube des DMMI (Abb. 1). Leider lässt sich die Provenienz der Haube nur bis zu jenem Kunsthändler in Stuttgart zurückverfolgen, bei dem sie 2002 ersteigert wurde. Hier endet die Spur; wir wissen nicht, ob diese nach Italien oder Frankreich zurückgeführt hätte. Das Material – leinwandbindiges, ursprünglich wohl imprägniertes Leinen für die Haube und Leder für den Schnabel – entspricht den zeitgenössischen Empfehlungen. Weitere Aufschlüsse ergab die 2013/ 14 durchgeführte Restaurierung, bei der die Maske von einer auf Textil und Leder spezialisierten Diplom-Restauratorin konservatorisch überarbeitet wurde. Sie unterfütterte und stabilisierte die fadenscheinigen und ausgebrochenen Bereiche, reinigte die Oberfläche und polsterte die Halterung so aus, dass Schnabel, Stoff und Nähte möglichst vom Eigengewicht entlastet wurden.

Dabei zeigte sich, dass auch die Machart der Maske eine Datierung auf das 17. oder 18. Jahrhundert zulassen würde. Die Nähte sind im Vor- und Festonstich von Hand gearbeitet; die innere Konstruktion ist relativ aufwendig ausgeführt, mit einem gefütterten Gesichtsschutz aus Leinen, der die Ohren- und Mundpartie bedeckt und möglicherweise über genähte Ösen am Hinterkopf festgezogen werden kann. Eine gesteppte Partie rund um den Kopf dient als Stirnband und stabilisiert den Sitz der Haube auf dem Kopf. Die etwa 20 cm lange Nase bietet reichlich Platz für die Aufnahme von Duftstoffen, die über den Kopfraum eingebracht werden können. Wenn man sich in die Situation des Pestarztes versetzt, der diese Haube beim Krankenbesuch tragen soll, drängen sich zwei Aspekte auf, die an der Alltagstauglichkeit der Konstruktion zweifeln lassen: Zum einen ist der Abstand der Augengläser weiter als normal, sodass man nur eingeschränkt sehen kann; zum anderen hat der Schnabel keine Nasenlöcher, sodass er seinen eigentlichen Zweck, die Parfümierung der Atemluft, verfehlt. Zudem würde man rasch unter Luftnot leiden: Die Poren der Leinwand sind durch die Beschichtung versiegelt, der Tunnelzug in der Halspartie schließt sie nach unten ab, es gibt kaum Frischluftzufuhr. Auch weist die Haube innen keine Gebrauchsspuren auf; es darf also mit gutem Grund an ihrer Authentizität gezweifelt werden.


Die „Pestmaske“ des DHM in Berlin


Durch das Entgegenkommen der Kolleginnen vom Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin wurde es möglich, die zweite uns bekannte Schnabelhaube Deutschlands als Vergleichsobjekt hinzuzuziehen (Abb. 4). Auch hier endet die Provenienz beim Verkäufer: Die Haube wurde 2006 in einem österreichischen Auktionshaus für die Neugestaltung der Dauerausstellung des DHM erworben. Die mitgelieferte, aber nicht weiter belegte Angabe, dass sie aus Deutschland oder Österreich stamme, scheint angesichts des neuen Forschungsstands wenig glaubwürdig. Die Datierung der Haube auf „1650 bis 1750“ passt durchaus zu Material und Verarbeitung. Auch hier sind die (aus Selenit gefertigten) Augengläser unnatürlich weit gesetzt. Im Gegensatz zu ihrem Ingolstädter Pendant weist sie an der Nasenwurzel beidseits kleeblattförmig eingestanzte „Nasenlöcher“ für die Frischluftzufuhr auf. Ein weiterer Unterschied zum Ingolstädter Modell besteht in einem Gitter aus geflochtenen Lederstreifen an der Basis der Nase. Dieses Gitter erschwerte zwar das Einbringen von Duftschwämmen, Kräutersäckchen oder dergleichen, verhinderte aber zugleich deren Herausrutschen, das für den Träger der Haube sehr unangenehm gewesen wäre; zudem standen geeignete Duftstoffe auch als Balsam oder Öl zur Verfügung.



Eine Haube aus Baumwollsamt


Was bei dieser Haube jedoch irritiert, ist die Wahl des Stoffes: Sie ist aus Baumwollsamt gearbeitet. Samt aber war ein denkbar ungeeignetes Material für eine Seuchenschutzkleidung, weil das Krankheitsgift gemäß der zeitgenössischen Theorie an seiner Oberfläche besonders leicht haften bleiben konnte. Daran änderte auch das gewachste, ungebleichte Leinengewebe nichts, das als Futterstoff verwendet wurde. Auch wenn die Haube deutliche Gebrauchsspuren aufweist, ist es daher mehr als unwahrscheinlich, dass sie wirklich zu Pest-Zeiten getragen wurde. Der „Schnabeldoktor“ war demnach bestenfalls eine Randerscheinung der Pest, er begleitete erst ihren Abgesang. Seine Präsenz genügte bei Weitem nicht, um sich in das kollektive Gedächtnis des europäischen Pesterlebens einzuschreiben. Auch in zeitgenössischen PestBildern kommt er nicht vor; die Künstler zeigten stattdessen Kranke, Sterbende und Tote. Wie kam es dazu, dass er dennoch zu dem Symbol der Pest schlechthin avancierte? 

Der Pestarzt mit der Schnabelmaske machte, wenn man so will, eine virtuelle Karriere. Er prägte die Ikonografie der Pest nicht durch seine reale Existenz, sondern durch seine Abbildung in einer Serie von Einblattdrucken, die in den Jahrzehnten um 1700 verbreitet wurden. Als Beispiel sei das im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg aufbewahrte, originalkolorierte Blatt angeführt, das den Kanzler der Universität von Montpellier in einem ledernen Schutzgewand beim Einsatz als Pestarzt in Marseille 1720 zeigt ( Abb. 5 ).


„Pest in der Fremde“


Die Bildunterschriften sind bei diesen Einblattdrucken in deutscher Sprache verfasst, das jeweilige Pest-Geschehen spielt sich aber immer außerhalb des deutschen Sprachraums ab, etwa in Südfrankreich (Marseille) oder Italien (Neapel, Rom). Dieser Blick auf die „Pest in der Fremde“ nimmt bisweilen geradezu groteske Züge an ( Abb. 6 ). Die Blätter stammen wohl überwiegend aus Druckereien in Nürnberg und Augsburg, mithin aus Städten, in denen die Pestfreiheit im 18. Jahrhundert zum Zeichen eines funktionierenden Staats- und Gesundheitswesens wurde. Sie können somit auch als ein Instrument der politischen Propaganda der oberdeutschen Reichsstädte verstanden werden. Die Abgrenzungs- und Überlegenheitsrhetorik dieser Propaganda funktioniert bis heute, wenn auch mit geänderter Zielrichtung. Ursprünglich wurden die Einblattdrucke mit dem Motiv des Schnabeldoktors zur Abgrenzung gegenüber der (vermeintlich schlechter funktionierenden) Gesundheitsverwaltung südeuropäischer Städte in Umlauf gebracht. Heute bedienen sie dagegen das offenbar weit verbreitete Bedürfnis, unser „Heute“ in seiner (vermeintlichen) Überlegenheit von einem nicht näher definierten, dunklen „Früher“ abzusetzen, dessen Medizin von Aberglauben, Magie und ärztlicher Hilflosigkeit bestimmt gewesen sein soll.

Der „Schnabeldoktor“ mit seiner Kombination aus schwarzem Leder, Todesnähe und unscharfem Geschichtsverständnis trifft den Nerv der Zeit; er erlebt gerade seinen zweiten (diesmal digital vermittelten) Medienhype. Die plaguemask ist in zahllosen Online-Shops als Attribut für Gothic Outfits und Halloween-Verkleidungen erhältlich, der plague doctor begegnet uns in virtueller Form als Bildschirmschoner und in Computerspielen, er taucht in der „Pest-Straße“ im Berliner „Dungeon“ auf, bevölkert Mittelaltermärkte und Kunstgalerien. Die Anschlussfähigkeit der Pestarzt-Figur ist nicht zuletzt darin begründet, dass sie, bei aller Fremdartigkeit, auf einem uns bekannten Prinzip basiert: der Verhüllung des Körpers zum Schutz vor Ansteckung. Die aktuelle Covid-19-Pandemie hat diesem Prinzip zu einer für uns bislang unbekannten Präsenz verholfen, bis hin zur Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Tragens selbst genähter Mund-Nasen-Masken, die derzeit die Tagesberichterstattung füllt.

Prof. Dr. Marion Maria Ruisinger ist Direktorin des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt, Deutschland.

Der ungekürzte Originalbeitrag

https://doi.org/10.1007/s00048-020-00255-7

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Metadaten
Titel
Sinnbild des Pestdoktors: ein durchaus komischer Kauz
Publikationsdatum
18.02.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 7/2022

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