Früher Hormonrezeptor-positiver Brustkrebs: Gentest kann bei Steuerung der antihormonellen Therapie wohl nicht helfen

Daten der Studie NSABP B-42 sprechen dafür, dass der MammaPrint-Gentest derzeit kaum bei der Frage weiterhilft, wer mit frühem Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom eine längere oder kürzere antihormonelle Therapie erhalten sollte. Für den MammaPrint-Test wird Tumorgewebe auf die Expression von 70 Genen untersucht, die mit dem Fernmetastasierungsrisiko assoziiert sind. (Symbolbild) Cavan / stock.adobe.com × In der Phase-III-Studie NSABP B-42 wurde untersucht, ob eine erweiterte (um zusätzliche fünf Jahre verlängerte) antihormonelle Therapie (EET, „extended endocrine therapy“) das krankheitsfreie Überleben (DFS) bei postmenopausalen Frauen mit frühem Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinom im Vergleich mit der endokrinen Standardtherapie (Dauer: fünf Jahre) verbessern kann. Der Benefit der EET war mit Blick auf das DFS moderat, ein Effekt auf das Gesamtüberleben (OS) fand sich gar nicht. Weil die EET aber durch zusätzliche Toxizitäten eine weitere Belastung für die Betroffenen bedeuten kann, stellt sich die Frage, ob sich nicht präziser fassen ließe, wer von der EET wirklich profitiert. Daten der NSABP-B-42-Studie ausgewertet Vor diesem Hintergrund hat ein Team um Priya Rastogi von der University of Pittsburgh School of Medicine, PA/USA, die Daten der NSABP-B-42-Studie genutzt und retrospektiv geprüft, ob ein Genexpressionstest – der sogenannte MammaPrint – eine solche Schärfung in der EET-Indikationsstellung leisten könnte (J Clin Oncol 2024; online 24. Juli). Die kurze Antwort lautet: „Zu diesem Zeitpunkt sollten die Ergebnisse des MammaPrint-Tests nicht dazu verwendet werden, um zu entscheiden, welche Patientinnen mit frühem Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs eine kürzere oder längere Dauer der endokrinen Therapie erhalten sollten.“ So formuliert es zumindest Gynäkoonkologin Gini F. Fleming von der University of Chicago Medicine, IL/USA, die den Beitrag von Rastogi et al. als Editorin für das publizierende Journal of Clinical Oncology betreut, hat in einer kurzen redaktionellen Notiz zur Studie. Gewisses Potenzial des Gentests trotzdem vorhanden Auch das Team um Rastogi räumt ein, dass seine primäre Hypothese – der MammaPrint-Test könne vorhersagen, wer von einer EET mit Blick auf das Fernmetastasierungsrisiko profitiere – nicht bestätigt werden konnte. So fand sich kein statistisch signifikanter Unterschied im EET-Benefit in Abhängigkeit davon, ob der MammaPrint-Test den Frauen ein hohes oder niedriges Fernmetastasierungsrisiko bescheinigt hatte (p-Wert für Interaktion: 0,38). Gleichzeitig sehen die Forscherinnen und Forscher um Rastogi trotzdem noch ein gewisses Potenzial des Gentests mit Blick auf sekundäre Endpunkte wie das DFS oder das brustkrebsfreie Intervall (BCFI). So habe der Test eine bestimmte Untergruppe von Frauen identifiziert, die in puncto DFS und BCFI stärker von der EET profitiert hätten. Namentlich waren das Personen, denen der MammaPrint-Test ein niedriges Risiko (LR, „low risk“) für eine Fernmetastasierung attestiert hatte. Wenn das Team diese Gruppe noch weiter unterteilte – in UL („ultralow risk“) und LNUL („low non-ultralow risk“) –, ergab sich tendenziell kein Benefit der EET für die UL-Gruppe, also für die Gruppe mit dem allerniedrigsten Risiko. „Diese Befunde erfordern aber eine Validierung“, betont Fleming. Viele offene Fragen Auf den ersten Blick erscheint es kontraintuitiv, warum gerade jene Frauen von der EET profitieren sollten, die laut MammPrint-Test ein geringeres Fernmetastasierungsrisiko aufweisen (also die LR-Gruppe). Das Team um Rastogi spekuliert über mögliche Gründe, darunter: Frauen mit Hochrisikotumoren im Sinne des MammaPrint-Tests erlitten Rezidive überwiegend binnen fünf Jahren – eine Zeit, in der sie von der antihormonellen Standardtherapie profitierten. Im Zeitraum danach sei eine EET ggf. nicht mehr wirksam, etwa aufgrund von reduzierter Hormonsensibilität. Frauen mit Hochrisikotumoren im Sinne des MammaPrint-Tests hätten mit größerer Wahrscheinlichkeit als jene mit LR-Tumoren eine adjuvante Chemotherapie erfahren, was ebenfalls Einfluss auf das Rezidivrisiko (und damit auf den etwaigen Benefit einer EET) haben könne. Dass bei Frauen mit UL-Tumoren im Vergleich zu denen mit LNUL-Tumoren kein EET-Benefit registriert worden sei, könne einerseits eine Frage der statistischen Power sein (in der UL-Gruppe gab es nur sehr wenige Fernmetastasierungsereignisse) oder andererseits ein tatsächlich sehr niedriges Rezidivrisiko dieser Gruppe widerspiegeln. Es bleiben also zurzeit noch eine ganze Menge Fragen offen. Und auch Rastogi und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter weisen darauf hin, dass eine unabhängige Validierung ihrer Ergebnisse nötig sei. Gleichzeitig sind sie aber vom grundsätzlichen Potenzial des Tests für die aktuelle Fragestellung überzeugt: „Insgesamt könnten diese Ergebnisse die klinische Anwendbarkeit des MammaPrint-Tests über die prognostische Indikation hinaus erweitern, da sie erstmals darauf hinweisen, dass der MammaPrint prädiktiv für den Nutzen der EET ist. Zukünftige Analysen, die klinisch-pathologische Merkmale einbeziehen, könnten die Patientenauswahl weiter optimieren. Die Bestätigung der genomischen Klassifikationsfähigkeit des MammaPrint ermöglicht vielen postmenopausalen Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs, unnötige Behandlungen zu vermeiden und sich auf Patientinnen zu konzentrieren, die eine EET benötigen.“ Begrenzte Evidenz Etwas vorsichtiger ist ein Team um Michele Bottosso von der Universität in Padova, Italien, das gerade die Evidenz für verschiedene genomische Tests (darunter auch der MammaPrint) zur Steuerung der EET analysiert und in einem Review zusammengetragen hat (Clin Cancer Res 2024; online 15. Juli). Er und sein Team schreiben in der Conclusio: „[…] Die verfügbare Evidenz für die Verwendung von Genexpressionsanalysen zur Steuerung der EET-Deeskalation bleibt bei UL-Risiko begrenzt. Diese basiert größtenteils auf retrospektiven Analysen einer begrenzten Anzahl von Studien. Daher besteht ein dringender Bedarf an dedizierten prospektiven Studien, um diese Ergebnisse zu bestätigen.“ Bottosso und Team hatten für ihr Review aber nur eine Konferenzpublikation von Rastogi et al. heranziehen können, noch nicht die aktuelle Vollpublikation. Wie ist das Studienteam genau vorgegangen? Rastogi und ihre Kolleginnen und Kollegen haben für ihre Auswertung auf die Daten der NSABP-B-42-Studie zurückgegriffen. In dieser Studie waren 3.966 Frauen mit frühem Hormonrezeptor-positive Mammakarzinom, die bereits eine fünfjährige Standardhormontherapie absolviert hatten, randomisiert einem von zwei Behandlungsarmen zugewiesen worden: - EET mit Letrozol für fünf Jahre - Behandlung mit Placebo für fünf Jahre Für die aktuelle Analyse berücksichtigen konnte das Team die Daten von 1.866 Frauen – bei den anderen lag keine Studieneinwilligung vor oder es fehlte an (ausreichendem) Tumorgewebe, das es für die MammaPrint-Testdurchführung braucht. Für alle Endpunkte (Fernmetastasierungsrisiko, DFS, BCI) wurden 10-Jahres-Raten nach Kaplan-Meier errechnet und dabei die Strata aus der Originalstudie zugrunde gelegt1 (z.B.: Tamoxifen-Einnahme: ja/nein; pathologischer Nodalstatus: negativ/positiv). Verglichen mit den Patientinnen, die von der aktuellen Analyse ausgeschlossen waren, war das Fernmetastasierungsrisiko der berücksichtigten Patientinnen etwas niedriger (p = 0,036) und der Benefit der EET mit Letrozol auf das Fernmetastasierungsrisiko etwas höher (Hazard Ratio [HR] 0,50; ausgeschlossene Kohorte: HR 0,92; p-Wert für Interaktion: 0,03). Die Verteilung der Stichprobe auf die verschiedenen MammaPrint-Kategorien sah wie folgt aus: - Hochrisiko-Tumoren: n=706 (37,8 Prozent) - LR-Tumoren: n=1.160 (62,2 Prozent); davon: - oUL-Tumoren: n=252 (13,5 Prozent; Anteil an Gesamtstichprobe) - oLNUL-Tumoren: n=908 (48,7 Prozent; Anteil an Gesamtstichprobe) Quelle: DÄZ online (veröffentlicht: 05.11.2024)

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