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Ärzte Woche

07.07.2017 | Geburt

Ums Eck gebären

verfasst von: Michael Hudelist

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Salzburg. Das Land Salzburg übernimmt immer mehr Kliniken von Gemeinden, zuletzt Hallein. Verständlich, dass das Land die kleinen Häuser auch auslasten will. Dabei kommt es mitunter zu peinlichen Pannen.

Im vergangenen Juli erfuhr Manuela, 32, am eigenen Leib, was ein Kapazitätsengpass in der Praxis bedeutet. Die junge Mutter kam mit Presswehen ins Salzburger Landeskrankenhaus, dort gab es aber einen Aufnahmestopp, man wollte sie in ein anderes Spital verlegen. Und eigentlich hätte der Rettungswagen sie nach Hallein führen sollen, doch dort war auf der Wochenbettstation kein Platz. In den Kreißsaal schaffte es Manuela ohnehin nicht mehr. „Hätte ich dem Transport in ein anderes Spital zugestimmt, das Baby wäre bestimmt im Krankenwagen zur Welt gekommen“, zitieren die SN die Mutter („Kein Platz im Spital: Schwangere wurden abgewiesen“, 30. Juni 2017).

Der zuständige Gesundheitslandesrat dementiert, dass hochschwangere Frauen in Salzburg im Kreis geschickt werden, er verweist darauf, dass das Land die Spitäler der Gemeinden Tamsweg (2016) und Hallein (2017) übernommen hat – das Tauernklinikum Zell am See und Mittersill stehen auf der „Warteliste“. Und „wenn wir schon alle Krankenhäuser erhalten, dann erwarte ich mir von der Bevölkerung auch, dass sie sie annehmen“, sagt Christian Stöckl (ÖVP). Der Zustrom ins Zentralkrankenhaus lässt sich mit Zahlen belegen: In der Geburtenstation des Uniklinikums in Salzburg-Mülln sind im vergangenen Jahr 2.761 Babys zur Welt gekommen, das sind 8,3 Prozent mehr als 2015. In der Landesklinik Hallein zählte man im Vorjahr 792 Babys, das waren 1,7 Prozent weniger als im Jahr davor, ein vorübergehender Trend“, meint Stöckl. Allerdings ist dem Gesundheitsreferenten klar, warum Salzburg für Mütter attraktiver ist als eine kleine Klinik: Intensiveinrichtungen wie die Neonatologie gibt es nur im Zentralkrankenhaus, abgesehen von der angeschlossenen Kinderklinik, die ein kleines Spital auch nicht bieten kann.

Schulz hat kein Verständnis für „Sommerloch-Aufregung“

(Mit Gunda Schulz-Greinwald hat Michael Hudelist gesprochen.) Für die Frauenärztin und Obfrau der Fachgruppe Gynäkologie und Geburtshilfe in der Salzburger Ärztekammer, Gunda Schulz-Greinwald, ist die Aufregung um die Abweisung einer werdenden Mutter (im Vorjahr, Anmerkung) nicht nachvollziehbar.

„Ich weiß in meiner Praxis von keinem einzigen Fall, in dem eine Frau vom Uniklinikum in Salzburg-Mülln weggeschickt wurde“, sie kenne nur den einen Fall, der eben ein Jahr alt sei.

Die Landesklinik Hallein habe ihrer Meinung nach nur einen entscheidenden Nachteil, „es gibt dort keinen Kinderarzt“. Einen Aufnahmestopp in einer Geburtenstation könne es nach Meinung von Schulz-Greinwald ohnehin nicht geben. Begründung: „auf einer Unfallchirurgie können sie ja auch nicht sagen, heute hatten wir schon genug Aufnahmen, gehen sie bitte woanders hin“.

Zudem sei Hallein mit rund 800 Geburten pro Jahr gut ausgelastet. Für Risikoentbindungen würde aber eben ein Kinderarzt fehlen, „da wird das Land Salzburg in die Tasche greifen und nachbessern müssen“.

Insgesamt halte sie die Diskussion um einen ein Jahr alten Fall für eine „Sommerloch-Aufregung“. Ihrer Erfahrung nach können die Frauen im Bundesland Salzburg guten Gewissens in der Klinik ihres Vertrauens entbinden. „Wenn eine Patientin aus der Stadt sagt, die Halleiner Klinik sei gemütlicher und familiärer, dann wird sie nach Hallein gehen und dort aufgenommen werden. Wenn eine werdende Mutter aus Hallein oder dem übrigen Bundesland die größtmögliche, medizinische Sicherheit bevorzugt, dann wird sie eben in der Stadt entbinden“, meint Schulz-Greinwald.

Dass es wegen eines Bettenabbaus in der Frauenklinik in Salzburg zu Kapazitätsproblemen oder einem Aufnahmestopp gekommen sei, das könne sie nicht bestätigen.

Dr. Gunda Schulz-Greinwald, Frauenärztin und Fachgruppenobfrau für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Ärztekammer Salzburg

Steidl weiß von mehreren abgewiesenen Schwangeren

(Mit Walter Steidl hat Michael Hudelist gesprochen.)Stöckls Vorgänger als Gesundheitslandesrat und jetziger Oppositionsführer im Salzburger Landtag, Walter Steidl von der SPÖ, will von mehreren Fällen wissen, in denen Frauen trotz starker Wehen vom Landeskrankenhaus abgewiesen worden seien, weil die Geburtenstation überfüllt gewesen sei. Der Geschäftsführer der Salzburger Landeskliniken(SALK), Dr. Paul Sungler, soll die Praxis gerechtfertigt haben, dass gebärende Frauen in Spitzenzeiten in das 18 Kilometer entfernte Hallein überstellt würden. Sagt Steidl.

„Wer bei der Gesundheit spart, spart bei der Zukunft von Jung und Alt“, meint Steidl. Es sei zwar durchaus sinnvoll, dass sich Krankenhäuser in manchen Bereichen spezialisieren, die Menschen dürften aber erwarten, dass Notfälle in jedem Krankenhaus zu jeder Uhrzeit versorgt werden könnten. „Eine Frau in Presswehen würde ich jedenfalls als Notfall werten, für sie ist es eben nicht mehr zumutbar, irgendwo hin überstellt zu werden“, sagt Steidl. In einem Zentralkrankenhaus, das noch dazu Uniklinikum sei, erwarte er sich, dass alles rund um die Uhr angeboten werden könne.

„Patienten sind nicht dazu da, um die wirtschaftlichen Zahlen von Krankenhäusern zu schönen, sondern das Krankenhaus muss für die Patienten die Versorgung sichern“, sagt Steidl. Wo Krankenhaus drauf stehe, müsse auch 24 Stunden 365 Tage im Jahr ein Krankenhaus drinnen sein.

Obwohl die Zahl der Geburten in den vergangenen Jahren wieder ansteige, seien unter der Anleitung von Christian Stöckl vor einem Jahr 28 Betten auf der Station für Frauenheilkunde und Geburtshilfe gestrichen worden. „Bereits im Jänner 2017 beklagte der betroffene Primar Prof. Dr. Thorsten Fischer die zunehmende Platznot auf seiner Station“. Seinem Ruf nach einer Ausweitung der Ressourcen habe Stöckl aber kein Gehör geschenkt, „jetzt, wenige Monate später, sehen wir, was dabei herauskommt, wenn der Landesrat das ärztliche Personal ignoriert.“

Steidl fordert mit Nachdruck, dass Stöckl die Betteneinsparungen zurücknimmt und die Geburtenstation im Uniklinikum erweitert.

Walter Steidl, Landesparteichef der SPÖ Salzburg

Stöckl will, dass Patienten in Hallein ins hiesige Spital gehen

(Mit Christian Stöckl hat Michael Hudelist gesprochen.) Der ÖVP-Gesundheitslandesrat weist Steidls Kritik an seiner Spitalspolitik zurück. „Wenn in Spitzenzeiten für jemanden etwas nicht so gelaufen ist, kann man nicht gleich das gesamte System in Frage stellen, das ist unredlich“. Ja, den Wegfall von 28 Betten in der gesamten Station (Frauenklinik im LKH Salzburg, Anm.) habe es gegeben, aber nicht er habe das angeordnet, sondern das sei im „Regionalen Strukturplan Gesundheit 2020“ vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen so festgelegt worden. „Viele wollen den Erfolg einer Klinik immer noch an der Anzahl der Betten messen“, wirft Stöckl dem Oppositionsführer vor. „In Salzburg wird keine Mutter weggeschickt, wenn in Hallein eine medizinische Komplikation erwartet wird dann biete man den Frauen an, nach Salzburg zu wechseln“. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sei das ganze neunmal der Fall gewesen, bei insgesamt 404 Geburten in Hallein in diesem Zeitraum. Stöckl geht es als politisch Verantwortlichem in erster Linie darum „Patientenströme zu lenken, bei allem Verständnis für die freie Arzt- und Spitalswahl“. Ziel sei es, dass die Patienten im Bezirk Hallein eben in erster Linie in ihr regionales Krankenhaus gehen. Früher hätten viele Patientinnen ein Zentralkrankenhaus als nicht so persönlich empfunden, heute sei für viele die medizinische Vollversorgung wichtiger. Die veröffentlichten Trends der vergangenen Jahre seien aber nicht eindeutig, „wenn wir in den nächsten Jahren tatsächlich mehr Geburten im Uniklinikum haben, werden wir reagieren. Entweder mit einem Ausbau oder einer internen Umbelegung“, sagt Stöckl. Im Uniklinikum könnte heuer die 3000-er Marke geknackt werden, in Hallein rechnet man wieder mit rund 800 Geburten. Den von der Obfrau für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Gunda Schulz-Greinwald genannten „Nachteil“, dass es in Hallein keinen Kinderarzt gebe, weisen der Landesrat und mit ihm SALK-Geschäftsführer Paul Sungler von sich. Es sei gesetzlich keiner vorgeschrieben, also habe man auch keinen, „aber das Personal in Hallein ist entsprechend geschult, und im Notfall haben wir rund um die Uhr die Möglichkeit, Mutter und Baby innerhalb kürzester Zeit nach Salzburg zu holen“, sagen Stöckl und Sungler.

Mag. Dr. Christian Stöckl, Gesundheitslandesrat (ÖVP), Landeshauptmann-Stellvertreter, Ex-Bürgermeister von Hallein (bis 2013)

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Metadaten
Titel
Ums Eck gebären
Schlagwörter
Geburt
Gesundheitspolitik
Publikationsdatum
07.07.2017
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 28/2017

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