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Ärzte Woche

22.08.2022

Flüchtlingscamp im Kurort

verfasst von: Wenzel Müller

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Jetzt ist wieder die ganze Stadt eine einzige Galerie. Wir haben eine der ausstellenden Fotografen zum Gespräch getroffen: Verena Andrea Prenner.

Wer in diesen Tagen nach Baden bei Wien fährt, kann die große weite Welt erleben. Afrika, Asien, Amerika. Und sogar eine Zeitreise unternehmen, zurück in die 1960er-Jahre, in die USA, und dabei Marilyn Monroe begegnen. Wie das möglich sein soll? Über Fotos. Sie vermögen Momente aus fernen Ländern, vergangenen Zeiten, anderen Kulturen festzuhalten.

Das Festival La Gacilly-Baden Photo findet heuer unter dem Titel „Nordwärts!“ ( Anm.: noch bis 16. Oktober 2022 ) statt. Man spaziert durch den biedermeierlichen Kurort, vorbei an Bauten aus der Kaiserzeit und durch den Doblhoff-Park. Immer bewegt man sich dabei durch eine Ausstellung. Rund 1.500 Fotoarbeiten sind über das Städtchen verteilt, hinter jeder Kreuzung eine neue Überraschung, metergroß hängen die Bilder an Mauern und Fassaden, verstecken sich aber auch im kleinen Format hinter Büschen. Eine Freiluftausstellung bei freiem Eintritt, die dem Kurort internationales Flair verleiht, initiiert von dem Badener Verleger und Fotografen Lois Lammerhuber.

Eben wurde der Besucher von Inge Moraths Bildern noch nach New York entführt, dann biegt er um die Ecke und sieht ein anderes Stück Welt: ein palästinensisches Flüchtlingscamp. Die Fotos stammen von Verena Andrea Prenner. Die Niederösterreicherin ist Soziologin und Fotografin und hat in den vergangenen Jahren in diesem Flüchtlingscamp gewohnt, zu Studienzwecken und um ihre Eindrücke in künstlerischen Arbeiten festzuhalten.

Wir treffen Prenner in Baden, in einem Cafe. 40 Jahre, blondes Haar. Ganz klassisch arbeitet sie mit einer analogen Kamera, Mittelformat, doch ihre fotografische Umsetzung ist alles andere als konventionell. Sie dokumentiert nicht nur das Leben in dem Flüchtlingslager, sie inszeniert es zugleich. Ihre Protagonisten tragen Masken, mitunter auch Umhänge, beides von der Künstlerin selbst gestaltet.

Eine Fotografin, die die handwerkliche Arbeit liebt. Nicht nur ihre Filme entwickelt sie selbst in der Dunkelkammer, auch die Utensilien für ihre Aufnahmen stellt sie selbst aus Papier und Stoff her.

Prenners Aufnahmen haben etwas Irritierendes, mitunter auch Bedrohliches. Die Situation in dem Flüchtlingslager, sagt Prenner, sei im Grunde absurd, und ihr sei es darum gegangen, diese Absurdität zu betonen. Wie findet sie zu ihren Masken? Zu manchen liefert Prenner eine Erklärung, bei anderen bleibt sie die schuldig. Da zuckt sie nur mit den Schultern. Das wisse sie selbst nicht genau. Das komme so aus ihr heraus. „Wenn ich es genau wüsste, hätte ich keine Masken gemacht, sondern ein Buch geschrieben“, sagt Prenner und lacht. Eine sympathische Antwort. Elaboriertes Geschwurbel kommt nicht aus ihrem Mund.

Sie muss nach zurück. Ich auch. Verabschiedung. Bevor ich mich auf den Heimweg mache, noch schnell zur Römertherme. Da lockt die Ausstellung „Mensch und Winter“. Genau das Richtige an diesem heißen Tag.

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Metadaten
Titel
Flüchtlingscamp im Kurort
Publikationsdatum
22.08.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 34/2022

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