Skip to main content
Erschienen in: rheuma plus 2/2022

Open Access 06.01.2022 | Monogenetische Fiebersyndrome

Familiäres Mittelmeerfieber – Rolle der Interleukin-1-Blockade in der Therapie

verfasst von: Prof. Dr. Jörg Henes, Sebastian Saur

Erschienen in: rheuma plus | Ausgabe 2/2022

Zusammenfassung

Das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) ist die häufigste autoinflammatorische Erkrankung und gehört zu den monogenetischen Fiebersyndromen. Die Erkrankung beruht auf einer Mutation des MEFV-Gens; dieses ist auf dem kurzen Arm von Chromosom 16 lokalisiert und kodiert für das Protein Pyrin. Pyrin aktiviert über mehrere Schritte eine erhöhte Ausschüttung der proinflammatorischen Zytokine Interleukin (IL)‑1β und IL‑18. Die wichtigsten Symptome sind neben dem Fieber wiederkehrende abdominelle und pleuritische Schmerzen, Gelenkschmerzen und Myalgien, Orchitiden oder auch ein erysipelartiges Exanthem. Die Standardtherapie ist bis heute Colchizin. Ca. 10–15 % der Patienten sprechen jedoch nicht ausreichend auf diese Therapie an oder vertragen die notwendige Dosierung nicht. Bei diesen Patienten und auch bei Patienten mit anhaltend hohen SAA-Werten trotz klinischer Kontrolle stehen uns heute mit den IL‑1 Inhibitoren Anakinra und Canakinumab hocheffektive Alternativen zur Verfügung.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Einleitung und Epidemiologie

Das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) ist die häufigste autoinflammatorische Erkrankung und gehört zu den monogenetischen Fiebersyndromen, neben den deutlich selteneren Erkrankungen cryopurinassoziierte Fiebersyndrome (CAPS), Muckle-Wells-Syndrom (MWS), Tumornekrosefaktor-α-Rezeptor-assoziiertes periodisches Syndrom (TRAPS) oder auch der familiären Kälteurtikaria.
In den letzten Jahren hat sich hier in Bezug auf das Verständnis der Pathophysiologie aber auch der Therapie viel getan. Das FMF gilt klassischerweise als autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung mit mehr als 375 beschriebener Mutationen des Mediterranean-fever(MEFV)-Gens. Ursprünglich war das FMF vor allem im südöstlichen Mittelmeerraum verbreitet, durch Völkerwanderungen und Migration spielt diese Erkrankung aber mittlerweile auch in den westlichen Ländern eine Rolle [1, 2]. Weiterhin ist die Prävalenz in bestimmten Bevölkerungen aber deutlich höher. Wir haben in Deutschland ca. eine Gesamtprävalenz von 0,005 % bei den unter 16-Jährigen und bei den türkischstämmigen von 0,1 % [3].

Pathophysiologie

Das FMF beruht auf Mutationen des MEFV-Gens; dieses ist auf dem kurzen Arm von Chromosom 16 lokalisiert und kodiert für das Protein Pyrin oder auch Marenostrin genannt [4]. Pyrin ist ein Protein, das vor allem von Neutrophilen, aber auch von Eosinophilen, Monozyten und dendritische Zellen exprimiert wird, und ein wichtiger Regulator der Inflammation. Es aktiviert die Transkription von Zytokinen und führt über eine Interaktion mit einem Adapterprotein des Inflammasom über mehrere Schritte zu einer erhöhten Ausschüttung der proinflammatorischen Zytokine Interleukin(IL)-1β und IL-18. Diese übermäßige Ausschüttung der proinflammatorischen Schlüsselzytokine des FMF verursacht dann die typische Symptomatik, aber auch die laborchemisch messbare Inflammation mit erhöhtem C‑reaktivem Protein (CRP) oder erhöhtem Serum-Amyloid‑A (SAA).

Klinik

Da es sich um eine genetische Erkrankung handelt, ist das Hauptmanifestationsalter meist schon im frühen Kindesalter. Dennoch gibt es immer wieder Patienten, die erst im jungen Erwachsenenalter erkranken bzw. diagnostiziert werden.
Bei Kindern ist meist Fieber das erste und oft einzige frühe Symptom
Bei Kindern ist meist Fieber das erste, aber auch oft einzige frühe Symptom. Zusätzlich sind die wichtigsten Symptome wiederkehrende abdominelle Schmerzen durch peritoneale Reizung, pleuritische Schmerzen, Gelenkschmerzen und Myalgien, Orchitiden oder auch ein erysipelartiges Exanthem. Typischerweise kommt es zu immer wiederkehrenden Episoden mit zwischendurch komplett beschwerdefreien Zeiträumen unterschiedlicher Länge.
Die familiäre Häufung ist ein ganz wichtiger und immer abzufragender Anamnesepunkt. Die schwerwiegendste Spätfolge des FMF ist die Entwicklung einer Amyloidose und des damit einhergehenden Organversagens. Häufigste Manifestationsorte sind Nieren, Darm und Herz.

Diagnostik

Die European League Against Rheumatism (EULAR) empfiehlt bei entsprechender Klinik und Familienanamnese die Bestimmung der bekannten Mutationen [5]. Zur Diagnosesicherung stehen verschiedene Klassifikations- und Diagnosekriterien zur Verfügung, die bekanntesten sind die sog. Tel-Hashomer-Kriterien ([6]; Tab. 1).
Tab. 1
Simplified Tel-Hashomer-Kriterien
Hauptkriterien
1.
Wiederkehrende Fieberschübe mit Serositis (Peritonitis, Synovitis, Pleuritis, Perikarditis)
2.
AA-Amyloidose ohne prädisponierende Erkrankung
3.
Positives Ansprechen auf Colchicin
Nebenkriterien
1.
Wiederkehrende Fieberschübe
2.
FMF bei Angehörigen 1. Grades
3.
Erysipelartige Erytheme
Im Jahr 2019 wurden zusätzlich neue gemeinsame Kriterien des Eurofever-Registers und der Paediatric Rheumatology International Trials Organisation (Eurofever/PRINTO) erstellt. Hier findet erstmals auch der MEFV-Genotyp eine Wertung ([7]; Tab. 2).
Tab. 2
Eurofever/PRINTO-Klassifikationskriterien für das FMF
Vorliegen einer bestätigten MEVF-Genmutation und mindestens 1 der folgenden Kriterien:
1.
Dauer der Schübe 1–3 Tage
2.
Arthritis
3.
Thoraxschmerzen
4.
Abdominelle Schmerzen
Oder: Vorliegen einer nichtbestätigten MEVF-Genmutation und mindestens 2 der oben genannten Kriterien
Als Verlaufskontrollen sollten neben der klinischen Evaluation, evtl. mithilfe eines Fiebertagebuchs, regelmäßig auch die Entzündungsparameter CRP und SAA bestimmt werden. Finden sich trotz klinischer Beschwerdefreiheit anhaltend erhöhte SAA-Werte, wäre auch dies ein Grund, die Therapie zu steigern. Zur frühzeitigen Diagnose einer Nierenamyloidose sollte auch regelmäßig der Urineiweißgehalt bestimmt werden.

Therapie

Die Standardtherapie ist bis heute Colchicin, das bei jedem Patienten, auch bei Verdacht, begonnen werden sollte [8]. Ca. 10–15 % der Patienten sprechen jedoch nicht ausreichend auf diese Therapie an oder vertragen die notwendige Dosierung nicht. Für diese Patienten gelten verschiedene Definitionen für ein sog. colchicinresistentes (cr) FMF, z. B. die EULAR-Definition mit ≥1 FMF-Attacke pro Monat trotz adäquater Einnahme der höchsten tolerierten Dosis [8].
Etwa 10–15 % der Patienten sprechen nicht ausreichend auf Colchicin an
Bei diesen Patienten und auch bei Patienten mit anhaltend hohen SAA-Werten trotz klinischer Kontrolle stehen uns heute mit den IL-1-Inhibitoren Anakinra, Canakinumab und Rilonacept Alternativen zur Verfügung. Rilonacept ist in Europa nicht zugelassen und wird daher hier etwas kürzer erwähnt. Rilonacept ist ein löslicher IL-1-Rezeptor und wird auch als IL-1-Falle bezeichnet. Es wird einmal pro Woche subkutan (s.c.) appliziert (Tab. 3).
Tab. 3
Kurzbeschreibung der 3 verfügbaren IL-1-Antagonisten
 
Anakinra
Canakinumab
Rilonacept
Beschreibung
Rekombinanter, nichtglykosylierter IL-1-Rezeptorantagonisten
Monklonaler Anti-IL1-β-AK
Löslicher IL-1-Rezeptor
Zulassung
RA, FMF, CAPS, TRAPS, AOSD, sJIA
FMF; CAPS; TRAPS; AOSD, SJIA, Gicht
Keine in Europa
Applikation
Einmal täglich s.c. (1 Fertigspritze 100 mg)
1- bis 2‑mal proMonat s.c. (1 Fertigspritze 150 mg)
Einmal pro Woche s.c., 2,2 mg/kgKG
Jahreskosten in €
13.320 € bei 100 mg/Tag
170.000 € bei 150 mg/Monat
Unbekannt, in den USA ca. 20.000/220 mg; >150.000/Jahr
RA rheumatoide Arthritis, FMF fam. Mittelmeerfieber, CAPS cryopurinassoziierte periodische Syndrome, TRAPS Tumornekrosefaktor-Rezeptor assoziiertes periodisches Syndrom, AOSD adulte Form des Still-Syndroms, sJIA systemische juvenile idiopathische Arthritis (Still-Syndrom des Kinds)
Für die 3 zur Verfügung stehenden Substanzen existieren neben Fallserien jeweils eine randomisierte kontrollierte Studie, die hier in Bezug auf Design, Effektivität und Verträglichkeit nebeneinander dargestellt werden sollen (Tab. 4).
Tab. 4
Studienlage zu den 3 Interleukin‑1 Antagonisten
 
Anakinra [9]
Canakinumab
Rilonacept [10]
Einschluss
Erwachsene, mind. 2 MEFV-Mutationen und ≥1 FMF-Attacke/Monat trotz adäquater Colchicintherapie (≥2 mg/Tag)
Alter >2 Jahre; mind. 1 Mutation im MEFV-Gen; crFMF-Attacke (≥1,5 mg Colchicin) mit CRP >10 mg/l und PGA ≥2 während Beobachtungsphase
crFMF oder Intoleranz: ≥1 FMF-Attacke/Monat für 3 Monate trotz adäquater Colchicintherapie (≥1,5 mg/Tag)
Studiendesign
Randomisiert, 1:1 placebokontrolliert; 4 Monate Therapie
Randomisiert, 1:1 placebokontrolliert
Dosiseskalation auf 300 mg bei unzureichendem Ansprechen
Randomisiert, placebokontrolliert; 4 Arme mit unterschiedlicher Abfolge, je 3 Monate
Studienorte
1 Tel Aviv
Multizentrisch in 15 Länder
6 US-Zentren
Anzahl Patienten gescreent
53
Keine Angabe
>250
Anzahl Patienten randomisiert
25
63
14
Primärer Endpunkt
Differenz im Auftreten von FMF-Attacken
Komplette Remission (PGA <2 und CRP <10 mg/l) zu Woche 16
Differenz im Auftreten von FMF-Attacken
Tagebuch
Nein
Ja
Ja
Effektivität
Signifikant weniger Schübe unter Anakinra. Unterschied v. a. wegen weniger Gelenkbeschwerden
Signifikant mehr (61 % v. 6 %) erreichten eine komplette Remission
Signifikant weniger Schübe unter Rilonacept als unter Placebo
Sicherheit
AE sehr ausgeglichen. Keine SAE in beiden Gruppen
Keine neuen Sicherheitsaspekte, Anzahl der AE und SAE war höher im Canakinumabrm
9 SAE: 7 FMF-Attacken mit Hospitalisierung, 1 Pneumonie unter Rilonacept, 1 Infekt der oberen Atemwege unter Placebo

Rilonacept

In der randomisierten kontrollierten Studie zu Rilonacept wurden die Patienten erst randomisiert, wenn Sie nach Screening die nächste FMF-Attacke erfuhren [10]. Dann erfolgte eine Zuteilung in 4 verschiedene Arme mit jeweils 3‑monatiger Therapie mit entweder Rilonacept oder Placebo in unterschiedlicher Abfolge (z. B.: Rilonacept – Placebo – Rilonacept – Placebo oder Rilonacept – Placebo – Placebo – Rilonacept) Die Anzahl der FMF-Attacken konnte signifikant reduziert werden gegenüber den Monaten, in denen Placebo verabreicht wurde. Es zeigte sich auch eine deutliche Verbesserung im Placeboarm.
Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Krankheitseinschätzung durch Arzt und Patient (gemessen anhand eines „physician global assessment“ mit Punktewerten von 0–10, wobei 10 das Maximum an Krankheitsaktivität bedeutet) und auch nicht bei den Akutphaseproteinen CRP und SAA. Neue Sicherheitsaspekte fanden sich nicht.
Insgesamt handelt es sich um eine sehr komplexe Studie mit wenig Patienten. Auch wenn ein klinisches Ansprechen gefunden wurde, ist hier definitiv noch nicht erwiesen, dass Rilonacept langfristig eine wirklich ausreichende Verbesserung erbringt und insbesondere dass die Gefahr der Amyloidose reduziert werden kann. Ob weitere zulassungsrelevante Studien für Europa kommen bleibt abzuwarten.

Anakinra

Zu Anakinra gab es bereits Fallserien, die eine Effektivität vermuten ließen [11]. Anakinra ist seit langem zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis und später auch anderer autoinflammatorischer Erkrankungen zugelassen gewesen und stand daher schon länger zur Verfügung. Die Sicherheitserfahrungen waren sehr gut und die tägliche Gabe mit relativ geringen Kosten ermöglichte früh Therapieversuche auch bei anderen Erkrankungen.
Aber auch zu Anakinra gibt es bis heute nur eine randomisierte und kontrollierte Studie [9]. Eingeschlossen wurden hier monozentrisch Patienten in Tel Aviv, die mindestens 2 Mutationen im MEFV-Gen und eine Resistenz/Intoleranz gegen Colchicin aufwiesen. Als unzureichendes Ansprechen waren hier mindestens eine FMF-Attacke pro Monat unter mindestens 2 mg Colchicin im Vorfeld notwendig. Randomisiert wurde 1:1 auf entweder Anakinra mit 100 mg/Tag oder Placebo subkutan über 4 Monate Therapiedauer.
Hier konnten die Kollegen bei 25 crFMF-Patienten eine signifikant bessere Effektivität in der Reduktion von FMF-Attacken unter der Anakinratherapie gegenüber Placebo aufzeigen. Die Anzahl der Attacken unter Anakinra war signifikant geringer als unter Placebo, allerdings war dieser Unterschied bei den Untergruppen nur bei den Gelenkmanifestationen anhaltend signifikant. Auch bei den Entzündungszeichen CRP und SAA sah man Unterschiede zwischen Anakinra und Placebo, allerdings fiel dieser Unterschied nicht signifikant aus.
Die Anzahl der berichteten Nebenwirkungen war in beiden Armen gleich, schwerwiegende Nebenwirkungen traten nicht auf. Diese Studie ist sehr viel einfacher zu lesen als die Rilonaceptstudie und zeigte auch hier das klinische Ansprechen auf die IL-1-Blockade. Auch in dieser Studie fand sich kein signifikanter Unterschied in Bezug auf die SAA-Werte, somit ist auch hier noch nicht erwiesen, dass die Amyloidosegefahr sicher sinkt.

Canakinumab

Die sog. CLUSTER-Studie zu Canakinumab ist eine Umbrella-Studie, d. h., verschiede autoinflammatorische Erkrankungen wurden in derselben Studie behandelt. Die größte Gruppe stellten hier die FMF-Patienten, aber auch Patienten mit TRAPS und Hyper-IgD-Syndrom konnten eingeschlossen werden. Während einer Beobachtungsphase (Epoche 1) konnten Patienten im Rahmen eines erneuten Schubs der Grunderkrankung dann 1:1 randomisiert werden auf Canakinumab mit 150 mg s.c. alle 4 Wochen oder Placebo. Ein Schub war definiert als ein Physicians-global-assessment-Score ≥2 mit einem CRP >10 mg/l. Der PGA setzt sich hier zusammen aus einer Graduierung von 0 (keine) bis 4 (schwere) Symptomen an Fieber, Brust‑, Bauch, Gelenkschmerz und Hautausschlag. Als primärer Endpunkt wurde ein komplettes Ansprechen (PGA <2 und CRP <10 mg/l und keine erneute Attacke) zu Woche 16 gewählt.
Bei anhaltender Krankheitsaktivität (PGA >2 und CRP >30 mg/l) war eine Dosissteigerung durch eine zusätzliche Gabe von unverblindetem Canakinumab möglich. Bei Eintreten in die sog. 3. Epoche wurden Patienten mit gutem Ansprechen (PGA <2 und CRP <10 mg/l) erneut 1:1 randomisiert auf 15 mg Canakinumab oder Placebo alle 8 Wochen. Alle anderen Patienten führten eine offene Canakinumabtherapie mit 150 mg/Monat fort. Zu Woche 16 erreichten mit 61 % vs. 6 % signifikant (p < 0,001) mehr Patientin im Canakinumabarm eine komplette Remission. Bei der Normalisierung der SAA-Werte fand sich auch in dieser Arbeit kein signifikanter Unterschied bei den crFMF-Patienten. Keine neuen Sicherheitsaspekte traten auf, die Anzahl der AE und SAE waren aber erwartungsgemäß höher im Canakinumabarm.
In der Zusammenfassung zeigten sich in allen 3 randomisierten und kontrollierten Studien eine Überlegenheit der IL-1-Blockade gegenüber Placebo durch die 3 unterschiedlichen Substanzen in Bezug auf die effektive Reduktion von FMF-Attacken. Die Definitionen der FMF-Attacken, des Ansprechens, aber auch der Colchicinresistenz sind unterschiedlich, die Vergleichbarkeit untereinander daher schwierig. Dennoch stellen die IL-Antagonisten Anakinra und Canakinumab heute in Deutschland eine zugelassene und gute Therapieeskalationsmöglichkeit bei unzureichendem Ansprechen auf Colchicin für unsere FMF Patienten dar.
Die IL-1-Blockade bei FMF zeigt eine gute klinische Effektivität bei gutem Sicherheitsprofil
Eine aktuelle, größere Fallserie außerhalb von Studien bestätigt diese Effektivität auch in einem „real world setting“ [12]. Lokalreaktionen an der Einstichstelle bleiben die am häufigsten beschriebene Nebenwirkung von Anakinra, die zu einer Unterbrechung der Therapie führte. Angaben zum Verlauf der SSA-Werte finden sich nicht.
Derzeit läuft noch eine große nichtinterventionelle Beobachtungsstudie zu Canakinumab im deutschsprachigen Raum, die sog. RELIANCE-Studie. Interimsdaten aus der Studie wurden dieses Jahr auf dem EULAR und ACR gezeigt. Hier zeigt sich bei den bisher eingeschlossenen 54 FMF-Patienten unter Canakinumab ein gutes, stabiles Therapieansprechen über die Beobachtungsdauer von aktuell 18 Monaten. Im Rahmen dieser Untersuchung kann die Dosis angepasst und erhöht, aber auch reduziert werden. Eine Dokumentation der Entzündungszeichen inklusive SAA erfolgt und somit wird uns diese Langzeitbeobachtung hoffentlich auch bezüglich der Reduktion des Amyloidoserisikos neue Informationen in Zukunft bieten [13].

Fazit

Zusammenfassend zeigen die vorliegenden Arbeiten zur IL-1-Blockade bei FMF eine gute klinische Effektivität bei gutem Sicherheitsprofil. Der doch deutlich höhere Preis gegenüber Colchicin und die weiterhin auch nicht nachgewiesene Effektivität bei der Verhinderung der Amyloidose – in allen 3 Studien zeigte sich kein signifikanter Unterschied bei den SAA-Werten – zeigen aber auch, dass die Substanzen weiterhin Colchicin nicht ersetzen können.
Colchicin bleibt definitiv nach der bisherigen Datenlage die Erstlinientherapie bei FMF-Patienten und sollte wenn möglich auch bei unzureichendem Ansprechen fortgesetzt werden. Zu Canakinumab laufen derzeit weitere Studien bezüglich der Langzeiteffektivität. Alternative Substanzen, wie z. B. Antikörper gegen IL‑6 werden derzeit getestet, denn weiterhin bleibt auch noch Optimierungsbedarf.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

J. Henes: Vortrags- und Beratertätigkeiten und Medical grants von SOBI, Novartis und Roche/Chugai. S. Saur: Vortrags- und Beratertätigkeiten und Medical grants von SOBI, Novartis und Roche/Chugai.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
1.
Zurück zum Zitat Ben-Chetrit E, Touitou I (2009) Familial mediterranean fever in the world. Arthritis Rheum 61(10):1447–1453CrossRef Ben-Chetrit E, Touitou I (2009) Familial mediterranean fever in the world. Arthritis Rheum 61(10):1447–1453CrossRef
2.
Zurück zum Zitat Ben-Chetrit E, Yazici H (2019) Familial Mediterranean fever: different faces around the world. Clin Exp Rheumatol 37(121(6)):18–22PubMed Ben-Chetrit E, Yazici H (2019) Familial Mediterranean fever: different faces around the world. Clin Exp Rheumatol 37(121(6)):18–22PubMed
3.
Zurück zum Zitat Lainka E, Bielak M, Lohse P et al (2012) Familial Mediterranean fever in Germany: epidemiological, clinical, and genetic characteristics of a pediatric population. Eur J Pediatr 171(12):1775–1785CrossRef Lainka E, Bielak M, Lohse P et al (2012) Familial Mediterranean fever in Germany: epidemiological, clinical, and genetic characteristics of a pediatric population. Eur J Pediatr 171(12):1775–1785CrossRef
4.
Zurück zum Zitat Touitou I (2001) The spectrum of familial Mediterranean fever (FMF) mutations. Eur J Hum Genet 9(7):473–483CrossRef Touitou I (2001) The spectrum of familial Mediterranean fever (FMF) mutations. Eur J Hum Genet 9(7):473–483CrossRef
5.
Zurück zum Zitat Shinar Y, Obici L, Aksentijevich I et al (2012) Guidelines for the genetic diagnosis of hereditary recurrent fevers. Ann Rheum Dis 71(10):1599–1605CrossRef Shinar Y, Obici L, Aksentijevich I et al (2012) Guidelines for the genetic diagnosis of hereditary recurrent fevers. Ann Rheum Dis 71(10):1599–1605CrossRef
6.
Zurück zum Zitat Livneh A, Langevitz P, Zemer D et al (1997) Criteria for the diagnosis of familial Mediterranean fever. Arthritis Rheum 40(10):1879–1885CrossRef Livneh A, Langevitz P, Zemer D et al (1997) Criteria for the diagnosis of familial Mediterranean fever. Arthritis Rheum 40(10):1879–1885CrossRef
7.
Zurück zum Zitat De Benedetti F, Gattorno M, Anton J et al (2018) Canakinumab for the treatment of autoinflammatory recurrent fever syndromes. N Engl J Med 378(20):1908–1919CrossRef De Benedetti F, Gattorno M, Anton J et al (2018) Canakinumab for the treatment of autoinflammatory recurrent fever syndromes. N Engl J Med 378(20):1908–1919CrossRef
8.
Zurück zum Zitat Ozen S, Demirkaya E, Erer B et al (2016) EULAR recommendations for the management of familial Mediterranean fever. Ann Rheum Dis 75(4):644–651CrossRef Ozen S, Demirkaya E, Erer B et al (2016) EULAR recommendations for the management of familial Mediterranean fever. Ann Rheum Dis 75(4):644–651CrossRef
9.
Zurück zum Zitat Ben-Zvi I, Kukuy O, Giat E et al (2017) Anakinra for colchicine-resistant familial Mediterranean fever: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Arthritis Rheumatol 69(4):854–862CrossRef Ben-Zvi I, Kukuy O, Giat E et al (2017) Anakinra for colchicine-resistant familial Mediterranean fever: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Arthritis Rheumatol 69(4):854–862CrossRef
10.
Zurück zum Zitat Hashkes PJ, Spalding SJ, Giannini EH et al (2012) Rilonacept for colchicine-resistant or -intolerant familial Mediterranean fever: a randomized trial. Ann Intern Med 157(8):533–541CrossRef Hashkes PJ, Spalding SJ, Giannini EH et al (2012) Rilonacept for colchicine-resistant or -intolerant familial Mediterranean fever: a randomized trial. Ann Intern Med 157(8):533–541CrossRef
11.
Zurück zum Zitat Pecher AC, Igney-Oertel A, Kanz L, Henes J (2017) Treatment of familial Mediterranean fever with anakinra in patients unresponsive to colchicine. Scand J Rheumatol 46(5):407–409CrossRef Pecher AC, Igney-Oertel A, Kanz L, Henes J (2017) Treatment of familial Mediterranean fever with anakinra in patients unresponsive to colchicine. Scand J Rheumatol 46(5):407–409CrossRef
12.
Zurück zum Zitat Atas N, Eroglu GA, Sodan HN et al (2021) Long-term safety and efficacy of anakinra and canakinumab in patients with familial Mediterranean fever: a single-centre real-life study with 101 patients. Clin Exp Rheumatol 39(132(5)):30–36PubMed Atas N, Eroglu GA, Sodan HN et al (2021) Long-term safety and efficacy of anakinra and canakinumab in patients with familial Mediterranean fever: a single-centre real-life study with 101 patients. Clin Exp Rheumatol 39(132(5)):30–36PubMed
13.
Zurück zum Zitat Henes J, Blank N, Kallinich T et al (2021) Influence of canakinumab dosing on efficacy and safety of long-term treatment in patients with familial Mediterranean fever—interim analysis of the RELIANCE registry. Arthritis Rheumatol 73(10):0192 Henes J, Blank N, Kallinich T et al (2021) Influence of canakinumab dosing on efficacy and safety of long-term treatment in patients with familial Mediterranean fever—interim analysis of the RELIANCE registry. Arthritis Rheumatol 73(10):0192
Metadaten
Titel
Familiäres Mittelmeerfieber – Rolle der Interleukin-1-Blockade in der Therapie
verfasst von
Prof. Dr. Jörg Henes
Sebastian Saur
Publikationsdatum
06.01.2022
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
rheuma plus / Ausgabe 2/2022
Print ISSN: 1868-260X
Elektronische ISSN: 2191-2610
DOI
https://doi.org/10.1007/s12688-021-00485-0

Weitere Artikel der Ausgabe 2/2022

rheuma plus 2/2022 Zur Ausgabe