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15.11.2024

Endstation Brno, bitte alles aussteigen! Davor aber noch ein Gabelfrühstück in Lundenburg

verfasst von: Raoul Mazhar

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Eine Zugfahrt von Wien nach Brünn, etwa 1883. Gregor Mendel, Abt eines Augustinerklosters, sitzt schwitzend und rauchend im Waggon erster Klasse.

Pflanzen studieren; im eigenen Garten Generation um Generation heranziehen, um ihre Abwandlung zu erfassen – Mitte des 19. Jahrhunderts widmeten sich die klügsten Köpfe der Scientia amabilis, und einige der allerklügsten waren Autodidakten. Wie der Florenschreiber August Neilreich in Wien, oder Gregor Mendel (1822–1884) in Brünn/Brno. Der Abt des Thomasstifts wird hier in seiner ganzen Breite gezeigt: verstrickt in Kämpfe mit der Obrigkeit, politisch mit den Deutsch-Nationalen sympathisierend (was man nur aus dem historischen Kontext heraus versteht), 1,68 m klein, Schuhgröße 41, übergewichtig und schwer nierenkrank, Zigarre paffend und schwitzend. Der Mann ist dem Tode nahe, als er am Nordbahnhof den Zug aus der Residenzstadt zurück in seine mährische Heimat nimmt und sich in den gepolsterten Sessel seines Coupés fallen lässt. Der Bauernsohn ist von sich selbst enttäuscht, seine Studien an Erbsen werden ihn erst Jahrzehnte später berühmt machen. Mendel hat in seinem Leben manches versucht, um Anerkennung zu erlangen, und war dabei oft gescheitert. Und obwohl Gott alles sieht und über ihn urteilt, wie er glaubt, ist Mendels Lebensmotto einem Goethe-Gedicht entnommen: Allen Gewalten/Zum Trutz sich erhalten,/Nimmer sich beugen,/Kräftig sich zeigen . Autor Sonner relativiert: „Er bot alles auf, um sich daran zu halten, aber eigentlich war seinem Wesen die Redewendung der Bauern gemäßer: Man dürfe nie gegen den Wind brunzen.“ .


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Metadaten
Titel
Endstation Brno, bitte alles aussteigen! Davor aber noch ein Gabelfrühstück in Lundenburg
Publikationsdatum
15.11.2024