Skip to main content

07.02.2020 | Endokrinologie | Online-Artikel

Addison-Krise

Hilfe zur Selbsthilfe

verfasst von: Christian Trummer, Birgit Ratz, Marlene Pandis, Stefan Pilz, Verena Theiler Schwetz

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Trotz etablierter Hormonersatzstrategien zur Therapie der chronischen Nebenniereninsuffizienz ist die Mortalität unter den Patienten erhöht. Das Auftreten einer Addison-Krise zeichnet maßgeblich für die gesteigerte Mortalität verantwortlich. Daher ist die Schulung der Patienten im Notfall besonders wichtig. Prof. Dr. Stefan Pilz und Kollegen erklären im Video, was es für die Patienten zu beachten gilt.

Die Addison-Krise ist ein Zustand eines akuten Cortisolmangels bedingt durch erhöhten Bedarf. Trigger dafür sind vor allem Gastroenterititiden, die die Aufnahme der oral zugeführten Cortisolsubstitution verhindern, Infektionskrankheiten, chirurgische Eingriffe, physischer Stress oder Schmerz, aber auch extreme psychische Belastungen oder inadäquate Medikamenteneinnahme. Im Rahmen dieser Triggersituationen ist neben einem erhöhten Glukokortikoidbedarf vermutlich auch eine teils durch Inflammation verursachte „Cortisolresistenz“ pathophysiologisch relevant.

Eine alarmierende Zahl

In einer prospektiven Untersuchung konnte von 8,3 Krisen pro 100 Patientenjahren berichtet werden, was impliziert, dass einer von 12 Patienten im nachfolgenden Jahr von einer potenziell lebensbedrohlichen Addison-Krise betroffen sein wird -eine alarmierende Zahl.
Wiewohl in der Literatur ein Konsens über die möglichen klinischen Symptome einer Addison-Krise herrscht, liegt bislang immer noch keine einheitlich akzeptierte Definition der Addison- Krise vor. Gründe dafür sind in erster Linie das Fehlen eines singulären charakteristischen Symptoms sowie die unspezifischen Beschwerden, die von PatientInnen beim Aufreten einer Addison-Krise empfunden werden. Die Endocrine Society definiert die Addison-Krise als medizinischen Notfall, der mit Hypotonie, ausgeprägten akuten Bauchschmerzen und deutlichen Laborauslenkungen einhergeht und einer unverzüglichen Behandlung bedarf.

Eine andere Definition beschreibt die Addison-Krise als (a) massive Einschränkung des Allgemeinbefindens mit Vorliegen von zumindest zwei der folgenden Symptome/Zeichen: Hypotonie (systolischer Blutdruck <100 mmHg), Übelkeit und Erbrechen, starke Müdigkeit, Fieber, Somnolenz, Hyponatriämie (≤132 mmol/l) oder Hyperkaliämie, Hypoglykämie und (b) parenterale Glukokortikoid-Verabreichung gefolgt von klinischer Besserung.

Eine pragmatische Definition wäre eine Verschlechterung des Allgemeinzustands mit absoluter Hypotonie (systolischer Blutdruck < 100 mmHg) oder relativer Hypotonie (systolischer Blutdruck ≥ 20 mmHg niedriger als normalerweise), mit typischen Symptomen, die sich innerhalb von ein bis zwei Stunden nach parenteraler Glukokortikoid-Verabreichung deutlich bessern (d. h. deutlicher Rückgang der Hypotonie innerhalb einer Stunde und Verbesserung der klinischen Symptome innerhalb von zwei Stunden. Nicht nur die unspezifischen Symptome der Addison-Krise, sondern auch das seltene Vorkommen derselben und die dadurch fehlende Erfahrung vieler Ärztinnen und Ärzte bedingen die Tatsache, dass Patienten mit Addison-Krise häufig inadäquat behandelt werden.

Verbesserung der Versorgung

Die Problematik unterstreicht die Notwendigkeit der regelmäßigen und ausführlichen Schulung von Patienten mit primärer und sekundärer Nebenniereninsuffizienz zur Prävention einer Addison-Krise, zur Erkennung einer Krise und zum korrekten Management derselben. Da jedoch gezeigt werden konnte, dass selbst geschulte PatientInnen vorhandenes Wissen zur Dosissteigerung im Falle einer akuten Erkrankung nicht adäquat anwenden konnten, sollten diese Schulungen standardisiert, strukturiert und wiederholt erfolgen, am besten gemeinsam mit Familienangehörigen oder Freunden sowie anderen Betroffenen, um einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen, der sich ebenso als günstig erwiesen hat. Patienten müssen lernen, ihre Glukokortikoidsubstitution (Hydrocortison 10–12mg/m2 aufgeteilt auf 2 oder 3 Dosen mit Verabreichung der Hälfe oder von 2/3 der Tagesdosis in der Früh) in Situationen mit erhöhtem Bedarf adäquat zu steigern.

Notfallset richtig anwenden

Sie erhalten einen Notfallausweis sowie ein Notfallset (1 Ampulle Hydrocortison 100mg, Spritze und Nadeln zur subkutanen Selbstverabreichung) mit Anleitung und einen Merkzettel zur Dosissteigerung. Auch die praktische Anwendung des Notfallsets muss in oben genannten Schulungen regelmäßig geübt werden, um eine korrekte Handhabung im Akutfall zu ermöglichen.
An der klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Medizinischen Universität Graz werden Patienten mit Nebenniereninsuffizienz seit März 2018 strukturiert mit einem Hydrocortison-Notfallset versorgt. Bei Ausgabe des Notfallsets werden Patienten und deren Angehörige vom behandelnden Endokrinologen sowie einer diplomierten Pflegeperson hinsichtlich der Anwendung geschult. Es erfolgt zusätzlich eine Aufklärung darüber, dass auch nach Verwendung des Notfallsets umgehend ärztliche Hilfe zur weiteren Therapie aufgesucht werden muss. 

Insgesamt wurden bisher (Stand Juli 2019) über 80 Notfallsets an Patienten ausgegeben, die an einer primären oder sekundären Nebenniereninsuffizienz leiden und eine regelmäßige orale Glukokortikoidsubstitution benötigen. Soweit bekannt, verabreichten sich seitdem zumindest zwei dieser Patienten im Rahmen einer (drohenden) Addison-Krise selbstständig komplikationslos Hydrocortison, beide wurden anschließend in einer internistischen Notaufnahme weiterbehandelt und konnten das Krankenhaus beschwerdefrei wieder verlassen.

Begleitblatt für Patienten

Das beiliegende Begleitblatt zur Glukokortikoid-Dosissteigerung und Behandlung einer (drohenden) Addison Krise soll sowohl betroffenen Patienten als auch medizinischem Fachpersonal helfen, Situationen mit erhöhtem Glukokortikoidbedarf adäquat zu managen.
Das Beiblatt ist unter https://bit.ly/2FUmu0V downloadbar.

Der Originalartikel ist im Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel Ausgabe 4/2019 erschienen.