Skip to main content
Ärzte Woche

06.12.2024 | ELGA

Spitalsleistungen in der Ordi

verfasst von: Josef Broukal

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Fachärzt:innen wollen mehr tun, als bisher vom Gesetz erlaubt oder von der ÖGK bezahlt wird. Den Spitalsambulatorien vorbehaltene Leistungen sollen in Fachpraxen angeboten werden dürfen. So kämen Patienten schneller zu ihrer Therapie. Und das Gesundheitssystem sparte Geld. So weit so gut – aber der Teufel steckt wie so oft im Detail.

Vertreter von vier fachärztlichen Disziplinen – Dermatologie, Innere Medizin, Orthopädie, Urologie – melden Forderungen an die nächste Bundesregierung an. Sie fordern: Die Verhandler sollten sich mit einem Thema beschäftigen, das in den Wahlprogrammen der Parteien nicht behandelt wird: mit dem Ausbau von Facharzt-Ordinationen zu „Fachärztlichen Versorgungseinheiten“ (FVE). Das sei, sagen die Ärztevertreter, der nächste logische Schritt nach der Einführung und dem Ausbau der allgemein-medizinischen Primärversorgungseinheiten.

Freilich brauche es dazu die gesetzliche Erlaubnis, FVE zu betreiben. Auch müssten die Krankenkassen bereit sein, die neuen zusätzlichen Leistungen zu bezahlen. Und weil die Spitalsambulanzen durch die FVE entlastet würden, sollten die Spitalserhalter das Geld an die Kassen geben, das sie im Betrieb sparen. Wer sind nun die „vier Musketiere“, die darauf hoffen, von der Gesundheitspolitik beachtet und gefördert zu werden?

- Kardiologin Prof. Mag. Dr. Bonni Syeda, Präsidiumsmitglied des Berufsverbands Österreichischer Internisten;

- Doz. Dr. Mehmet Özsoy, Präsident des Berufsverbandes der Österreichischen Urologie;

- Dr. Sylvia Perl-Convalexius, Dermatologin, Vorstandsmitglied der österr. Gesellschaft für Dermatologische Kosmetik und Altersforschung;

- Priv.-Doz. Dr. Florian Sevelda, Präsident des Berufsverbands Österreichischer Fachärzte für Orthopädie.

ÖGK-Huss: „Tolle Sache“

Mit ihrem Vorstoß greifen die Fachärzte-Vertreter das nächste große Ziel der Gesundheitspolitik auf: Die überlasteten Spitalsambulanzen sollen von allem befreit werden, was ebenso gut – und wahrscheinlich für die Patienten bequemer – in niedergelassenen Ordinationen erledigt werden kann. Im allgemein-medizinischen Bereich wird dem mit dem Ausbau von Primärversorgungseinheiten mehr und mehr entsprochen: 75 Stück von ihnen gibt es bereits. Neun davon sind der Kinderheilkunde gewidmet. „Die Hausarztpraxis der Zukunft“ nennt die ÖGK sie. Also warum dann nicht auch die „Facharztpraxis der Zukunft“? Gesundheitskasse-Obmann Andreas Huss sagt zur Ärzte Woche : „Das halte ich für sehr sinnvoll. Ich habe mit Dr. Syeda und Dr. Özsoy schon darüber gesprochen.“ Kurzum: „Vorbild PV mit anderen Gesundheitsberufen. Lange Öffnungszeiten. Tolle Sache.“

Damit in den angepeilten fachärztlichen Versorgungszentren mehr geleistet werden kann, müssten für sie dieselben Möglichkeiten gelten wie für Ambulatorien: „In Einzelpraxen darf nur eine Ärztin oder ein Arzt beschäftigt werden, in Gruppenpraxen höchstens zwei. Ambulatorien hingegen können ihren Personalstand flexibel an die Zahl der Patienten anpassen. Eine gesetzliche Änderung würde hier helfen, die Versorgung insgesamt zu verbessern und die Wartezeiten auf einen Facharzttermin zu reduzieren.“

Urologe Özsoy dazu: „Wir könnten in unserer Ordination Blasendruckmessungen durchführen. Wir könnten Nierensteine zertrümmern. Wir könnten Fusionsbiopsien für die Diagnose des Prostatakarzinoms durchführen. Das sind alles Leistungen, die momentan von den Krankenkassen nicht bezahlt werden. Das führt dazu, dass wir dann die Patienten in die Spitäler schicken müssen, dort Ressourcen in Anspruch nehmen müssen. Und dass die Patienten Wartezeiten in Kauf nehmen müssen.“

Syeda sagt: „Wir von der Fachgruppe der Internisten bitten die ÖGK seit mindestens fünf Jahren, bei Verdacht auf Herzinfarkt direkt in der Ordination eine Blut-Untersuchung auf Troponin T als Kassenleistung durchführen zu dürfen. Dann könnten wir Patienten nach 20 Minuten sagen, ob es sich um einen Infarkt handelt oder nicht. Derzeit müssen wir aber die Patienten ins nächste Spital schicken, in die Notfallambulanz. Dort verbringen die Patienten meist mehrere Stunden Wartezeit – und das kostet unser Gesundheitssystem sehr viel mehr …“

Das gleiche Problem sieht Syeda bei der Schilddrüsen-Szintigrafie: „Wenn sich in der fachärztlichen Ordination im Ultraschall ein Knoten zeigt, muss oft abgeklärt werden, ob es ein warmer Knoten ist oder ein kalter. Die dafür nötige Szintigrafie gibt es aber kostenfrei nur in den nuklearmedizinischen Ambulanzen der Krankenhäuser.“ Zwar gebe es in der Umgebung ihrer Facharztpraxis zwei Nuklearmediziner, sagt Syeda. Aber diese seien Wahlärzte und würden für eine Untersuchung ca. 200 Euro in Rechnung stellen. Das könnten sich viele ihrer Patienten nicht leisten. Es sei notwendig, die Szintigrafie für die Schilddrüse und auch für das Herz zur Kassenleistung zu machen.

Aber es müssten auch andere kassenrechtliche Einschränkungen beseitigt werden. Derzeit könnten viele Ordinationen nicht ausbauen, obwohl eine hohe Nachfrage bestehe. Professorin Syeda: „Allein in Wien wartet über ein Dutzend Kassen-Internisten und -Internistinnen seit mehr als einem Jahr auf die Genehmigung, ihre Praxis um eine weitere Arztstelle erweitern zu dürfen. Die Krankenkassen sagen aber, es seien derzeit keine zusätzlichen internistischen Stellen verfügbar.“

Orthopäde Sevelda führt aus: „Bei uns ist es nicht anders. Anträge auf Erweiterung von Einzelordinationen werden seitens der ÖGK unter Verweis auf fehlende freie Kassenstellen abgelehnt.“ Gemeinsamer Fokus der beiden: „Würden diese Anträge der Kollegen und Kolleginnen endlich genehmigt, könnten die Wartezeiten auf einen Termin beim Facharzt schlagartig verkürzt werden.“ Und: Dass es so wenige Kassen-Fachärzte gibt, sei nicht auf mangelndes Interesse von Ärzten und Ärztinnen an der Kassenmedizin zurückzuführen, sondern auf die begrenzte Anzahl von Kassenstellen.

Soll es jetzt nur noch fachärztliche Groß-Ordinationen geben? Nein, heißt es beschwichtigend: Einzelordinationen würden auch in Zukunft eine wichtige Säule der Patientenversorgung bilden. Aber das soll die, die größer sind und mehr leisten könnten, nicht behindern.

Kammer präsentiert ihre Konzepte

In der Wiener Ärztekammer reagiert man zustimmend auf den Forderungskatalog der vier Facharzt-Disziplinen. Vizepräsidentin Dr. Naghme Kamaleyan-Schmied sagt, dieses Thema sei ein jahrelanges Anliegen der Kammer: „Wir haben ausgearbeitete Konzepte zur Umsetzung von Facharztzentren, die schon seit längerer Zeit fix und fertig in der Schublade liegen.“ Offen sei allerdings die Frage der Finanzierung: „Wir warten auf ein Gesprächsangebot der Sozialversicherung und der Stadt Wien.“ Mit einer gesicherten Finanzierung sei die Umsetzung in kurzer Zeit möglich – weil sie auf den bestehenden Facharzt-Ordinationen aufbauen könne. Kamaleyan-Schmied zählt auf, wofür die Kammer kämpft:

- Diabetes-Zentren: Das Konzept sieht spezialisierte multidisziplinäre Zentren vor, die ein breites Leistungsspektrum für die Betreuung von Diabetes mellitus Typ 1 und 2 anbieten, und reicht von Diagnostik über Behandlung bis hin zur Prävention von Folgeerkrankungen.

- Gynäkologie-Zentren sollen die Versorgungslücke durch steigende Nachfrage und begrenztes Angebot schließen, indem sie präventive und kurative Leistungen wie Vorsorge, Schwangerschaftsbetreuung und gynäkologische Onkologie bündeln.

- Augen-Zentren: Dieses Konzept fokussiert sich auf IVOM-Applikationen (Injektionen zur Behandlung der Makuladegeneration in den hinteren Teil des Auges) und Katarakt-Operationen.

Syeda und Özsoy sagen, sie hätten bisher keine tiefgehenden Gespräche mit Gesundheitspolitikern geführt. Vielleicht sollten sie das tun. Im Gesundheits-Team der SPÖ sitzen zwei, auf die es ankommt: Huss und Wiens Stadtrat Peter Hacker.

print
DRUCKEN
Metadaten
Titel
Spitalsleistungen in der Ordi
Publikationsdatum
06.12.2024
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 51-52/2024

www.gesundheitswirtschaft.at (Link öffnet in neuem Fenster)

Mit den beiden Medien ÖKZ und QUALITAS unterstützt Gesundheitswirtschaft.at das Gesundheitssystem durch kritische Analysen und Information, schafft Interesse für notwendige Veränderungen und fördert Initiative. Die ÖKZ ist seit 1960 das bekannteste Printmedium für Führungskräfte und Entscheidungsträger im österreichischen Gesundheitssystem. Die QUALITAS verbindet seit 2002 die deutschsprachigen Experten und Praktiker im Thema Qualität in Gesundheitseinrichtungen.

zur Seite

www.pains.at (Link öffnet in neuem Fenster)

P.A.I.N.S. bietet vielfältige und aktuelle Inhalte in den Bereichen Palliativmedizin, Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerzmedizin. Die Informationsplattform legt einen besonderen Schwerpunkt auf hochwertige Fortbildung und bietet Updates und ausgewählte Highlight-Beiträge aus Schmerznachrichten und Anästhesie Nachrichten.

zur Seite