Halbturn lädt zur Schlemmerreise durch die Jahrhunderte
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Die Menschen genossen ihr Leben, wann immer es ging, in vollen Zügen. Eine Schau auf Schloss Halbturn erzählt Geschichten von Schlemmern und Prassern, von höfischer Etikette und bäuerlichem Feste – und vom letzten Mahl eines Habsburgerkaisers.
Um 1.000 v. Chr. entstand in China die Schrift I-Li. Die darin enthaltenen uralten Trinkriten und Trinkspiele zeigen, wie bedeutend das gesellige Beisammensein, gemeinsames Essen und auch maßloses Trinken seit jeher war: um Kontakte zu knüpfen bzw. zu pflegen, um Neuigkeiten auszutauschen – und um sich als Gruppe von Gleichgesinnten nach außen hin abzuschließen.
Die Geschichte der Gelage und Festschmäuse lässt sich bis herauf in die Gegenwart erzählen. In dem burgenländischen Barockschloss Halbturn erwartet die Besucher ein opulent gestalteter Streifzug durch die Welt der leiblichen Genüsse.
Champignons für Karl VI.
Besonderes Augenmerk gilt den lukullischen Vorlieben der Habsburger und der Tafelkultur bei Hof. Dass sich Kaiser Karl VI. im Schloss Halbturn im Herbst 1740 mit giftigen Pilzen selbst das Grab schaufelte, hatte weitreichende Folgen: Da sein Tod zum Österreichischen Erbfolgekrieg führte, meinte Voltaire 1759 über diese letzte Mahlzeit des Kaisers: „Ce plat de champignons a changé la destinée de l’Europe.“ Dieses Pilzgericht hat das Schicksal Europas verändert.
Tisch- und Tafelkultur. Objekte aus der Sammlung Punkenhof 11, Neulengbach
Schloss Halbturn
Wohl war. Aber was war passiert? Der Kaiser kam von der Jagd zurück und verlangte sein Lieblingschampignongericht. Karl langte kräftig zu. Allerdings waren Teile von Knollenblätterpilzen in der Speise enthalten. Das führte in der Nacht zu massiven Koliken, Übelkeit und Erbrechen, nach wenigen Tagen traten Leberbeschwerden auf. Zehn Tage nach seiner Mahlzeit starb der Kaiser. Das Schloss, das erst 16 Jahre zuvor nach Plänen von Lucas von Hildebrandt fertiggestellt worden war, hatte seinen Platz in der Weltgeschichte fix. Denn: Karls Tochter Maria Theresia trat als erste und einzige Frau die Regentschaft über das Habsburger Reich an.
Überhaupt das Barock! Für die Reichen war das 18. Jahrhundert eine Ära des Genusses, des Vergnügens. Der kulinarische Kosmos wurde durch Kaffee, Tee, Kakao („Chocolade“ oder auch „Venus-Speise“) bereichert. Allmählich begann sich die Sitte, Kaffee zum Frühstück zu servieren, durchzusetzen. Erdäpfel, Kukuruz und Ölkürbisse tauchten in heimischen Haushalten auf.
Bis heute berühmt sind die berauschenden Festlichkeiten auf Schloss Niederweiden im niederösterreichischen Marchtal. Am bekanntesten ist die viertägige „Verkaufsveranstaltung“, die Joseph Friedrich von Sachsen-Hildburghausen 1754 in Szene setzte, um Maria Theresia zum Kauf der Liegenschaft zu bewegen. Was auch gelang. Ein Jahr später kaufte Maria Theresia sowohl Niederweiden als auch das benachbarte Schloss Hof, nur um sie ihrem Gemahl Franz I. Stefan von Lothringen zu schenken.
Gefüllte Paprika für Kennedy
Die Schau in Halbturn gewährt Einblicke in die Usancen bei Staatsbanketten und offiziellen Anlässen. Nach der Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages im Mai 1955 wurde etwa in Schloss Schönbrunn ein großes Staatsbankett angesetzt. In diesem imperialen Rahmen ging dann auch am 3. Juni 1961 das Bankett anlässlich des Treffens des US-Präsidenten John F. Kennedys mit dem sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita Sergejewitsch Chruschtschow über die Bühne. Die Speisenfolge des Banketts, die Bundespräsident Adolf Schärf selbst zusammenstellte, überrascht: So finden sich in der mit viel Tafelsilber umgebenen Menüfolge auch gefüllte Paprika, die jedoch, laut internen Berichten, ebenso wenig Zustimmung fanden, wie die restlichen Speisen. Vielleicht wäre eine Sicherheitsvariante mit Schnitzel und Schwechater Bier besser gewesen. Oder mit Grammelpogatscherln? Die Ausstellung auf Schloss Halbturn ist schließlich auch eine kulinarische Hommage an das Burgenland anlässlich seines 100. Geburtstags. Sehr zum Wohle!
Schloss Halbturn