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23.05.2025

Ein heilendes Haus

verfasst von: Wenzel Müller

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Ein Krankenhaus muss funktionale und technische Erfordernisse erfüllen. Aber nicht nur das. Ebenso sollte es die besonderen Bedürfnisse des kranken Menschen berücksichtigen. Vorzeigemodelle, die das tun, präsentiert aktuell eine Ausstellung in Wien.

Rückzugsorte und sogenannte „Kraftorte“ gibt es zwischen den Pavillons auf der Baumgartner Höhe etliche. 


Es ist die Bietergemeinschaft Health Team Vienna, die den Zuschlag für den Neubau der Kinder- und Jugendabteilung des Universitätsklinikums Freiburg in Deutschland erhalten hat. Ihr Plan sieht eine große Terrasse vor, auf der die kleinen Patienten Dreirad fahren und ihre Eltern gemütlich einen Kaffee trinken können. Alles nicht so schlimm, das Leben geht weiter, dieses Signal soll nach außen gesendet werden, um vor allem Neuankömmlingen ihre Angst zu nehmen. Und Angst haben sie verständlicherweise, sie, die nicht aus freien Stücken in die Klinik kommen, sondern aufgrund einer Erkrankung, oftmals gar einer schweren.

Ortswechsel: das Nyt Hospital Nordsjaelland in Dänemark. Die Krankenzimmer erinnern an ein Hotel. Alles Einzelzimmer, mit Balkon und Blick ins Grüne. Seit 2007 wird in Dänemark im Krankenhausbereich auf Zentralisierung gesetzt, zugleich ist man bestrebt, separate Bereiche für die Kranken zu schaffen, solche, wie sie hierzulande nur Privatpatienten zukommen. So möchte man die Übertragung von Krankenhauskeimen hintanhalten, noch mehr möchte man so den Patienten und Patientinnen das garantieren, was sie für ihren Genesungsprozess vor allem benötigen: Ruhe. Ohne schnarchende oder sonstwie störende Zimmergenossen.

Wandtafeln mit 13 Beispielen für eine jeweils gelungene Krankenhaus-Architektur. Spitäler sind mehr als hoch technisierte Maschinen.


Schau des Architekturmuseums

Zwei Beispiele, die aktuell in der Ausstellung „Das Kranke(n)haus. Wie Architektur heilen hilft“ im Pavillon 1 des Wiener Otto Wagner Areals präsentiert werden. Es handelt sich dabei um eine Schau des Architekturmuseums der Technischen Universität München, die gerade durch mehrere Länder tourt. Auf Wandtafeln werden mit Fotos, Grafiken und Architekturplänen insgesamt 13 Krankenhausbauten vorgestellt, die alle mehr sein wollen als hoch technisierte Maschinen. Die sich also gerade von jenem am Ende des vorigen Jahrhunderts dominierenden Bautypus abheben wollen, für den nicht zuletzt das Wiener AKH exemplarisch steht. Ein riesiges Gebäude, erschaffen in langer Bauzeit, eine Art Stadt in der Stadt. Man kann sagen: ein typisches Kind seiner Zeit. Ungebrochen war damals, in den 1970er-Jahren, noch der Glaube an den wissenschaftlich-technologischen Fortschritt, man wollte alle Medizinbereiche unter einem Dach vereinen und die krankenhausinternen Abläufe möglichst effizient gestalten. Wer dabei geflissentlich übersehen wurde, war: der Mensch. Genauer gesagt: der kranke Mensch mit seinen besonderen Bedürfnissen. Denn der hört, sieht und riecht anders als der gesunde Mensch. Gegenüber Umweltreizen ist er ungleich empfindlicher, außerdem ist er in seiner Orientierung eingeschränkt. Alles potenzielle Stressfaktoren, die es zu vermeiden gilt. Ein Krankenhaus, das auch ein heilendes sein will, muss darüber hinaus darauf achten, dass es Rückzugsorte und sogenannte Kraftorte gewährleistet, überdies Sichtachsen nach draußen und am menschlichen Maß orientierte Raumdimensionen. Das sind jene sieben Punkte, die die Architektin Gemma Koppen zusammen mit der Architekturpsychologin Tanja C. Vollmer in jahrelanger gemeinsamer Forschung als essenziell für den Genesungsprozess Schwerkranker im Krankenhaus herausgearbeitet haben. Ihr Credo: Ein Krankenhaus darf nicht nur funktionalen und technischen Erfordernissen genügen, das natürlich auch, sondern muss auch urmenschliche Bedürfnisse befriedigen.

„Healing Architecture“, so lautet der Fachbegriff. Heilende Architektur. In den USA genießt dieser Ansatz schon seit längerem hohen Stellenwert, bei uns gewinnt er erst allmählich an Bedeutung. Ihn bekannt zu machen und damit zu einem Perspektivenwechsel in Planung und Entwurf beizutragen, ist das erklärte Ziel dieser Architekturausstellung.

Wandtafeln mit 13 Beispielen für eine jeweils gelungene Krankenhaus-Architektur. Spitäler sind mehr als hoch technisierte Maschinen.


Zum Großteil betreffen die präsentierten Beispiele Bauten in Europa. Doch mit dem Butaro Hospital in Ruanda ist auch Afrika vertreten. Dieses Spital wurde auf einer Anhöhe errichtet, wo stets ein Wind weht, zusätzlich wurden seine gegenüberliegenden Fenster höhenversetzt angeordnet. So ist ein ständiger Luftaustausch garantiert, ohne Klimaanlage und ohne laute Ventilatoren. Manche Konzepte verlangen keine Zusatzausgaben, nur eine zündende Idee.

Fensterlose Gänge, aseptische Gestaltung des Inneren, so präsentiert sich bekanntlich das Wiener AKH. Manche der dortigen Mediziner klagen, dass sie den ganzen Tag über bei Kunstlicht arbeiten müssen. Ein Missstand, der bei der Planung dieses Hauses offenbar übersehen wurde.

Kreative folgen auf Kranke

Viele kleine Pavillons, viel Grün, viel Ruhe – das Otto Wagner Areal in Wien-Penzing nimmt sich wie die moderne Antithese zum AKH aus. Dabei hat es schon viele Jahre auf dem Buckel, 1907 wurde es als „Niederösterreichische Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke“ gegründet. Ein Teil dieses Areals wird noch heute als medizinische Einrichtung genutzt – hier ist die Klinik Penzing (neuerdings: „Standort Penzing der Klinik Ottakring“). Wie die Stadt Wien erst vor kurzem beschlossen hat, soll auf dem Gelände die Musik- und Kunst-Privatuniversität der Stadt Wien einziehen. Die Kreativen werden den Platz der Kranken einnehmen.

Rückzugsorte und sogenannte „Kraftorte“ gibt es zwischen den Pavillons auf der Baumgartner Höhe etliche.



Rückzugsorte und sogenannte „Kraftorte“ gibt es zwischen den Pavillons auf der Baumgartner Höhe etliche. 


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Metadaten
Titel
Ein heilendes Haus
Publikationsdatum
23.05.2025