Skip to main content
Ärzte Woche

28.01.2022

100 Jahre Burgenland in „dischgrierenden“ Bilder

verfasst von: Martin Krenek-Burger

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

2021 feierte das Burgenland seine 100jährige Zugehörigkeit zu Österreich. Die Galerie WestLicht präsentiert eine fotografische Reise in die bewegte Geschichte des jüngsten Bundeslandes.

Kein Witz. Als 1997 die neue Golf-Therme im südburgenländischen Stegersbach eröffnet wurde, kam der Autor dieses Artikels zu spät. Die Anreise vom Radiosender in Eisenstadt dauerte rund 2 Stunden. Kaum war ich ausgestiegen, brauste ein anderer Zuspätgekommener mit federleichtem Haar vorbei: Otto Waalkes im Golf-Caddy.

Dass im Südburgenland einmal internationale Gäste im warmen Wasser plantschen würden, war 1921 nicht absehbar. Das jüngste Bundesland kam ohne Landeshauptstadt und damit ohne wirtschaftliches Zentrum zu Österreich. Seine Vergangenheit als Grenzwächtergebiet war dem Burgenland noch anzusehen. Und so heißt die Foto-Ausstellung zu 100 Jahre Burgenland zu Recht: „Grenzland im Fokus“.

Entstanden ist die Schau in der Wiener Galerie WestLicht in Kooperation mit den Kulturbetrieben Burgenland und dem Landesarchiv. Die Kuratoren haben rund 100 Aufnahmen aus den mehr als 500.000 historischen Fotografien in den Beständen des Landesarchivs ausgewählt. Die teils berührenden, teils witzigen und mitunter skurrilen Bilder zeigen den burgenländischen Alltag der vergangenen 100 Jahre, charakteristische Landschaften und prägende Ereignisse der Landesgeschichte.

Schätze aus dem Landesarchiv


An der Demarkationslinie von Ost und West gelegen, stand das Burgenland wie kaum ein anderes Bundesland im Fokus der Weltöffentlichkeit. Diese Grenzerfahrungen bilden den roten Faden der Ausstellung, beginnend mit der Eingliederung 1921 über die Ungarn-Flucht 1956, die Öffnung der Grenzen nach dem Kollaps der Sowjetunion 1989 bis hin zu den Flüchtlingsströmen der jüngeren Vergangenheit. „Die Fotografien erzählen nicht nur Geschichten, sie sind auch fotografisch von beeindruckender Qualität. Das ist bemerkenswert, weil viele von unbekannten oder gar anonymen Fotografen und Fotografinnen stammen“, sagt WestLicht-Vorstand Peter Coeln. „Wir sind sehr froh, dass wir diese Schätze aus dem Landesarchiv, die meisten davon zum allerersten Mal, der Öffentlichkeit präsentieren können.“

Der ORF hat für das TV-Porträt „100 Lebensjahre Burgenland“ einige 1921 geborenen Burgenländer vor die Kamera geholt. Die Geschichten der Hundertjährigen, die sie teils in heanzischer Mundart „dischgriern“ ( Anm.: ausführlich erzählen ), ähneln einander: Zu arm, um im nächstgrößeren Dorf ein Zimmer zu nehmen und dort in die Lehre zu gehen; zu beengt die Wohnverhältnisse, um die Freundin bei sich übernachten zu lassen; die Großmutter, die nicht lesen und schreiben konnte, der Großvater, der sich als ungarischer Staatsbürger ausgibt („Dabei woar er a Krowod“).

Ort der Träume und der Verzweiflung


Viele Südburgenländer kehrten dem jungen Bundesland gleich wieder den Rücken. Sie wollten in die USA, nach New York. Dabei mussten sie zuerst an Ellis Island vorbei, weil dort der Sitz der amerikanischen Einwanderungsbehörde war. Die Insel war ein Ort der Hoffnung wie der Verzweiflung, sagt Gerd Polster, Kurator der Ausstellung „Unsere Amerikaner“ im Landesmuseum in Eisenstadt ( Anm.: noch bis 11. November 2022 ). Wer die medizinischen Untersuchungen am Check Point nicht bestand, wurde zurückgeschickt.

Typisch Burgenländisch

Im Unterschied zu den anderen Bundesländern hatte das Burgenland keine eigenständige Geschichte als gefürstete Grafschaft oder Herzogtum. Es dauerte Jahrzehnte, bis sich ein burgenländisches Selbstbewusstsein herausbilden konnte. 1997, als der Autor dieses Artikels einen Job bei einem hiesigen Radiosender antrat, war dieser Prozess offenbar noch nicht abgeschlossen: Zum Einstieg am neuen Arbeitsplatz wurde er nach der hervorstechenden Charaktereigenschaft des Burgenländers gefragts. Ich wusste es damals nicht, aber es war der Fleiß.

Zur Ausstellung in der Galerie WestLicht erscheinen zwei Begleitbücher: „Das Burgenland. Reisen durch Zeit und Land“, hrsg. von Tanja Stacherl und Christoph Langecker, Brandstätter Verlag, 256 S., und „Hundert. Fotografien aus der Sammlung des Burgenländischen Landesarchivs, hrsg. von Herbert Brettl, Evelyn Fertl und Ute Leonhardt, 220 S.


Metadaten
Titel
100 Jahre Burgenland in „dischgrierenden“ Bilder
Publikationsdatum
28.01.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 4/2022

Weitere Artikel der Ausgabe 4/2022