Open Access 16.05.2024 | Originalien
Digitale Medien und Schlaf bei Kindern und Jugendlichen: Prävention und Intervention
Erschienen in: Pädiatrie & Pädologie | Ausgabe 5/2024
Zusammenfassung
Die voranschreitende Digitalisierung birgt neben all dem Positiven auch Gefährdungen für Kinder und Jugendliche wie zum Beispiel Gaming Disorder, Cybermobbing, Onlinesexsucht oder Cybergrooming. Diese digitalisierungsbedingten Störungen, aber auch die intensivierte Nutzung digitaler Medien allgemein können den Schlaf von Kindern und Jugendlichen negativ beeinflussen. Eine Kombination aus Verhältnis- und Verhaltensprävention ist notwendig, um dieser negativen Entwicklung effektiv entgegenzuwirken. Für eine effektive Verhältnisprävention ist die Mitarbeit der Entwickler und Anbieter medialer Angebote sowie eine Unterstützung auf politischer Ebene unerlässlich. Im Sinne einer Verhaltensprävention ist es wichtig, die Ressourcen der Kinder und Jugendlichen zu stärken, Kontextfaktoren miteinzubeziehen und den Erziehungsberechtigten Hilfestellungen sowie klare Empfehlungen anzubieten. Kinderärzte und Allgemeinmediziner sollten verstärkt für die Problematik sensibilisiert werden. Die vorhandenen Interventionsmaßnahmen zur Kontrolle der Bildschirmnutzung mit dem Ziel, die Schlafqualität zu verbessern, weisen zumeist nur kleine Wirkeffekte auf. Die Verfügbarkeit und Inanspruchnahme digitaler Behandlungsangeboten nimmt zu. Aussagekräftige Evaluationsstudien zur Effektivität dieser Interventionen sind erforderlich.
Durch die voranschreitende Digitalisierung können – neben all dem Positiven (vgl. etwa [17]) – auch Gefährdungen für Kinder und Jugendliche entstehen als:
2.
Gebrauch sozialer Medien zur exzessiven Online-Kommunikation (exzessives Messaging; „social network disorder“) oder zur Inszenierung des Selbst und des eigenen Lebens (eines Schönheits- oder Ernährungsideals oder einer Selbstverletzung; [37]).
3.
Ängstigende und verstörende altersunangemessene Exposition mit pornografischem Material (Internetpornografie) bzw. mit Gewalt- oder Horror-Inhalten im Kindesalter [32].
4.
Online-Sexsucht im Jugendlichenalter: dauerhafte Internetaktivitäten mit Schwierigkeiten, sexuelle Verhaltensweisen oder Fantasien zu kontrollieren. Charakteristisch ist ein enormer Zeitaufwand und zumeist eine exzessive Selbstbefriedigungspraxis (unmittelbare kontingente Verstärkung des Pornografiekonsums; [37]).
5.
Cybermobbing: wiederholte (direkt-offene oder indirekt-verdeckte) aggressive Handlungen unter Gleichaltrigen mit dem Ziel, die andere Person zu verletzen, zu demütigen oder einzuschüchtern. Dabei potenziert die digitale Basis das Schadensausmaß für das Opfer: Täter können anonym bleiben, Schädigungen sind nicht unbedingt direkt ersichtlich, ein größeres Publikum kann erreicht werden, die toxischen Nachrichten sind unbegrenzt speicherbar und nicht zurücknehmbar [34, 38].
6.
Cybergrooming: zielgerichteter Versuch einer (meist erwachsenen) Person, Kontakt zu Kindern und Jugendlichen über Social-Media-Plattformen aufzunehmen, mit dem Ziel sexuelle Gespräche hauptsächlich mit Jugendlichen zu führen, sexuelle Fantasien oder Bildmaterial mit pornografischen Inhalten auszutauschen und/oder um ein persönliches Treffen mit dem Ziel des sexuellen Missbrauchs anzubahnen und zu ermöglichen [32].
Solcherart bestehende digitalisierungsbedingte Störungen und Risiken, aber auch die intensivierte Nutzung digitaler Medien im Allgemeinen haben deutliche Auswirkungen auf den Schlaf des Kindes und Jugendlichen entlang der in Teil 1 dieses Artikels beschriebenen 5 Wirkmechanismen. Häufig haben die betroffenen Kinder oder Jugendlichen eine reduzierte Schlafdauer oder verminderte Schlafqualität bis hin zu Schlafstörungen und/oder einen gestörten Schlafrhythmus in Form einer Tag-Nacht-Umkehr [5, 8, 9, 16, 18, 24]. Dies wirkt sich insbesondere durch gesteigerte Müdigkeit und Schläfrigkeit am Tag bei Kindern und Jugendlichen auch auf den Schulalltag und die Berufsausbildung aus, da dies zu Unkonzentriertheit, fehlenden Hausaufgaben, Fehlzeiten und längerem Fernbleiben von der Schule führen kann [13, 31].
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Es ist bei der Entwicklung und Chronifizierung beider Störungsbereiche letztendlich von einer wechselseitigen Beeinflussung und positiven Rückkoppelungsprozessen auszugehen, im Sinne eines Teufelskreises [30, 39]. Zur Kausalität beider Störungs- oder zumindest Problembereiche (Was war zuerst? Was verursachte was?) existiert aktuell keine eindeutige valide Studienlage aus Longitudinalstudien.
Nach detaillierter Diagnostik beider Störungsbereiche und differenzialdiagnostischen Überlegungen zu anderen psychischen oder somatischen Erkrankungen sowie zusätzlichen komorbiden Störungen ist in der Behandlungsplanung zu überlegen, in welchem Problembereich vorrangig interveniert wird. Erstinterventionen im Bereich der Mediennutzung sind als Hypothese augenscheinvalide, sofern keine gegenläufigen Befunde aus der Schlafdiagnostik vorliegen in dem Sinne, dass eine bestehende Schlafstörung als Ursache der digitalisierungsbedingten Störung wirkt. Im Folgenden werden präventive und therapeutische Interventionen für digitalisierungsbedingte Störungen aufgezeigt.
Wie ist eine wirksame Prävention zu erreichen? Zum aktuellen Zeitpunkt scheinen präventive Maßnahmen vorrangig im Jugendalter, bisweilen im Grundschulalter implementiert zu werden und vielfach im schulischen Bereich anzusetzen, was sich als wirksamer Kontext bewiesen hat [36]. Die Weichenstellungen zur Mediennutzung werden jedoch im Vorschulalter getroffen [25, 33].
Die Nutzung digitaler Endgeräte kann die psychosoziale Entwicklung des Kindes negativ beeinflussen
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Inzwischen wird allerdings auch die digitale Transformation der Kitas und deren digitaler Bildungsauftrag „bei intelligentem Risikomanagement“ (sic) von einem deutschen Staatsinstitut für Frühpädagogik propagiert [40]. Die Nutzung digitaler Endgeräte kann nachweislich die psychosoziale und emotionale Entwicklung des Kindes negativ beeinflussen, aber auch die kognitive, sprachliche und motorische Entwicklung sowie das Ess- und Schlafverhalten [33]. Im Folgenden wird auf die Verhältnisprävention (die physische und soziale Umwelt modifizieren) und die Verhaltensprävention (das individuelle Verhalten ändern) eingegangen [49].
Ansätze für eine wirksame Verhältnisprävention beinhalten zum Beispiel, Smartphones und mobile Spielkonsolen innerhalb der Schulräumlichkeiten zu untersagen, Spielkonsolen in Kaufhäusern auszulisten und Werbeverbote für diese Applikationen, etwa im Fernsehen, zu etablieren. Handy-Verträge für Kinder, welche mit einer zeitlichen Limitierung pro Tag verknüpft sind, oder auch Apps, welche die Zeit messen und automatisch die Internetnutzung sperren, sind ebenfalls denkbar [29]. Um diese Maßnahmen durchzusetzen, bedarf es der Mitarbeit der Entwickler und Anbieter medialer Angebote sowie der politischen Entscheidungsträger. Mit sogenannten Shutdown-Systemen werden beispielsweise die Anbieter digitaler Spiele, durch die Regierung einzelner Länder (zum Beispiel Südkorea) dazu angewiesen, den Zugang zu deren Online-Spielen zwischen bestimmten Zeiten zu sperren [22]. Anbieter medialer Angebote sind in der Verantwortung, Verbraucher über bekannte Risiken zu informieren [55], was beispielsweise mit Warnmeldungen während der Nutzung möglich ist (v. a. im Bereich digitaler Spiele; [22]). Empfehlenswert ist zudem die Implementierung von Kindersicherungen [21], wodurch Eltern die Möglichkeit geboten wird, das Mediennutzungsverhalten ihrer Kinder zu kontrollieren und zu regulieren. Zusätzlich sollten suchtfördernde Verstärkungsmuster in Videospielen gesetzlich eingeschränkt werden und Altersfreigaben sich am Jugendschutz orientieren [51]. Vor dem Hintergrund, dass eine Mediennutzung vor allem mit gewalttätigen Inhalten [15, 54] (zum Beispiel First-Person-Shooter, aber auch andere gewaltintensive Spielapplikationen wie manche Folter- oder Horrorspiele oder aggressiv-pornografische Inhalte) negative Auswirkungen auf das Schlafverhalten zu haben scheint, erscheint eine Kontrolle der Einhaltung von Altersbegrenzungen sinnvoll. Dies wurde beispielsweise 2007 in China umgesetzt, Spieler mussten sich für Online-Spiele mit ihrem echten Namen und ihrem Ausweis registrieren. Somit wurde eine Kontrolle der Spielzeit minderjähriger Spieler ermöglicht [22]. Solche Maßnahmen sind allerdings abhängig von den bestehenden politischen Systemen.
In Bezug auf gewalthaltige Medieninhalte hat sich zudem gezeigt, dass das Ersetzen gewalttätiger/altersunangemessener Medieninhalte durch hochwertige erzieherische/prosoziale Inhalte mit der Reduktion von Schlafproblemen einhergeht [14].
Im Bereich Gaming im Sinne einer selektiven Prävention sind regelmäßige (fachliche) Untersuchungen und Überprüfungen der psychischen Gesundheit sowie schulbasierte Programme notwendig. Vor allem männliche Jugendliche mit komorbiden psychischen Schwierigkeiten haben ein erhöhtes Risiko, eine Computerspielsucht zu entwickeln [21].
Die Wahrscheinlichkeit einer digitalisierungsbedingten Störung ist als geringer anzunehmen, wenn im Sinne einer universellen Prävention die Ressourcen des Kindes gestärkt werden: ein positives Selbstwertgefühl, eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung, gute soziale Kompetenzen und die Fähigkeit, mit den eigenen Gefühlen gut umzugehen.
Der familiäre Kontext [48], hier vor allem die Eltern und Geschwister, aber auch andere Institutionen wie Kindergarten, Schule oder Ausbildungsbetrieb, können als betroffene Personen oder Institutionen stark in die Symptomatik einbezogen sein hinsichtlich der Verursachung, der Aufrechterhaltung, aber auch der Lösung der bestehenden Probleme im Medien- und im Schlafbereich.
Von daher wirken als protektive Kontextfaktoren ein gutes soziales Netzwerk, positive Peerbeziehungen, eine begrenzte Verfügbarkeit von elektronischen Endgeräten (Stimuluskontrolle), eine gute Eltern-Kind-Beziehung (emotionale Nähe) und eine herzliche und warme Familienatmosphäre. Dagegen sind restriktive Vorschriften, Bestimmungen und Anweisungen eher nicht wirksam [10, 37].
Eltern legen (bewusst oder intuitiv oder unreflektiert) das Einstiegsalter, die Intensität und die Rahmenbedingungen des Medienkonsums fest. Sie sind die zentrale Instanz für die Prävention einer digitalisierungsbedingten Störung. Sie sind einerseits das Modell der Mediennutzung für ihre Kinder und handeln idealerweise zugleich erzieherisch im Aufstellen und Durchsetzen von Mediennutzungsregeln [25, 37]. Aufgestellte Mediennutzungsregeln sollten sowohl für das Kind als auch die Eltern gelten. Gezielte Angebote zur Förderung der elterlichen Erziehungskompetenz im Kontext Medien sind notwendig [25, 33]. Hilfen wie zum Beispiel ein Familien-Medien-Plan können von den Eltern genutzt werden, um gemeinsam mit dem Kind Regeln und Rahmenbedingungen bezüglich der Mediennutzung festzulegen und diese effektiv umzusetzen [3]. Eine Erziehung, welche sich durch ein hohes Maß an Wärme und Unterstützung auszeichnet, durch klares Kommunizieren von Grenzen und deren konsequente Einhaltung (autoritativer Erziehungsstil; [23]) scheint am besten geeignet [19]. Hale et al. [19] unterstreichen zudem die Wichtigkeit der Etablierung einer Routine für die Schlafenszeit beginnend im Kleinkindalter, sowie die Einführung von gesunden Schlafgewohnheiten (Schlafhygiene [6, 53]). Zu beachten ist: Eltern sind nicht nur Modell der Mediennutzung, sondern nehmen auch eine Vorbildfunktion bezüglich ihres eigenen Schlafverhaltens gegenüber dem Kind ein [19].
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Für Kinder jünger als 18 Monate den Gebrauch digitaler Medien vollständig vermeiden
1.
Familien über die Bedeutung von ausreichendem Schlaf des Kindes (in Abhängigkeit vom Lebensalter) informieren.
2.
Empfehlung einer möglichst frühen Entwicklung gesunder Schlafgewohnheiten (zum Beispiel regelmäßige Schlafenszeiten; Routine vor dem Zubettgehen; körperliche Bewegung tagsüber; [12]).
3.
Für Kinder jünger als 18 Monate den Gebrauch digitaler Medien vollständig vermeiden.
4.
Für Kinder im Alter zwischen 18 und 24 Monaten Nutzung digitaler Medien nur mit pädagogisch hochwertigem Inhalt und nur zusammen mit einer Bezugsperson; für Kinder im Alter zwischen 2 und 5 Jahren wird höchstens eine Stunde Bildschirmzeit pro Tag empfohlen.
5.
Medien sollen nicht zur Ablenkung der Kinder oder als „Pseudo-Babysitter“ zur Beruhigung verwendet werden.
6.
Eine Stunde vor dem Schlafengehen sollen keine digitalen Medien mehr genutzt/konsumiert werden.
7.
Beruhigende Aktivitäten vor dem Schlafengehen; abendliche Bildschirmzeit durch andere Aktivitäten, wie zum Beispiel Lesen ersetzen [41].
8.
Eltern als Vorbild für gesunden Schlaf und zugleich als Modell der Mediennutzung (achtsames Umgehen mit Bildschirmmedien) und Instanz der nachhaltigen Verfolgung von Mediennutzungsregeln.
10.
Medien sollen generell nicht die zeitlichen Phasen für Schlaf, Sport oder andere gesundheitsbezogene Verhaltensweisen einnehmen.
In dem Positionspapier zu medienbezogen Störungen im Kindes- und Jugendalter, herausgegeben von der Suchtkommission der deutschen kinder- und jugendpsychiatrischen Verbände und wissenschaftlichen Fachgesellschaft, wird Schlaf nicht erwähnt [51].
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Schlafmangel ist jedoch ein wichtiger Faktor, der zu Stimmungsschwankungen, schulischen Problemen oder Verhaltensauffälligkeiten bei Jugendlichen beiträgt [19]. Kinder- und Hausärzte sind angehalten, Dauer, Inhalt und Zeitpunkt der Nutzung von Bildschirmmedien sowie Schlafqualität, Schlafverhalten, Schlafdauer und Tagesschläfrigkeit aktiv in der Anamnese zu erfragen. Es mangelt immer noch an ausreichenden Patienteninformationsmaterialen in klinischen Bereichen. Evidenzbasierte Leitlinien sollten für Ärzte, Pädagogen und Sozialarbeiter in Schulen und in der medizinischen Grundversorgung leicht verfügbar gemacht werden. Diese sollen eine Aufklärung über die Bedeutung von ausreichendem Schlaf beinhalten, die Wichtigkeit der Entwicklung frühzeitiger gesunder Schlafgewohnheiten unterstreichen, sowie negative Auswirkungen der Mediennutzung, insbesondere vor dem Schlafengehen aufzeigen [42].
Sind allein präventive Maßnahmen nicht ausreichend, ist es notwendig, gezielte und intensivere Interventionen einzusetzen. Manuale zur Therapie von Schlafstörungen sind zum Beispiel Mini-Kiss (ein Elterntraining für Kinder bis 4 Jahre mit Schlafstörungen; [43]), KiSS (ein Schlaftraining für Kinder von 5 bis 10 Jahren mit Schlafstörungen; [44]) und JuSt (ein Schlaftraining für Jugendliche von 11 bis 17 Jahren mit Schlafstörungen; [46]).
Interventionen, welche die Einführung täglicher gesunder Routinen und kombinierte Interventionssettings (zum Beispiel zu Hause und in der Schule [4, 52]) umfassen, scheinen am wirkungsvollsten zu sein, wie Busch et al. [7] in ihrer systematischen Überblicksarbeit zeigen. Zudem kann Progressive Muskelrelaxation (PMR) eine Intervention und Alternative zur Nutzung von digitalen Medien vor dem Schlafengehen sein [11].
Martin et al. [26] evaluierten in einem Review die Wirkung von Interventionen zur Kontrolle der Bildschirmnutzung mit dem Ziel verbesserter Schlafqualität. Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass diese Interventionen lediglich eine geringe Reduzierung der Bildschirmzeit (0,56 h pro Tag) und nur eine mäßige Verlängerung der Schlafdauer bewirken. Subgruppenanalysen zeigten stärkere Effekte für Interventionen mit direktem Teilnehmerkontakt, welche sich speziell auf den Schlaf und die Bildschirmnutzung konzentrierten und von kürzerer Dauer (< 3 Monate) waren. Jedoch ist es aufgrund der limitierten Anzahl von Studien und deren Heterogenität nicht möglich festzustellen, ob eine Reduzierung der Bildschirmzeit direkt die Schlafqualität verbessert.
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In Bezug auf die negativen Effekte von blauem Licht auf den zirkadianen Rhythmus (Suppression der Melatoninsekretion; [9, 57]) sind dem Autor keine Studien bekannt, bei denen Melatonin therapeutisch gezielt bei Schlafstörungen aufgrund digitalisierungsassoziierter Störungen eingesetzt wurde. Dies wäre letztendlich aber auch nur eine Behandlung von Folgesymptomen, ohne dass die zugrundeliegenden Ursachen der dysfunktionalen Nutzung digitaler Bildschirme verändert werden würde.
Spiegelhalder et al. [50] geben einen Überblick über digitale Behandlungsangebote bei Schlafstörungen, welche die Leistungsfähigkeit oder Tagesbefindlichkeit beeinträchtigen. Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben sich internetbasierte Therapieprogramme hinsichtlich der Anzahl/Dauer nächtlicher Wachphasen und der Einschlaflatenz [27, 45, 56] als wirksam erwiesen. Vor allem im Hinblick auf das vorherrschende Versorgungsdefizit scheinen diese digitalen Anwendungen von großer Nützlichkeit [58].
Eine große Anzahl von Einschlafhilfen in Form von Apps sind ebenfalls verfügbar und werden mit steigender Tendenz von Eltern genutzt [47]. Wenige dieser Apps fokussieren jedoch spezifisch das Schlafverhalten (zum Beispeil „Babywink“), die meisten Apps sind musik- oder soundbasiert.
Problematisch erscheint, dass einige Apps (zum Beispiel „Raising Children“) irreführende Informationen beinhalten
Aussagekräftige Evaluationsstudien zur Effektivität dieser Apps sind notwendig, um deren klinische Signifikanz zu ermitteln [47].
War der Roman „Träumen Androiden von elektrischen Schafen“ (englischer Originaltitel: „Do Androids Dream of Electric Sheep?“) von Philip K. Dick aus dem Jahr 1968 noch eine fiktionale in der Zukunft spielende Erzählung, kann die Frage, ob die exzessive Beschäftigung mit digitalen Medien bei Kindern und Jugendlichen schädliche Auswirkungen auf das Schlafverhalten hat, heutzutage klar mit einem Ja beantwortet werden.
Präventions- und Interventionsansätze an der Schnittstelle der Nutzung digitaler Medien und Schlafverhalten sollten sich auf direkte Maßnahmen zur Reduzierung der Bildschirmzeit und schlafhygienische Maßnahmen konzentrieren. Aber nicht nur. Zu hinterfragen ist etwa, warum die Bildschirmzeit von Kindern und Jugendlichen (und Erwachsenen) so hoch ist. Was ist ihr Motiv, was ist ihnen wertvoll, was ging ihnen verloren und wurde durch die Attraktivität der virtuellen Welt ersetzt? Wer ist den Kindern und Jugendlichen ein Vorbild und eine Orientierung, welche Alternativen gibt es? Insbesondere Schlafinterventionen für Jugendliche sollten sich mit deren Lebensumwelten und deren Gewohnheiten im Umgang mit den sozialen Medien befassen. Zudem sollten Präventions- und Interventionsmaßnahmen für alle Bevölkerungsgruppen, somit auch für sozial schwächere Familien, konzipiert und zugänglich sein [29].
F.W. Paulus gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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