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Erschienen in: Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Österreich 1/2022

Open Access 11.02.2022 | Die Mädchensprechstunde

Differenzialdiagnose: funktionelle hypothalamische Amenorrhö und polyzystisches Ovarsyndrom

verfasst von: Dr. Klara Beitl, Assoc. Prof. PD Johannes Ott

Erschienen in: Gynäkologie in der Praxis | Ausgabe 1/2022

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Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Die sekundäre Amenorrhö tritt mit einer Prävalenz von 3 bis 5 % bei Frauen im reproduktiven Alter auf. Die beiden häufigsten Ursachen dafür sind das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) in 2–13 % sowie die funktionelle hypothalamische Amenorrhö (FHA) in 1–2 % der Fälle [1].
Die FHA ist gekennzeichnet durch eine Zykluslänge von mehr als 45 Tagen oder eine sekundäre Amenorrhö, d. h. ein Ausbleiben der Regelblutung von mehr als 3 Monaten. Anamnestisch in Kombination stehen ein übermäßiger Gewichtsverlust, ausgeprägte körperliche Betätigung und/oder enormer psychischer Stress, dem die Patientin ausgesetzt ist. Laborchemisch zeigt sich eine hypogonadotrope Hypoöstrogenämie mit niedrigen Östradiolspiegeln. Ist der Verdacht einer FHA gestellt, so sind ein negativer Gestagenentzugstest sowie ein unauffälliges MRT der Hypophyse empfohlen, um etwaige Differenzialdiagnosen auszuschließen [1].
Nach den Rotterdam-Kriterien ist die polyzystische Ovarialmorphologie (PCOM) eines der Hauptmerkmale des PCOS, wobei 2 von 3 Kriterien für die Diagnose erfüllt sein müssen, zu denen auch eine klinische und/oder serologische Hyperandrogenämie sowie eine Oligo- bzw. Anovulation gehören. Letztere führt in der Regel meist zu einer Oligo- oder Amenorrhö [2, 3].
Ergänzend sollte beim PCOS nach den 4 Subtypen unterschieden werden: PCOS Phänotyp A wird auch als „vollständiges PCOS“ bezeichnet und umfasst die biochemische oder klinische Hyperandrogenämie, Oligo‑/Anovulation und polyzystische Ovarialmorphologie. Phänotyp B zeigt eine Hyperandrogenämie und Oligo‑/Anovulation, Phänotyp C („ovulatorisches PCOS“) eine Hyperandrogenämie und PCOM. PCOS‑D ist der Phänotyp des „nicht-hyperandrogenen“ PCOS und weist daher Oligo‑/Anovulation und PCOM auf. Diese Kriterien wurden kürzlich in einer internationalen evidenzbasierten Leitlinie für die Bewertung und Behandlung des PCOS bestätigt [2].
Bei Frauen mit Menstruationsstörungen, bei denen differenzialdiagnostisch ein PCOS oder eine FHA vermutet wird, ist es oftmals schwierig, diese voneinander zu unterscheiden. Ein wesentliches Merkmal des PCOS ist, wie bereits genannt, die polyzystische Morphologie des Ovars im Ultraschall, die bei 80–88 % der Patientinnen auftritt. Allerdings kann die PCOM auch bei einem hohen Anteil der FHA-Patientinnen nachgewiesen werden (30–45 %; [4]). Darüber hinaus findet sich die PCOM ebenso bei 20–30 % gesunder Frauen, sodass ein Vorhandensein zufällig sein könnte [5]. Da beide Erkrankungen häufig vorkommen, ist es zudem denkbar, dass sie nebeneinander bestehen, was die Diagnose weiter erschwert.
Mehrere Parameter zur Unterscheidung zwischen PCOS und FHA sind bereits bekannt und wurden in einem kürzlich erschienenen Review überprüft. Im Gegensatz zum PCOS gehören bei der FHA dazu der tendenziell niedrigere Body-Mass-Index (BMI) sowie die niedrige Serumkonzentration des luteinisierenden Hormons (LH) und der Androgene. Zeigen PCOS-Patientinnen häufig eine gestörte Insulinresistenz, so sind Basalinsulinspiegel bei FHA-Patientinnen normal bis erniedrigt. Das Anti-Müller-Hormon (AMH) zeigt sich beim PCOS häufig deutlich erhöht, das sexualhormonbindende Globulin (SHBG) hingegen eher erniedrigt. Gemäß der Hypoöstrogenämie können bei FHA-Patientinnen eine schmälere Endometriumdicke sowie ein negativer Progesteronentzugstest beobachtet werden. Diese sind leicht anwendbare Instrumente in der klinischen Routine [5].
Grundsätzlich weisen FHA und PCOS eine gegensätzliche Pathophysiologie auf. Dennoch bestehen in der Literatur große Unterschiede bezüglich der Kriterien, die zur Definition von und damit schließlich zur Unterscheidung zwischen PCOS und FHA verwendet werden. Daher kann es primär leicht zu diagnostischen Unsicherheiten kommen, was auch die anfängliche Zuordnung zu PCOS oder FHA in Studien erschwert [5]. Daher wäre eine genaue Definition von PCOS und FHA in Studien zu diesem speziellen Thema wünschenswert.
Empirisch gesehen ist es am wahrscheinlichsten, dass man PCOS Typ D ohne Hyperandrogenämie und FHA mit PCOM verwechseln könnte. Bisherige Studien verglichen bis dato lediglich PCOS und FHA, ohne deren Fokus auf die speziellen Subtypen zu legen. Dies soll Gegenstand weiterer Studien werden.
Die klinische und serologische Differenzierung zwischen FHA-PCOM und PCOS‑D kann schwierig sein. Bisherige Erkenntnisse unterscheidender serologischer Parameter als auch die individuelle Anamnese sollen dem behandelnden Arzt/der behandelnden Ärztin bis dahin wegweisend dienen.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

K. Beitl und J. Ott geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
1.
Zurück zum Zitat Gordon CM, Ackerman KE, Berga SL, Kaplan JR, Mastorakos G, Misra M et al (2017) Functional hypothalamic amenorrhea: an endocrine society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab 102(5):1413–1439CrossRef Gordon CM, Ackerman KE, Berga SL, Kaplan JR, Mastorakos G, Misra M et al (2017) Functional hypothalamic amenorrhea: an endocrine society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab 102(5):1413–1439CrossRef
2.
Zurück zum Zitat Teede HJ, Misso ML, Costello MF, Dokras A, Laven J, Moran L et al (2018) Recommendations from the international evidence-based guideline for the assessment and management of polycystic ovary syndrome. Fertil Steril 110(3):364–379CrossRef Teede HJ, Misso ML, Costello MF, Dokras A, Laven J, Moran L et al (2018) Recommendations from the international evidence-based guideline for the assessment and management of polycystic ovary syndrome. Fertil Steril 110(3):364–379CrossRef
3.
Zurück zum Zitat The Rotterdam ESHRE/ASRM-sponsored PCOS consensus workshop group (2004) Revised 2003 consensus on diagnostic criteria and long-term health risks related to polycystic ovary syndrome (PCOS). Hum Reprod 19(1):41–47CrossRef The Rotterdam ESHRE/ASRM-sponsored PCOS consensus workshop group (2004) Revised 2003 consensus on diagnostic criteria and long-term health risks related to polycystic ovary syndrome (PCOS). Hum Reprod 19(1):41–47CrossRef
4.
Zurück zum Zitat Makolle S, Catteau-Jonard S, Robin G, Dewailly D (2021) Revisiting the serum level of anti-Müllerian hormone in patients with functional hypothalamic anovulation. Hum Reprod 36(4):1043–1051CrossRef Makolle S, Catteau-Jonard S, Robin G, Dewailly D (2021) Revisiting the serum level of anti-Müllerian hormone in patients with functional hypothalamic anovulation. Hum Reprod 36(4):1043–1051CrossRef
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Zurück zum Zitat Phylactou M, Clarke SA, Patel B, Baggaley C, Jayasena CN, Kelsey TW et al (2021) Clinical and biochemical discriminants between functional hypothalamic amenorrhoea (FHA) and polycystic ovary syndrome (PCOS). Clin Endocrinol (Oxf) 95(2):239–252CrossRef Phylactou M, Clarke SA, Patel B, Baggaley C, Jayasena CN, Kelsey TW et al (2021) Clinical and biochemical discriminants between functional hypothalamic amenorrhoea (FHA) and polycystic ovary syndrome (PCOS). Clin Endocrinol (Oxf) 95(2):239–252CrossRef
Metadaten
Titel
Differenzialdiagnose: funktionelle hypothalamische Amenorrhö und polyzystisches Ovarsyndrom
verfasst von
Dr. Klara Beitl
Assoc. Prof. PD Johannes Ott
Publikationsdatum
11.02.2022
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Gynäkologie in der Praxis / Ausgabe 1/2022
Print ISSN: 3005-0758
Elektronische ISSN: 3005-0766
DOI
https://doi.org/10.1007/s41974-022-00215-0

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