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Ärzte Woche

24.01.2022

Die Angst steckt im Schussstiefel

verfasst von: Martin Krenek-Burger

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Die Sporthochschule Köln hat untersucht, warum den englischen Fußballern im Elfmeterschießen häufig die Nerven versagen.

Je länger Fußball-England auf seinen zweiten großen Titel nach 1966 wartet, desto mehr entwickelt sich dieses Warten zur Belastung für die Spieler. Bei fast jedem wichtigen Turnier reist eine hochbegabte Auswahl der Three Lions an, nur um mit gesenkten Köpfen und leeren Händen wieder heimzukehren. Englands Scheitern im Elfmeterschießen bei wichtigen Ausscheidungsspielen gehört zur internationalen Fußballfolklore, genauso wie die Slapstick-Einlagen seiner Torhüter.

Doch es ist eben Folklore. Bereits in einer früheren Studie konnte das Team um Daniel Memmert, dem Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der Deutschen Sporthochschule Köln, belegen, dass englische Elfmeterschützen nicht seltener treffen als Schützen anderer Nationen. Nun nahmen Michel Brinkschulte und seine Kollegen Dr. Philip Furley, Max Klemp und Daniel Memmert die Goalkeeper genauer unter die Lupe und untersuchten, ob die Nationalität von Torhütern einen Einfluss auf die Erfolgsquote beim Halten von Elfmetern hat. Die Ergebnisse sind erschienen in Scientific Reports unter dem Titel „English Goalkeepers Are Not Responsible for England’s Poor Performance in Penalty Shootouts in the Past“ ( https://go.nature.com/3Ae6sKv ).

Die Wissenschaftler analysierten eine Stichprobe von 2.379 Elfmetern bei Fußball-Welt- und Europameisterschaften sowie in der Champions und der Europa League, bei denen 629 verschiedene Torhüter zwischen den Pfosten standen. Sie verglichen dann die Erfolgsquoten der Torhüter verschiedener Nationen. Memmert: „Die Ergebnisse zeigen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Erfolgsquoten. Diese liegt im Durchschnitt bei 22,23 Prozent, das heißt etwas mehr als jeder fünfte Elfmeter wurde vom Torwart gehalten. Wir kommen daher zu dem Schluss, dass englische Torhüter nicht für das schlechte Abschneiden Englands im Elfmeterschießen in der Vergangenheit verantwortlich sind, da sie genauso gut abschneiden wie Torhüter anderer Nationen.“ Das Autorenteam liefert somit ein Gegenargument zum verbreiteten Stereotyp, England habe ein Torwartproblem.

Der Erstautor der Studie, Brinkschulte, unterstreicht: „Die Gründe für das schlechte Abschneiden der englischen Nationalmannschaft im Elfmeterschießen in der Vergangenheit liegen höchstwahrscheinlich in einer Reihe von Faktoren – darunter der enorme äußere Druck, wenn es um diesen entscheidenden Moment am Ende eines wichtigen Spiels geht, die Erwartungshaltung der eigenen Fans und die zu erwartende negative Berichterstattung der Medien, wenn der Erfolg ausbleibt.“

Mitautor Furley fügt hinzu: „Darüber hinaus könnte die eher negative öffentliche Wahrnehmung von Englands Abschneiden im Elfmeterschießen auch darin begründet sein, dass die Elfmeterleistung bislang unzuverlässig gemessen wurde und dass es eine allgemeine Tendenz der Öffentlichkeit zur Stereotypisierung im Alltag und im Sport.

Welchen Druck sich die britischen Spieler selbst auferlegen, zeigte sich bei der Euro 1996. Der feurige Verteidiger Stuart Pearce versenkte das Leder mit Wucht im rechten Eck – und brüllte seinen Schmerz hinaus, sechs Jahre nach seinem vergebenen Elfer im Semifinale der WM 1990.

Weitere Informationen:

https://go.nature.com/3Ae6sKv

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Metadaten
Titel
Die Angst steckt im Schussstiefel
Publikationsdatum
24.01.2022
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 4/2022

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