Geschlechterspezifische Unterschiede im Lipidstoffwechsel sind vor allem hormonell bedingt. Frauen haben prämenopausal im Vergleich zu Männern tendenziell günstigere Lipidwerte, wie höhere Konzentrationen an High-Density-Lipoprotein-Cholesterin (HDL-C) und niedrigere Konzentrationen an Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C). Mit Beginn der Menopause verschlechtern sich diese Werte jedoch durch hormonelle Veränderungen, wodurch sich bei Frauen das Risiko für atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.
Trotz vergleichbarer Wirksamkeit lipidsenkender Therapien bei Männern und Frauen zeigen mehrere Studien einheitlich, dass Frauen seltener die empfohlenen LDL-C-Zielwerte erreichen. Besonders in der klinischen Praxis bestehen große Diskrepanzen zwischen Leitlinienempfehlungen und tatsächlicher Behandlung, vor allem bei Hochrisikopatientinnen. Verschiedene Barrieren tragen wesentlich dazu bei: Dazu gehören die Unterschätzung des Risikos bei Frauen durch behandelnde Ärzte, ein zurückhaltenderes Verordnungsverhalten, ein eingeschränktes Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Therapie bei Patientinnen sowie eine verminderte Medikamentenadhärenz. Letztere wird unter anderem durch eine stärkere Wahrnehmung von Nebenwirkungen und eine höhere Prävalenz von Statinintoleranz beeinflusst.
Die Betreuung in spezialisierten Lipidzentren zeigt, dass viele schwer einstellbare Patienten, wie z. B. Patienten mit Statinintoleranz oder hohen LDL-C-Ausgangswerten, mit gezielter Nachsorge erfolgreich behandelt werden können. Neue pharmakologische Ansätze und Kombinationstherapien ermöglichen es, die Therapieziele zu erreichen. Dennoch erreichen Frauen trotz solcher Maßnahmen seltener ihre LDL-Zielwerte, was auf die Notwendigkeit intensiverer Betreuung und geschlechtersensibler Strategien hinweist.
Eine wirksame Lipidtherapie erfordert verstärkt den Einsatz von Kombinationstherapien, regelmäßige Kontrollen und eine enge Zusammenarbeit zwischen Patient und Arzt. Besonders bei Frauen ist es entscheidend, die Therapieadhärenz zu verbessern und mögliche Barrieren konsequent anzugehen, um das kardiovaskuläre Risiko effektiv zu senken.
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Physiologische Unterschiede im Lipidstoffwechsel
Bei Männern wie bei Frauen ist die Schlüsselrolle der Cholesterinpartikel in den Phasen des Atheroskleroseentstehung hinlänglich bekannt. Eine effektive Reduktion des Low-Density-Lipoprotein-Cholesterins (LDL-C) führt zu einer signifikanten Reduktion der kardiovaskulären (CV) Mortalität und Ereignisraten, was in zahlreichen Endpunktstudien gezeigt wurde [1‐4]. Non-HDL-Cholesterin, welches LDL‑C und Remnant-Lipoproteine umfasst und als Maß für die Gesamtlast atherogener Lipoproteine betrachtet werden kann, steht in nahezu linearem Zusammenhang mit dem Risiko für CV-Ereignisse. Diese Beziehung lässt sich sowohl bei Männern als auch bei Frauen gleichermaßen beobachten [5].
Geschlechterspezifische Unterschiede hinsichtlich des Lipidstoffwechsels sind überwiegend auf hormonelle Unterschiede zurückzuführen. Prämenopausal weisen Frauen, v. a. durch Östrogene bedingt, ein günstigeres Lipidprofil auf als Männer gleichen Alters: höhere Konzentrationen von High-Density-Lipoprotein-Cholesterin (HDL-C), niedrigere Konzentrationen von Triglyceriden (TG), niedrigere Spiegel an Apolipoprotein B (ApoB) sowie LDL‑C. Zudem haben Frauen eher größere LDL-Partikel mit niedrigeren LDL-C-Konzentrationen, wohin gegen Männer eher kleine und dichte LDL-Partikel aufweisen, welche sich ungünstiger auf das CV-Risiko auswirken [6‐8].
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Mit der menopausalen Transition steigt das CV-Risiko bei Frauen jedoch an. Hormonell betrachtet ist dieser Übergang durch einen Anstieg des FSH-Spiegels (Follikelstimuliendes Hormon) gekennzeichnet, der eng mit dem Eintritt in die Menopause assoziiert ist. Gleichzeitig sinken die Östrogenkonzentrationen, was eine Reihe metabolischer Veränderungen auslöst. In der Leber führt dies zu einer reduzierten Dichte der LDL-Rezeptoren und einem Anstieg der Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK-9). Diese Veränderungen begünstigen eine Erhöhung der LDL-C- und ApoB-Spiegel, was wiederum zu einer weiteren Steigerung des CV-Risikos beiträgt [9].
Lipoprotein (a)
Lipoprotein (a) (Lp(a)) ist ein hauptsächlich genetisch determinierter, unabhängiger und kausaler Risikofaktor für CV-Erkrankungen. Lp(a) weist neben dem Apoplipoprotein B-100 auch das Apolipoprotein (a) auf. Letzteres zeigt eine strukturelle Ähnlichkeit zu Plasminogen und könnte damit auch prothrombotische Eigenschaften besitzen [10]. Neben diesen strukturellen Charakteristika transportiert Lp(a) oxidierte Phospholipide, die sowohl inflammatorische Prozesse fördern als auch eine endotheliale Dysfunktion [11, 12].
Lp(a) und LDL‑C bestehen jeweils aus einem ApoB-Partikel, jedoch übersteigt die Atherogenität eines Lp(a)-Partikels die eines LDL‑C um ein Vielfaches [13]. Der Zusammenhang zwischen der Lp(a)-Konzentration und dem atherogenen Risiko ist kontinuierlich ohne wirklichen Grenzwert – je höher das Lp(a), desto höher das Risiko. Verglichen mit einer Lp(a)-Konzentration von 7 mg/dl, haben Personen mit 30, 50, 75, 100 und 150 mg/dl eine Erhöhung des CV-Risikos von 1,22, 1,40, 1,65, 1,95 bzw. 2,72 [14]. In der „Copenhagen General Population Study“, einer großangelegten prospektiven Kohortenstudie, zeigte sich selektiv bei Frauen ein Anstieg der Lp(a)-Konzentrationen im Alter von über fünfzig Jahren. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass bei Frauen im Alter über fünfzig ein erhöhtes Lp(a) häufiger als Risikofaktor anzutreffen ist [15].
Die Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) zur Diagnostik und Therapie der Dyslipidämien empfiehlt, dass eine Bestimmung mindestens einmalig im Leben jedes Erwachsenen erwogen werden sollte (IIa) [16].
Die unterrepräsentierte Teilnahme von Frauen an klinischen Studien ist ein zunehmend diskutiertes Thema.
Auch in den meisten klinischen Studien zur Wirksamkeit von Lipidsenkern sind Frauen unterrepräsentiert. Ein systematischer Review von sechzig Lipidsenker-Studien (1990–2018) zeigte im zeitlichen Verlauf zwar einen Anstieg des Frauenanteils von 19 % (1990–1994) auf 33 % (2015–2018), allerdings fand sich auch bei aktuelleren Studien noch keine ausgeglichene Geschlechterverteilung. Auch in Endpunktstudien mit lipidsenkenden Interventionen zu CV-Erkrankungen und zum Diabetes mellitus sind Frauen unterrepräsentiert. Darüber hinaus wurden auch nur in der Hälfte der randomisiert kontrollierten Studien überhaupt geschlechtergetrennte Analysen vorgenommen [17]. Erfreulicherweise scheint sich der Trend zur ausgeglichenen Geschlechterpartizipation jedoch fortzusetzen. In den gepoolten Daten der ORION-Studien (Inclisiran) und in der CLEAR-Outcomes-Studie (Bempedoinsäure), wurden mit 33 bzw. 49 % zunehmend ein ausgeglichener Anteil von Frauen und Männern eingeschlossen [18, 19].
Therapiealgorithmus nach ESC/EAS
Wenn basierend auf dem LDL-C-Wert und der CV-Risikokategorie eine medikamentöse lipidsenkende Therapie indiziert ist, sollte zunächst ein individueller Zielwert festgelegt werden. Die Behandlung sollte mit einem hochpotenten Statin (Atorvastatin oder Rosuvastatin) begonnen werden und nach ca. zwei bis drei Monaten eine Kontrolle des LDL-C-Wertes erfolgen. Wird der angestrebte LDL-C-Zielwert erreicht, sind jährliche Kontrollen ausreichend. Andernfalls sollte nach maximal verträglicher Statindosis die Hinzunahme von Ezetimib erfolgen. Bleibt auch dann die Zielwerterreichung aus, stehen neben Bempedoinsäure auch PCSK9-Antikörper (Alirocumab/Evolocumab) oder siRNA-basierte PCSK9-Inhibitoren (Inclisiran) als weitere Therapieoptionen zur Verfügung. Unabhängig davon wird zur Optimierung der Präventionsmaßnahmen zu jedem Zeitpunkt eine Lebensstilmodifikation empfohlen, welche unter anderem eine mediterrane Ernährung, regelmäßige körperliche Betätigung sowie Rauchverzicht umfasst. Die ESC-Guidelines empfehlen einheitliche Behandlungsstrategien unabhängig vom Geschlecht [16].
In dem kürzlich erschienenen Positionspapier der ILEP (International Lipid Expert Panel) wird die Bedeutung eines frühzeitigen und intensiven Einsatzes lipidsenkender Therapien (LLTs) hervorgehoben, insbesondere bei Patienten mit CV-Erkrankungen. Bei Patienten mit (sehr) hohem CV-Risiko sollte bereits initial eine Kombinationstherapie in Betracht gezogen werden. Nicht-Statin-LLTs sollten verstärkt zum Einsatz kommen und ein personalisierten Ansatz zur Anpassung der Therapie an individuelle Bedürfnisse angestrebt werden. Zusätzlich sollte die Therapieadhärenz gefördert werden, durch Aufklärung und Maßnahmen zur Vermeidung von Nocebo-Effekten [20].
Effektivität der Medikamente bei Männern und Frauen
Trotz geschlechtsspezifischer physiologischer Unterschiede im Fettstoffwechsel zeigen die bisher verfügbaren lipidsenkenden pharmakologischen Therapien bei Frauen und Männern eine vergleichbare Wirksamkeit. Beispielsweise gibt es keine relevanten geschlechterspezifischen Unterschiede in Hinsicht auf die Effektivität von Statinen auf Lipidparameter und auf die CV-Risikoreduktion [21‐23], auch wenn in der Vergangenheit die Effektivität von Statinen bei Frauen in der Primärprävention angezweifelt wurde. Analog ergaben sich auch für Ezetimib, Bempedoinsäure und PCSK-9-Antikörper vergleichbare Daten zur Wirksamkeit [18, 24‐28].
Unterschiede in der Zielwerterreichung
Obwohl der Benefit einer adäquaten LDL-C-Senkung in der Primär- und Sekundärprävention von CV-Erkrankungen hinreichend belegt ist, konnte in zahlreichen (auch EU-weiten) Querschnitts- und Beobachtungsstudien sowie Registerdaten eine unzureichende Zielwerterreichung dokumentiert werden [29‐33]. Daher besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Leitlinienempfehlungen und deren Umsetzung in der klinischen Praxis. Insbesondere bei Frauen wird eine leitliniengerechte Zielwerterreichung häufig nicht realisiert, wie die Analysen aus EUROASPIRE, dem GOULD-Register und Lipidsnapshot eindeutig belegen [30‐32]. Trotz des bekannten Geschlechtereffekts und intensiver Bemühungen, einschließlich wiederholter Follow-up-Untersuchungen und Therapiemodifikationen, erreichten auch Patientinnen in unserer Lipidambulanz, insbesondere statinintolerante, signifikant seltener das LDL-C-Ziel im Vergleich zu gleichaltrigen Männern [33].
Diese Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit, die Lipidtherapie zu optimieren, beispielsweise durch den gezielten Einsatz von Kombinationstherapien. Eine solche Kombination aus verschiedenen lipidsenkenden Medikamenten verbessert nachweislich die Zielwerterreichung bei Männern und bei Frauen und zeigte sich in mehreren Studien einer Monotherapie überlegen [26, 27, 34, 35]. Aktuelle Konsensuspapiere und Expertenmeinungen haben dieses Thema in ihren Empfehlungen aufgegriffen und sprechen sich für einen frühzeitigeren Einsatz von Kombinationstherapien aus [16, 20, 36].
Barrieren der Zielwerterreichung bei Frauen
Die Barrieren bei der Zielwerterreichung bei Frauen sind vielschichtig und resultieren aus einem komplexen Zusammenspiel sozialer, biologischer und struktureller Faktoren (Abb. 1).
Abb. 1
Barrieren der Zielwerterreichung bei Frauen. CV = kardiovaksulär, GFR = glomeruläre Filtrationsrate
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Unterschätzung des CV-Risikos
Herkömmliche Risikoprädiktionsmodelle unterschätzen das CV-Risiko bei Frauen. Diese Modelle basieren auf Studien, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, was zu einer geringeren Berücksichtigung geschlechterspezifischer Unterschiede führt. Frauenspezifische Risikofaktoren wie eine vor- oder frühzeitige Menopause, Schwangerschaftsassoziierte Komplikationen (z. B. Präeklampsie, Gestationsdiabetes) oder Autoimmunerkrankungen, die bei Frauen häufiger vorkommen und ihr CV-Risiko erhöhen, werden nicht ausreichend berücksichtigt. Der Schutz durch Östrogene während der reproduktiven Phase kann das Risiko für CV-Erkrankungen (CVD) bei jüngeren Frauen vorübergehend senken, wodurch die Risikomodelle das tatsächliche Risiko nach der Menopause oder bei Hormonungleichgewichten (z. B. polyzystisches Ovarialsyndrom – PCOS) nicht adäquat erfassen. CVD werden bei Frauen oft später diagnostiziert, da die Symptome bei Frauen häufig atypischer verlaufen können, was insbesondere auch für Brustschmerzen gilt. Historische Datensätze, die zur Entwicklung vieler Risikomodelle verwendet wurden (z. B. Framingham-Score), stammen aus Populationen mit unzureichender Repräsentation jüngerer Frauen. Beispielsweise werden Hochrisikofrauen unter 40 Jahren häufig nicht gut erkannt, da vorhandene Tools für Frauen über fünfzig entwickelt und validiert wurden. Zudem entwickeln Frauen CV-Ereignisse i. d. R. deutlich später als Männer, was dazu führen kann, dass ihr Risiko in jüngeren Jahren systematisch unterschätzt wird [37, 38]. Auch werden die Risikoprädiktionsmodelle nicht dynamisch an Veränderungen im Lebenslauf angepasst, wie z. B. die Risikofaktorentwicklung nach der Menopause oder Lebensstilveränderungen. Ärztinnen und Ärzte tendieren auch in der Praxis dazu, dass CV-Risiko bei Frauen zu unterschätzen. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass bei Frauen seltener eine Statinverordnung erfolgt als bei Männern, selbst bei gleicher CV-Risikokonstellation [39‐41].
Unterschiede Statinverordnung und Statinadhärenz
Nach einem Herzinfarkt erhalten Frauen – unabhängig von der Vorbehandlung – seltener Statine als männliche Patienten [41, 42]. In einer Studie von Nanna et al., welche weit über 5000 Patienten mit Indikation für eine Statintherapie betrachtete, wurden Frauen ebenfalls seltener mit einem Statin behandelt. Dabei wurde Frauen einerseits seltener eine Statintherapie empfohlen, andererseits lehnten sie diese häufiger ab und beendeten eine bereits begonnene Therapie häufiger als Männer [40]. Hinsichtlich psychologischer Hintergründe wurde in der Studie von Nanna et al. festgehalten, dass Männer eher Vorteile einer Statintherapie anerkennen, während Frauen eher Bedenken und Ängste hinsichtlich Nebenwirkungen der Therapie in den Vordergrund stellen [40].
Allerdings beklagen Frauen unter einer Statintherapie tatsächlich auch häufiger Nebenwirkungen. In zahlreichen Untersuchungen ist das weibliche Geschlecht prädiktiv für eine Statin-assoziierte Myopathie [43].
Statinintoleranz
Eine 176 Studien umfassende Metaanalyse zur Prävalenz einer Statinintoleranz konnte das weibliche Geschlecht als relevantesten Risikofaktor für eine Statinintoleranz identifizieren [44]. Die USAGE-Studie (Understanding Statin Use in America and Gaps in Patient Education) zeigte, dass neue oder sich verschlechternde Muskelsymptome bei Frauen eine Hauptursache für eine reduzierte Medikamentenadhärenz waren [45].
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Das häufigere Auftreten einer Statinintoleranz könnte z. B. auf ein geringeres Körperverteilungsvolumen oder einen höheren Fettmasseanteil zurückzuführen sein, der die Verteilung lipophiler Medikamente wie Statine beeinflusst. Zudem weisen Frauen durchschnittlich eine geringe glomeruläre Filtrationsrate (GFR) auf und variable Steroidhormonspiegel durch Zyklus und Menopause beeinflussen Körperwasser, renalen Blutfluss und GFR [46].
Eine Statinintoleranz sollte jedoch nicht vorschnell diagnostiziert werden. Die oben genannte umfassende Metaanalyse, die über 4 Mio. Patienten einbezog, zeigte, dass die tatsächliche Rate der Statinintoleranz lediglich bei 6–10 % liegt, und verdeutlicht, dass die Häufigkeit einer Statinintoleranz häufig überschätzt wird [44].
Dies bestätigen auch eigene Analysen aus einer spezialisierten Lipidambulanz. Viele initial mutmaßlich statinintolerante Patienten konnten häufig erfolgreich auf eine Statintherapie eingestellt werden. Zudem erlauben heutzutage alternative Wirkstoffe und kombinierte Behandlungsansätze bei vielen Patienten eine Zielwerterreichung [33].
Schwangerschaft und Stillzeit
Physiologisch ist während einer Schwangerschaft ein Anstieg der Lipidwerte zu beobachten: LDL‑C erhöht sich um 30–50 %, HDL‑C um 20–40 % und die TG um 50–100 %. Für eine Dyslipidämie während der Schwangerschaft konnten Assoziationen mit maternalen Komplikationen (z. B. Präeklampsie, Gestationsdiabetes) und fetalen Komplikationen (z. B. Frühgeburtlichkeit, präatherosklerotische Veränderungen) nachgewiesen werden [47]. Gleichzeitig beeinträchtigen Schwangerschaft und Stillzeit die Zielwerterreichung aufgrund eingeschränkter Behandlungsmöglichkeiten während dieses Zeitraums. Statine, Ezetimib, Bempedoinsäure und PCSK9-Hemmer sind in dieser Zeit kontraindiziert, sodass eine Therapie bei Schwangerschaftswunsch rechtzeitig unterbrochen werden sollte (1–2 Monate vor Konzeption). In den letzten Jahren hat sich die strikte Kontraindikation für Statine jedoch etwas relativiert. So hat 2021 die FDA (US Food and Drug Administration) das bis dahin geltende strikte Anwendungsverbot für Statine während der Schwangerschaft abgemildert [48]. Dies geschah auf Grund neuer Studienerkenntnisse, die keine teratogenen Effekte oder relevanten Schwangerschaftskomplikationen zeigten [49‐51]. Für Hochrisikopatientinnen kann eine individuelle Statintherapie unter Umständen erwogen werden [48]. In Deutschland gilt weiterhin, dass Statine während Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert sind. In Ausnahmefällen kann jedoch nach strenger Aufklärung und sorgfältiger individueller Nutzen-Risiko-Abwägung die Medikation fortgeführt werden.
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Fazit für die Praxis
Um die lipidsenkende Therapie zu optimieren und die Lücke zwischen Leitlinienempfehlungen und klinischer Praxis zu schließen, sollten einerseits lipidsenkende Therapien frühzeitiger eingeleitet und andererseits verstärkt Kombinationstherapien eingesetzt werden. Das frühzeitige Erkennen und die konsequente Behandlung von kardiovaskulären Risikofaktoren, insbesondere eines erhöhten Low-Density-Lipoprotein-Cholesterins (LDL-C), erfordern ein gesteigertes Bewusstsein sowohl bei Ärzten als auch bei Patienten. Bei der Erstverschreibung einer lipidsenkenden Therapie ist ein ausführliches Gespräch mit Patienten essenziell. In diesem sollten die Notwendigkeit und Zielsetzung der Therapie klar erläutert sowie mögliche Zweifel und Sorgen des Patienten besprochen werden. Zu Beginn der Behandlung empfiehlt sich eine zeitnahe Verlaufskontrolle (nach ca. 2 Monaten), um die LDL-Senkung zu überprüfen und die Therapie anzupassen. Auch im weiteren Verlauf sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen und eine langfristige Betreuung notwendig, um die Adhärenz zur Therapie sicherzustellen. Dies stärkt die Eigenverantwortung der Patienten und fördert nachhaltig die Lebensstilveränderungen. Insbesondere bei Frauen stellen Statinintoleranz und die Verbesserung der Therapieadhärenz größere Herausforderungen dar als bei Männern. Ein individuell abgestimmtes Vorgehen kann dazu beitragen, diese geschlechtsspezifischen Hürden zu überwinden und die Therapieergebnisse zu verbessern.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
Prof. A. Baessler erhielt Vortragshonorare, Reisekosten- beziehungsweise Kongressgebührenübernahme von Sanofi Aventis, AMGEN, Novartis, Daiichi Sankyo, Amarin, Pfizer, Bristol Myers Squibb und Beraterhonorare von AMGEN, Sanofi, Daiichi Sankyo, Novartis, Amarin und Pfizer. M. A. Muck gibt keine Interessenkonflikte an.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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