Systemische rheumatologische Erkrankungen umfassen eine große Gruppe heterogener Krankheitsbilder, die sich durch eine Inflammation in diversen Organen auszeichnen können. Diese Erkrankungen sind hauptsächlich durch einen chronischen Krankheitsverlauf charakterisiert, dennoch können sie auch durch akute, teils fulminant verlaufende Krankheitsexazerbationen in Erscheinung treten. Das bessere pathophysiologische Verständnis systemischer rheumatologischer Erkrankungen sowie die Etablierung neuer immunsuppressiver und immunmodulatorischer Therapien haben zu einer dramatischen Besserung im Hinblick auf das Ergebnis bzw. die Prognose betroffener Patienten geführt. Trotz dieser Fortschritte besteht bei rheumatologischen Patienten ein erhöhtes Risiko, im Krankheitsverlauf eine intensivmedizinische Betreuung in Anspruch nehmen zu müssen [
1]. Insgesamt gibt es nur wenig Daten bzw. publizierte Studien zu rheumatologischen Patienten auf der Intensivstation. Hinzu kommt, dass diese ausschließlich retrospektiven Studien oft heterogene Patientenpopulationen beschreiben, was zu teils widersprüchlichen Resultaten führt und einen Vergleich letztendlich unmöglich macht. Im folgenden Artikel wird versucht, die vorhandenen Daten zusammengefasst wiederzugeben, um so einen umfassenden Überblick über die Thematik zu geben.
Epidemiologie
In älteren Studien um die Jahrtausendwende wird die rheumatoide Arthritis noch als häufigste rheumatologische Entität auf der Intensivstation beschrieben. Gemäß aktuellen Ergebnissen großer retrospektiver Studien der letzten 10 Jahre aus Frankreich und Österreich sind mittlerweile Kollagenosen (30–63 %; allen voran der systemische Lupus erythematodes) und Vaskulitiden (9–29 %; in erster Linie ANCA-assoziierte Vaskulitiden) die häufigsten systemischen rheumatologischen Erkrankungen auf der Intensivstation [
2‐
5]. Dies dürfte vor allem mit den therapeutischen Fortschritten bei der rheumatoiden Arthritis erklärbar sein. Interessanterweise wird die Diagnose einer systemischen rheumatologischen Erkrankung bei 10–15 % der betroffenen Patienten erstmals auf der Intensivstation gestellt [
3].
Risikofaktoren
Als Risikofaktoren für die Aufnahme auf die Intensivstation werden bei rheumatologischen Patienten klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren (Alter, Rauchen, Hyperlipidämie oder männliches Geschlecht), Komorbiditäten (chronische Niereninsuffizienz, chronische Lungenerkrankungen), eine erhöhte Krankheitsaktivität, der Nachweis eines Rheumafaktors bzw. Antikörpers gegen zyklisches citrulliniertes Peptid sowie die langfristige Gabe von mehr als 5 mg Prednisolon pro Tag genannt. Eine suffiziente Kontrolle der Krankheitsaktivität durch „disease-modifying anti-rheumatic drugs“ (DMARDs) wird hingegen als protektiver Faktor gesehen [
6‐
10].
All diese Daten zu den genannten Risikofaktoren müssen jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, da sie hauptsächlich aus Studien über Patienten mit rheumatoider Arthritis gewonnen wurden. Eindeutige Risikofaktoren zu Patienten mit Kollagenosen bzw. Vaskulitiden konnten aufgrund der niedrigen Fallzahlen bzw. der geringen Datenlage nicht eruiert werden.
Indikation für die Aufnahme auf eine Intensivstation (siehe Infobox 1)
Die Ursachen für die Entwicklung eines kritischen Zustandsbildes mit der Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Betreuung bei Patienten mit systemisch rheumatologischer können grob in drei Kategorien unterteilt werden:
-
Infektionen unter einer laufenden immunsuppressiven bzw. immunmodulatorischen Therapie (z. B. Pneumonie, Sepsis).
-
Krankheitsassoziierte Endorganschädigung bei akuter Exazerbation der rheumatologischen Grunderkrankung.
-
Medikamentös-toxische Nebenwirkungen der laufenden immunsuppressiven bzw. immunmodulatorischen Therapie.
Infektiöse Komplikationen und die Exazerbation der Grunderkrankung stehen dabei mit einer Frequenz von 60–90 % im Vordergrund [
3‐
5]. Es sei jedoch angemerkt, dass im klinischen Alltag eine Unterscheidung dieser zwei Kategorien bei Aufnahme auf die Intensivstation oft nicht eindeutig möglich ist. Da diese Differenzierung (Infektion vs. Exazerbation) jedoch weitreichende Folgen hinsichtlich der kausalen Therapie hat, kann gerade zu Beginn der intensivmedizinischen Therapie meist nur ein polypragmatischer Ansatz gewählt werden, bei dem eine immunsuppressive Therapie bei gleichzeitiger breiter antimikrobieller Abschirmung etabliert wird, bis die korrekte Diagnose gestellt werden kann.
Aufgrund des multiplen Organbefalls systemisch rheumatischer Erkrankungen finden sich diverse Indikationen für eine Aufnahme auf die Intensivstation. Das respiratorische Versagen (30–50 %) sowie der Kreislaufschock (20–45 %; allen voran der septische Schock) werden dabei durchwegs als häufigste Gründe beschrieben [
3‐
5]. Als weit seltenere Indikationen werden kardiale Ursachen (z. B. Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Lungenödem), das akute Nierenversagen und neurologische Komplikationen genannt [
3‐
5]. Bei einem Großteil der Patienten liegen jedoch mehrere Aufnahmegründe vor, die eine intensivmedizinische Betreuung rechtfertigen.
Intensivmedizinische Therapien (siehe Infobox 2)
Auf der Intensivstation selbst stehen viele invasive und weniger invasive Therapieverfahren zur Verfügung, um Organsysteme zu unterstützen bzw. zu ersetzen. Die Häufigkeit gewisser Therapieverfahren spiegelt sich dabei in den oben genannten Aufnahmegründen wider. In 50–60 % der Fälle ist aufgrund einer respiratorischen Insuffizienz eine Intubation mit anschließender invasiver mechanischer Beatmung notwendig [
3‐
5].
Bei Kreislaufversagen bzw. Schockgeschehen werden in 35–70 % vasoaktive Substanzen (i.e. Noradrenalin, Vasopressin) verabreicht [
3‐
5]. Bei akutem bzw. akut auf chronischem Nierenversagen muss in 30–40 % der Fälle eine Dialysetherapie etabliert werden [
3‐
5]. Der Einsatz einer ECMO beschränkt sich auf große Zentren mit ausreichender Erfahrung. In der Literatur wird ihr Einsatz mit einer Häufigkeit von 8–12 % beschrieben [
3‐
5]. Dabei wird jedoch nicht differenziert, ob die ECMO als Lungenersatzverfahren (= venovenöse ECMO) oder zur Kreislaufunterstützung (= venoarterielle ECMO) eingesetzt wurde. Insgesamt ist der Einsatz der ECMO bei Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen jedoch mit hohen Mortalitätsraten (40–50 %) assoziiert [
11].
Die rezentesten Daten einer retrospektiven Studie aus Frankreich suggerieren sogar, dass eine ECMO-Therapie nur bei Patienten mit diffuser alveolärer Hämorrhagie im Rahmen von Kleingefäßvaskulitiden bis zum Wirkeintritt der Immunsuppression sinnvoll eingesetzt werden kann. Ein „bridging to destination“ ohne definiertes Therapieziel sollte vermieden werden [
11‐
14].
Die kausale Therapie hängt im Wesentlichen vom Grund der akuten Verschlechterung ab. Bei infektiologischer Ursache steht uns dementsprechend das ganze Armamentarium der antimikrobiellen Therapie zur Verfügung, wobei ein direkter Erregernachweis im Zuge einer breiten mikrobiologischen Diagnostik essenziell ist. Bei einer akuten Exazerbation der rheumatologischen Grunderkrankung kommen die klassischen immunsuppressiven Therapien (i.e. Kortison, Immunsuppressiva, Biologika und zytotoxische Medikamente) zum Einsatz. Zu anderen immunmodulatorischen Therapien wie intravenösen Immunglobulinen fehlen valide Daten, die deren Einsatz auf der Intensivstation rechtfertigen würden. In spezifischen Situationen (i.e. Makrophagenaktivierungssyndrom, „catastrophic antiphospholipid syndrome“) kann deren Verabreichung aber durchaus diskutiert werden [
15,
16].
Als spezifisches extrakorporales Verfahren für autoimmunologische Prozesse steht die Plasmapherese zur Verfügung. Dabei werden Plasmabestandteilen mit hohem Molekulargewicht (Autoantikörper, Komplementfaktoren, Kryoglobuline, Gerinnungsfaktoren) im Austausch gegen Humanalbumin entfernt, wodurch die systemische Entzündungsreaktion gebremst werden soll [
17]. Der Einsatz der Plasmapherese bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden wurde in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. Die 2020 publizierte PEXIVAS-Studie lieferte valide Daten darüber, dass die Plasmapherese keinen Vorteil in Bezug auf die Endpunkte Nierenversagen und Tod im Vergleich zu einer konservativen Therapie brachte [
18].
Ähnlich verhält es sich beim systemischen Lupus erythematodes, zu dem bislang ebenfalls nur widersprüchliche Daten publiziert worden sind. Zusammenfassend sollte sich der Einsatz der Plasmapherese auf spezifische Indikationen (Goodpasture-Syndrom, kryoglobulinämische Vaskulitis) und Situationen (Kontraindikation für Immunsuppression bei z. B. Schwangerschaft) bzw. bei therapierefraktären Verläufen als Rettungstherapie beschränken [
19,
20]. Insgesamt ist die Datenlage diesbezüglich jedoch sehr dünn und entsprechende Therapieentscheidung sollten immer im interdisziplinären Setting zusammen mit Rheumatologen und Intensivmedizinern getroffen werden.
Makrophagenaktivierungssyndrom
Das Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) stellt eine schwere, lebensbedrohliche Komplikation dar, bei der eine überschießende Reaktion des angeborenen Immunsystems, allen voran NK-Zellen, zu einem raschen hämodynamischen Schockgeschehen führen, das mitunter im Rahmen von immunmediierten rheumatologischen, aber auch hämatologischen und infektiologischen Erkrankungen vorkommen kann [
21,
22]. Oftmals herrscht große Verwirrung hinsichtlich der Terminologie: Während das Makrophagenaktivierungssyndrom und die hämophagozytische Lymphohistiozytose einen grundlegend ähnlichen Prozess beschreiben, wird erstere Begrifflichkeit in der Regel nur im Zusammenhang mit rheumatologischen Erkrankungen verwendet. Hier wird es am häufigsten im Zusammenhang mit der systemischen Verlaufsform eines adulten Morbus Still beobachtet [
22].
Neben der hämodynamischen Kompromittierung umfassen klassische Symptome ein nicht remittierendes Fieber, eine Hepatosplenomegalie und eine Panzytopenie. Laborchemisch finden sich oftmals ein deutlich erhöhter Ferritin-Spiegel, wobei hier bei der Interpretation Vorsicht geboten ist, da es sich oftmals um eine gewöhnliche Akute-Phase-Reaktion handelt. Zusätzlich lassen sich erhöhte Transaminasen und Triglyzeride feststellen. Oftmals sind auch erniedrigte Fibrinogen-Spiegel nachweisbar. Die namensgebende Hämophagozytose im Knochenmarksausstrich stellt – dies sei angemerkt – ein lediglich fakultativ präsentes Zeichen eines MAS dar, muss aber keineswegs immer vorhanden sein [
21,
22].
Therapeutisch stützen sich die meisten Strategien auf empirische Erfahrungswerte und eminenzbasierte Empfehlungen: Neben Steroiden und intravenösen Immunglobulinen zeigen der Interleukin-1-Inhibitor Anakinra und der Januskinase-Inhibitor Ruxolitinib gute Behandlungserfolge. Die Prognose mit einer Mortalität von bis zu 50 % ist besonders bei verzögertem Therapiestart denkbar schlecht.
Klinisches Outcome (siehe Infobox 3)
Neben klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie Alter, Rauchen, Hyperlipidämie und männlichem Geschlecht, stellen vor allem eine unkontrollierte Krankheitsaktivität der rheumatologischen Grunderkrankung sowie der Nachweis von Autoantikörpern Faktoren dar, die das Risiko für einen intensivmedizinischen Aufenthalt erhöhen. Ebenso stellen Steroiddosen von bereits mehr als 5 mg täglich einen unabhängigen Risikofaktor dar. Vice versa zeigt eine DMARD-Therapie eine gute Kontrolle der Krankheitsaktivität und einen protektiven Effekt [
3,
9,
23‐
25].
Ähnlich verhält es sich, wenn man Risikofaktoren für ein Überleben des intensivmedizinischen Verlaufs betrachtet: Während die Grunderkrankung per se für eine gewisse Morbidität und Mortalität prädisponiert – der systemische Lupus erythematodes und die ANCA-assoziierten Vaskulitiden zeigen einen in der Regel schlechteren Verlauf als chronisch entzündliche Gelenkserkrankungen –, finden sich auch hier eine Steroidtherapie als negativ und eine DMARD-Behandlung als positiv prädiktiver Faktor. Auch ein direkter Transfer auf die Intensivstation ohne protrahierten Verlauf auf der Normalstation zeigt höhere Überlebensraten [
3,
9,
23‐
25].
In der Literatur finden sich stark differierende Ergebnisdaten zu Patienten mit systemischen rheumatologischen Erkrankungen auf der Intensivstation. Fasst man alle vorhandenen Studien zusammen, so zeigt sich eine Mortalitätsrate zwischen 11 und 79 % [
1,
3‐
5,
26,
27]. Dieser Umstand erklärt sich teils durch die inhomogenen Patientenpopulationen und teils durch die niedrigen Fallzahlen besagter Studien. Beschränkt man sich auf die rezentesten Studien mit großen Fallzahlen und vergleichbaren Patientenkollektiven, zeigen sich jedoch Mortalitätsraten von 20–25 % und damit ein vergleichbarer Wert wie bei anderen nicht rheumatologischen internistischen Patienten [
3‐
5]. Anders verhält es sich hier hingegen beim langfristigen Ergebnis. Es zeigt sich eine deutlich erhöhte Ein- bzw. Dreijahressterblichkeit nach Entlassung aus dem Krankenhaus gegenüber der Normalbevölkerung [
24].
Fazit für die Praxis
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Patienten mit systemischen rheumatologischen Erkrankungen stellen ein seltenes aber hochkomplexes Patientenkollektiv auf der Intensivstation dar.
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Aufgrund des Mangels an prospektiven Studien in Bezug auf adäquate Diagnostik und Therapie können derzeit leider keine allgemein gültigen Empfehlungen zur Betreuung dieser Patienten gemacht werden.
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An oberster Stelle sollte ein multidisziplinäres Behandlungsteam bestehend aus Intensivmedizinern, Rheumatologen und Infektiologen stehen, um eine optimale Therapie für den individuellen Patienten anbieten zu können.
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Eine bessere Charakterisierung kritisch kranker Patienten mit systemischen rheumatologischen Erkrankungen anhand nationaler und internationaler Register wird in Zukunft zu einer Optimierung in der Behandlung führen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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