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Das Schilddrüsenkarzinom – Epidemiologie, Diagnostik und Therapie

  • Open Access
  • 29.10.2025
  • Originalien

Zusammenfassung

Das Schilddrüsenkarzinom weist eine steigende Inzidenz auf, was vor allem auf eine verbesserte Diagnostik – insbesondere durch die hochauflösende Sonographie– zurückzuführen ist. Die häufigste Form ist das papilläre Karzinom, gefolgt vom follikulären, medullären und raren anaplastischen Karzinom. Eine genaue Anamnese, klinische Untersuchung sowie die Bestimmung von Thyreoidea-stimulierendem Hormon (TSH), Trijodthyronin (fT3)/Thyroxin (fT4) und Calcitonin bilden die Basis der Diagnostik. Die Sonographie mit ACR-TIRADS-Kriterien (Thyroid Imaging Reporting & Data System des American College of Radiologiy) liefert entscheidende Hinweise zur Risikoeinschätzung, im Jodmangelgebiet Mitteleuropa ist die Sensitivität der TIRADS-Kriterien allerdings etwas niedriger als in Gebieten mit ausreichender Jodversorgung. Die Szintigraphie dient zum Ausschluss autonomer, fast ausschließlich gutartiger Knoten, die in der Sonographie ebenfalls hohe TIRADS-Scores aufweisen können. Bei sonographisch suspekten, nicht-autonomen Knoten erfolgt eine Feinnadelpunktion, jedoch nur bei unauffälligem Calcitonin.
Therapeutisch steht meist die totale Thyreoidektomie im Vordergrund, wobei bei kleinen Tumoren ohne Hinweis auf Metastasierung ggf. eine Lobektomie ausreicht. Die Radiojodtherapie folgt streng postoperativ bei differenzierten Karzinomen zur Ablation jodspeichernden Gewebes und ermöglicht eine gezielte Tumornachsorge über den Marker Thyreoglobulin. Medulläre Karzinome erfordern eine Thyreoidektomie mit Lymphknotendissektion; Radiojod hat hier keinen Einfluss. Das hochaggressive anaplastische Karzinom erfordert ein rasches Behandlungsvorgehen.
Die Nachsorge des differenzierten und medullären Schilddrüsenkarzinoms erfolgt mittels Tumormarker-Überwachung, sonographischer Verlaufskontrollen und ggf. weiterer Bildgebung (z. B. konventionelle Bildgebung, PET-CT oder Ganzkörperszintigraphie).
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Epidemiologie

Das Schilddrüsenkarzinom gehört zu den Krebserkrankungen mit steigender Inzidenz. In Europa liegt die Inzidenz bei Frauen bei 9,3 und bei Männern bei 3,1 Fällen pro 100.000 Personenjahren, wobei sie in Österreich mit rund 12,5 Fällen pro 100.000 Personenjahren leicht über dem Durchschnitt liegt [1].
Der Anstieg ist vor allem auf die bessere Diagnostik zurückzuführen – insbesondere auf die vermehrte Anwendung der Schilddrüsensonographie im Rahmen von Routineuntersuchungen – sowie auf Zufallsbefunde im Rahmen histologischer Aufarbeitungen [2].
Das mittlere Erkrankungsalter variiert in Abhängigkeit von der Tumorart und deren Ätiologie. Sporadische medulläre Schilddrüsenkarzinome treten gehäuft zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf, medulläre Karzinome im Rahmen hereditärer Syndrome deutlich früher. Papilläre Schilddrüsenkarzinome werden meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr diagnostiziert, follikuläre durchschnittlich im 60. Lebensjahr und anaplastische ab dem 60. Lebensjahr [36]. Das Schilddrüsenkarzinom zählt zu den häufigsten malignen Erkrankungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 40 Jahren [7].

Risikofaktoren

Die Risikofaktoren sind vielfältig. Ein gut dokumentierter Risikofaktor ist eine vorangegangene Strahlenexposition – insbesondere im Halsbereich. Auch scheint eine stattgehabte Transplantation eines soliden Organs das Risiko zu erhöhen, ebenso eine vorbestehende Hashimoto-Thyreoiditis, was jedoch auch durch häufigere sonographische Kontrollen bedingt sein könnte [810].

Genetische Faktoren

Die meisten Schilddrüsenkarzinome treten sporadisch auf.
Vor allem differenzierte Karzinome sind nur in seltenen Fällen genetisch bedingt, beispielhalber im Rahmen eines DICER1-Syndroms oder bei Vorliegen einer Familiären Adenomatösen Polyposis [11, 12].
Das medulläre Schilddrüsenkarzinom ist in etwa 25 % der Fälle familiär bedingt. Das häufigste genetische Syndrom ist die Multiple Endokrine Neoplasie Typ II [13].

Einteilung der Schilddrüsenkarzinome

Die Unterscheidung basiert auf dem Ursprungsgewebe: Den Ursprung im endodermalen Follikelepithel der Schilddrüse haben das papilläre, das follikuläre sowie das anaplastische Karzinom (ATC). Das medulläre Karzinom entspringt den neuroendokrinen, parafollikulären C‑Zellen [14, 15].
Die Karzinome der Follikelepithelzellen können in differenzierte (papilläre bzw. follikuläre), gering differenzierte sowie undifferenzierte (anaplastische) Tumoren unterteilt werden [7]. Ein Überblick über die verschiedenen Schilddrüsenkarzinomarten ist in Tab. 1 dargestellt.

Epidemiologie der Subtypen

Das papilläre Schilddrüsenkarzinom ist mit 70–84 % das häufigste Karzinom, gefolgt vom follikulären (10–12 %) und medullären Karzinom (2–8 %). Eine absolute Rarität stellt das anaplastische Karzinom dar (1–2 %). Während Frauen häufiger von papillären Karzinomen betroffen sind, scheinen alle anderen Arten häufiger beim Mann aufzutreten [7, 1618].

Metastasierung

Das papilläre Schilddrüsenkarzinom metastasiert primär lymphogen in zervikale Lymphknoten, selten treten pulmonale Metastasen auf. Follikuläre Karzinome tendieren zu einer hämatogenen Metastasierung in die Lunge oder Knochen. Das medulläre Karzinom kann in die zervikalen Lymphknoten, jedoch auch in Leber, Lunge oder Knochen metastasieren. Beim anaplastischen Karzinom treten häufig lokale Metastasen sowie Fernmetastasen auf, meist in Lunge und Knochen, selten auch im Gehirn [15, 19].

Diagnostik

Die Diagnostik beruht auf einer Kombination aus Anamnese, klinischer Untersuchung, Labordiagnostik, bildgebenden Verfahren, ggfs. Feinnadelpunktion sowie der histologischen Aufarbeitung.

Anamnese und klinische Untersuchung

Die Anamnese inkludiert das Erfragen von spezifischen Risikofaktoren: neu aufgetretene oder rasch wachsende Raumforderungen im Halsbereich, Strahlenexpositionen, Familienanamnese sowie lokale Beschwerden, z. B. Heiserkeit oder Dysphagie [20].
Die klinische Untersuchung konzentriert sich auf die Palpation der Schilddrüse und der zervikalen Lymphknoten. Eine derbe, höckrige oder nicht schluckverschiebliche Schilddrüse kann auf eine maligne Veränderung hinweisen, ebenso eine tastbare Lymphadenopathie oder mechanische Symptome, z. B. Stridor. Viele Tumore bleiben asymptomatisch und sind Zufallsbefunde [15, 20].

Labor

Jede routinemäßige Schilddrüsenuntersuchung inkludiert die Bestimmung von Thyroidea-stimulierendem TSH und ggf. Trijodthyronin (fT3) bzw. Thyroxin (fT4) bei einem pathologischen TSH-Wert. In Zentren erfolgt darüber hinaus bei Auffälligkeiten die Bestimmung der Schilddrüsenautoantikörper.

Differenzierte Schilddrüsenkarzinome (DTC)

Für DTCs existiert kein präoperativer Tumormarker. Thyreoglobulin ist bei thyreoidektomierten, radiojodtherapierten Patient*innen ein hochsensitiver, postoperativer Tumormarker, hat jedoch in der Primärdiagnostik keinen Stellenwert zur Dignitätsbeurteilung.

Medulläre Schilddrüsenkarzinome (MTC)

Calcitonin.
Der basale Calcitonin-Wert ist ein spezifischer Tumormarker für das MTC. Seine Bestimmung ist essenziell bei Schilddrüsenknoten und spielt eine zentrale Rolle bei der Diagnosesicherung, der Einschätzung der Tumorlast sowie der Verlaufsdokumentation. Ab dem Grenzwert von über 30 pg/ml bei Frauen bzw. über 60 pg/ml bei Männern ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines MTCs so hoch, dass eine Operation empfohlen wird [18, 21, 22].
Bei Werten über 85 pg/ml (Patientinnen) bzw. über 100 pg/ml (Patienten) steigt zudem das Risiko für das Vorliegen von zervikalen Lymphknotenmetastasen [23].
Potenzielle Störfaktoren, wie fehlende Nüchternheit, die Einnahme eines Protonenpumpeninhibitors oder Nikotinabusus, müssen berücksichtig werden, da diese zu falsch-hohen Werten führen können [24].
Der Kalzium-Stimulationstest bei erhöhtem basalen Calcitonin verliert zunehmend an Bedeutung, kann aber in bestimmten Fällen hilfreich sein [18].
Genetische Testung.
Bei hochgradigem Verdacht auf ein MTC kann bereits präoperativ, zumindest sollte aber postoperativ, eine Keimbahn-Analyse des RET-Gens erfolgen [25].

Sonographie

Die hochauflösende Sonographie ist das zentrale bildgebende Verfahren zur Dignitätsbeurteilung von Knoten mit hoher Sensitivität.
Zur Einschätzung des Malignitätsrisikos beim papillären und eingeschränkt auch beim medullären Karzinom werden verschiedene Systeme zur Dignitätsbeurteilung verwendet.
Nachdem 2009 parallel von Horvath [26] und Park [27] erste TIRADS-Klassifikationen (Thyroid Imaging Reporting & Data System) vorgestellt wurden, folgten verschiedene weitere Konzepte zur Dignitätsbeurteilung von Schilddrüsenknoten: TIRADS-Kwak [28], ATA 2015 [29], EU-TIRADS [30], ACR-TIRADS [31] sowie K‑TIRADS [32] und C‑TIRADS [33], welche heute am häufigsten verwendeten werden. 2023 wurde ein Ultraschall-Lexikon als International (I-)TIRADS veröffentlicht [34]. Unter den verschiedenen Klassifikationssystemen zur Dignitätsbeurteilung hat sich die TIRADS-Klassifikation des American College of Radiology (ACR-TIRADS) als besonders hilfreich herauskristallisiert [35].
Online-Rechner helfen bei der Berechnung des ACR-TIRADS-Scores [36].
Hochsuspekt sind echoarme, unregelmäßig begrenzte, infiltrierend wachsende, solide Knoten mit Mikrokalzifikationen sowie dem „taller than wide“-Phänomen [31].
Die Sonographie sollte auch eine Begutachtung der zervikalen Lymphknoten beinhalten. So kann bereits präoperativ der Verdacht auf eine Lymphknotenmetastasierung gestellt und somit das weitere Vorgehen angepasst werden.

Szintigraphie

Mithilfe der Schilddrüsenszintigraphie mit Technetium-99m oder, in bestimmten Fällen, mit Jod-123 kann eine funktionelle Komponente ergänzt werden. Die optimale Interpretation einer Szintigraphie ist nur in Kenntnis des sonographischen Befundes möglich [37, 38]. Aufgrund des begrenzten Auflösungsvermögens ist sie erst bei Knoten ab 10 mm indiziert [39].
Hypofunktionelle („kalte“), sonographisch suspekte Knoten erfordern eine weitere Abklärung [38, 40]. Annähernd 5 % aller kalten Knoten sind tatsächlich maligne [41].
Szintigraphisch autonome („heiße“) Knoten erfordern keine Punktion, da sie praktisch nie maligne sind [37, 42]. Sie beeinflussen jedoch in Jodmangelgebieten wie Österreich die diagnostische Wertigkeit der sonographischen TIRADS-Scores, mit denen ein Ausschluss autonomer Knoten nicht möglich ist. Aus diesem Grund hat die Szintigraphie trotz der zunehmenden Relevanz der TIRADS-Klassifikationen einen wichtigen Stellenwert, um heiße Knoten auszuschließen [42].

Feinnadelpunktion (FNP)

Die FNP ist bei sonographisch suspekten, nicht-autonomen Knoten indiziert und ist eine einfach durchzuführende Methode mit hoher Spezifität [43]. Bei einem hochsuspekten Befund kann eine Operation auch ohne vorherige Punktion empfohlen werden [44].
Der zytologische Befund wird anhand des Bethesda-Systems oder der Klassifikation der Österreichischen Gesellschaft für Zytologie (ÖGZ) bewertet. Hier reicht die Beurteilung von ÖGZ A/Bethesda II (gutartig) bis ÖGZ C/Bethesda VI (maligne) [45, 46].
Bei erhöhtem Calcitonin ist eine FNP kontraindiziert, da durch die Punktion eine regeneratorische Bindegewebsreaktion entsteht, welche histologisch nicht mehr von einer neoplastischen Bindegewebsbildung unterschieden werden kann. Beim MTC ist das Vorhandensein einer neoplastischen Stromadesmoplasie mit einem schlechteren Outcome assoziiert [47].

Therapie

Die Therapie richtet sich nach dem histologischen Subtyp, dem Tumorstadium und dem Rezidiv- bzw. Risikoprofil und folgt aktuellen Leitlinien. Kürzlich wurde die neue S3-Leitlinie zum Schilddrüsenkarzinom veröffentlicht, welche die Grundlage der in dieser Übersicht vorgestellten Konzepte ist [18]. Weitere wichtige und aktuelle Leitlinien wurden 2025 von der amerikanischen [48] und 2023 von der europäischen [49] Schilddrüsengesellschaft vorgestellt.

Operation

DTC

Das Operationsausmaß sowie die Notwendigkeit einer Lymphadenektomie hängen von der präoperativen Diagnostik und dem Gefrierschnitt bzw. der endgültigen histologischen Aufarbeitung ab. Je nach Befund kann eine zentrale bzw. laterale Lymphadenektomie oder eine Neck Dissection erforderlich sein [18].
Bei unifokalen Mikrokarzinomen ohne Risikofaktoren bzw. ohne Hinweis auf Lymphknotenmetastasierung oder Gefäßinvasion sowie beim minimalinvasiven follikulären Schilddrüsenkarzinom ohne Kapselinvasion (< 4 cm) wird eine Hemithyreoidektomie empfohlen [18, 48, 50, 51].
Bei papillären Karzinomen über 1 cm, bei Multifokalität, Metastasierung, Kapselüberschreitung oder aggressiven histologischen bzw. genetischen Varianten ist eine Thyreoidektomie indiziert [18].
Auch beim onkozytären Karzinom und beim minimalinvasiven follikulären Karzinom mit Kapselinvasion bzw. beim breitinvasiven follikulären Karzinom wird eine Thyreoidektomie empfohlen [18].

MTC

Beim MTC ist, abgesehen von wenigen Ausnahmen, die Therapie der Wahl die totale Thyreoidektomie mit prophylaktischer zentraler oder – abhängig vom Tumorvolumen und Calcitoninspiegel – auch lateraler Lymphknotendissektion [52].

Radiojodtherapie (RJT)

Bei der RJT wird das radioaktive Jod-Isotop Jod-131 peroral verabreicht, das über den Natrium-Jodid-Transporter in die Zelle aufgenommen wird. Durch den Zellzerfall wird Beta- und Gammastrahlung emittiert, wobei mit der Gamma-Strahlung jodspeicherndes (= jodavides) Gewebe in der Szintigraphie detektiert werden kann, das durch Betastrahlung eliminiert wird. Hiermit wird eine gezielte Behandlung erreicht [53].
Eine erfolgte RJT erleichtert die Tumornachsorge, da unter optimalen Bedingungen das Restgewebe abladiert wurde und das Thyreoglobulin (TG) nicht bzw. kaum nachweisbar sein sollte. Nach erfolgter RJT kann eine Aussage über potenziell vorhandenes Schilddrüsengewebe (gutartig oder bösartig) in einer Ganzkörperszintigraphie getroffen werden [54].

Vorbereitung

Um eine effektive Tumordosis zu erreichen, sollten Patient*innen vor einer RJT nicht jodkontaminiert sein. Daher ist nach Gabe jodhaltiger Kontrastmittel ein Intervall von mindestens drei Monaten bis zur RJT einzuhalten. Außerdem wird eine jodarme Diät für etwa zwei Wochen vor der RJT empfohlen [55].

Ablauf

Um die Aufnahme von Jod-131 und somit den Therapieeffekt zu steigern, ist ein hohes TSH erforderlich, was heutzutage meist durch exogene Stimulation mittels Applikation von rekombinantem TSH (Thyrogen®) erreicht wird. Nach erfolgreicher Stimulation erfolgt die Gabe von Jod-131 zumeist in einer Standarddosis von 2,0–3,7 GBq, wobei bei einer Wiederholung der Therapie auch höhere Dosen verabreicht werden können [54].
In der anschließenden Ganzkörperszintigraphie können jodavide Metastasen oder Schilddrüsenrestgewebe abgebildet werden [54].
Durch den TSH-Anstieg wird das Thyreoglobulin (TG) stimuliert. Ein signifikanter Anstieg spricht für das Vorliegen von malignem Schilddrüsengewebe oder einer Metastasierung, während ein nur geringer Anstieg eher auf verbliebenes, in erster Linie gutartiges Schilddrüsengewebe hinweist [54].
Zusammengefasst ist das Ziel der RJT die Ablation des verbliebenen Schilddrüsengewebes (gutartig und bösartig) und somit die Schaffung optimaler Bedingungen, um das TG als Tumormarker einsetzen zu können. Als Nebenziel wird mit der posttherapeutischen Ganzkörperszintigraphie ein Staging durchgeführt.
Wichtig: Eine Schwangerschaft sollte für mind. sechs Monate nach RJT vermieden werden [18].

DTC

Die Indikation für eine RJT ist das differenzierte und das gering-differenzierte Schilddrüsenkarzinom und wird anhand des histologischen Befundes evaluiert. Die Anwendung erfolgt postoperativ, möglichst zeitnahe nach der Operation. Bei einem sehr niedriges Rezidivrisiko kann darauf verzichtet werden [48, 54, 5658].
In den meisten Fällen ist eine einzige RJT ausreichend. Bei jodspeichernden (Fern‑)Metastasen, z. B. pulmonalen Metastasen, kann diese mehrfach wiederholt werden [54].

MTC und ATC

Da das MTC von nicht-jodaviden C‑Zellen ausgeht, ist eine RJT kontraindiziert. Ebenso ist das Gewebe eines ATCs aufgrund der Dedifferenzierung nicht-jodavide, wodurch keine Indikation für eine RJT vorliegt [54].

Tumornachsorge bei differenzierten und medullären Schilddrüsenkarzinomen

Auch hier basieren die vorgestellten Konzepte auf den rezent veröffentlichten S3-Leitlinien zum Schilddrüsenkarzinom [18].
Die Tumornachsorge beinhaltet die Bestimmung der Tumormarker und des TSH-Werts, die regelmäßige Halssonographie und ggfs. eine weitere Bildgebung.
Die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs ist innerhalb der ersten 5 Jahre am höchsten, jedoch gibt es selten Rezidive viele Jahre nach der Operation [59, 60].
In den aktuellen S3-Leitlinien werden bei einem unauffälligen postoperativen Verlauf in den ersten 5 Jahren halbjährliche Kontrollen der Sonographie und der Tumormarker empfohlen, welche anschließend auf jährliche Kontrollen ausgeweitet werden können. Bei Auffälligkeiten ist ggfs. eine Verkürzung des Intervalls notwendig [18].

Laborkontrollen

Kontrolle der Tumormarker

Im postoperativen Verlauf sind der absolute Wert und die Verdoppelungszeit von Bedeutung [18].
DTC.
Thyreoglobulin (TG) ist nach totaler Thyreoidektomie der Tumormarker des DTCs. Die regelmäßige Kontrolle ist nur nach Thyreoidektomie zielführend, da der Wert angibt, wie viel Gewebe thyreogenen Ursprungs vorhanden ist. Dies kann gutartiges und bösartiges Gewebe oder Metastasen betreffen [1].
Im Rahmen einer Bestimmung des TGs müssen auch die TG-Antikörper bestimmt werden, um einen falsch niedrigen Wert durch Bindung des TGs an die Antiköper zu erkennen [1]. Typischerweise erfolgt die erste Bestimmung 6–8 Wochen nach RJT [18].
MTC.
Beim MTC ist Calcitonin auch postoperativ der zentrale Tumormarker. Als Operationserfolg gilt ein postoperativ nicht mehr messbares Calcitonin, wobei die erste postoperative Kontrolle nach ca. zwei Monaten erfolgt. Ein weiterer Tumormarker des MTCs ist das carcinoembryonale Antigen (CEA) [61].
Bleiben Calcitonin oder CEA pathologisch nachweisbar oder steigen diese Werte an, muss an ein Tumorresiduum bzw. -rezidiv gedacht werden, was eine weiterführende Bildgebung erfordert.

Dosierung der Schilddrüsenhormontherapie nach Thyreoidektomie

Die Nachsorge beinhaltet auch die Kontrolle der freien Schilddrüsenhormone sowie des TSH-Werts [1].
DTC.
TSH hat einen stimulierenden Effekt auf DTC, weshalb bei bestimmten Tumoren nicht nur eine Substitution, sondern auch eine TSH-Suppression erforderlich ist. Abhängig vom Rezidivrisiko wird daher postoperativ der TSH-Zielbereich festgelegt, der regelmäßig reevaluiert wird. Der Zielbereich ist umso niedriger, je höher das Rezidivrisiko ist. Die Indikation zur TSH-suppressiven Therapie mit einem TSH-Ziel < 0,1 µU/ml, welche früher häufig Teil der Tumornachsorge war, wird heutzutage streng gestellt. Sie wird bei einem hohen Rezidivrisiko bzw. V. a. persistierende Erkrankung angewendet [1, 18].
Bei einem sehr niedrigen oder niedrigen Rezidivrisiko mit nicht mehr nachweisbarem TG ist ein TSH-Wert im unteren Normbereich ausreichend. Es muss eine Nutzen-Risiko-Abwägung mit Berücksichtigung der Komorbiditäten (z. B. Osteoporose oder kardiovaskuläre Erkrankungen) durchgeführt werden [1, 7, 15].
MTC.
Ein normwertiger TSH-Wert wird abgestrebt, da eine TSH-suppressive Therapie keinen Einfluss auf die Progression hat [15].

Bildgebung

Halssonographie

Sonographische Kontrollen der Schilddrüsenlogen sowie der zervikalen Lymphknoten sind essenzieller Bestandteil der Tumornachsorge [18, 48].
Bei hochgradigem Verdacht auf ein Lokalrezidiv oder Lymphknotenmetastasen kann mithilfe der Sonographie die Indikation zur neuerlichen Therapie, beispielhalber einer Operation, gestellt werden.

Jod-123/Jod-131-Ganzkörperszintigraphie nach DTC

Eine diagnostische Ganzkörperszintigraphie mit Jod123 oder Jod131 unter Thyrogenstimulation wird 6–12 Monate nach RJT empfohlen. Dadurch erfolgt ein Restaging, da jodavide Herde (Lokalrezidive oder Metastasen) detektiert werden, wovon das weitere Vorgehen abhängt. Beispielhalber kann bei jodaviden pulmonalen Metastasen eine neuerliche RJT durchgeführt werden, bei V.a. Lymphknotenmetastasen ggfs. eine Operation [62].
Im weiteren Verlauf ist eine Wiederholung zum Restaging nur im Falle eines TG- bzw. TG-Antikörper-Anstiegs oder bei einem auffälligen sonographischen Befund erforderlich [18, 62].

PET-CT

Eine routinemäßige PET-CT-Untersuchung ist nicht erforderlich, wird aber in folgenden Situationen empfohlen.
DTC.
In seltenen Fällen zeigen sich in der Szintigraphie keine nennenswerten Jod-Anreicherungen, obwohl das TG (oder die TG-Antikörper) hoch sind. In anderen Fällen finden sich jodspeichernde und nicht-jodspeichernde suspekte Raumforderungen, z. B. Lymphknoten. In beiden Fällen kann die Durchführung einer 18F-FDG-PET-CT hilfreich sein, jodnegative Rezidive oder Metastasen zu erkennen [63]. Eine deutliche FDG-Aufnahme ist ein Hinweis für eine schlechtere Prognose [64]. Die Kombination einer Ganzkörperszintigraphie und einer FDG-PET-CT kann in bestimmten Fällen sinnvoll sein, z. B. bei Vorliegen jodavider und nicht-jodavider Läsionen.
Das Ergebnis ist wegweisend für das weitere Vorgehen, ggfs. kann, abhängig vom genauen Befund, eine operative Sanierung FDG-speichernder Läsionen in Erwägung gezogen werden. In anderen Fällen wird eine Observanz oder eine systemische Therapie bevorzugt. Solange jodspeichernde Herde vorliegen, werden zumeist weitere Radiojodtherapien unter Einhaltung der Strahlenschutzmaßnahmen empfohlen.
MTC.
Bei einem MTC und pathologischen Calcitonin-Werten über 150 pg/ml wird eine weiterführende Bildgebung empfohlen [22]. Je nach Verfügbarkeit wird eine CT des Thorax/Abdomens und ggfs. eine Schädel-MRT oder Leber-MRT oder eine 18F-DOPA-PET-CT empfohlen. Alternativ kann auch eine PET-CT mit 68Gallium-DOTATOC-PET-CT oder bei kurzer Verdoppelungszeit eine 18F-FDG-PET-CT durchgeführt werden [18].

Systemische Therapie

Nur in bestimmten Fällen sind systemische Therapien, welche nicht kurativ sind und schwere Nebenwirkungen hervorrufen können, indiziert. Dies betrifft vor allem Patient*innen mit einer metastasierten, rasch progredienten und somit fortgeschrittenen Erkrankung oder in lebensbedrohlichen Situationen. Bei Abwesenheit von klinischen Beschwerden wird für gewöhnlich eine Watch & See-Strategie gewählt [7].
Vor Einsatz einer systemischen Therapie wird eine molekulargenetische Analyse empfohlen, um eine möglichst gezielte Therapie anzubieten.
Abhängig vom Befund werden bei radiojodrefraktären differenzierten bzw. gering-differenzierten Karzinomen Multityrosinkinase‑, TRK-, ALK-, BRAF- oder RET-Inhibitoren, bei medullären Karzinomen Tyrosinkinase-Inhibitoren oder RET-Inhibitoren empfohlen [18].
Bei symptomatischen Knochenmetastasen kann eine Therapie mit Bisphosphonaten oder Denosumab beim medullären und differenzierten Karzinom empfohlen werden [18].

Prognose

Betrachtet man alle Schilddrüsenkarzinome, ist das Gesamtüberleben sehr gut, für Patientinnen tendenziell besser als für Patienten. Das 5‑Jahres-Überleben nach einem DTC ist weit über 90 % [7, 65, 66]. Das 5‑Jahres-Überleben nach einem MTC ist für Patientinnen mit ca. 90 % besser als für Patienten (75–85 %). Im Allgemeinen ist das Überleben jedoch umso niedriger, je ausgeprägter der Befund bei Diagnose ist [65, 66].

Sonderfall anaplastisches Schilddrüsenkarzinom (ATC)

Das sehr seltene ATC entspringt entdifferenzierten Thyreozyten und verläuft beinahe ausschließlich letal. Das durchschnittliche Überleben ist ca. 6 Monate, das 1‑Jahres-Überleben beträgt lediglich 20 %. Bereits bei Diagnose liegt aufgrund der raschen Progredienz häufig eine Fernmetastasierung sowie ein inoperabler Befund vor, wodurch nur mehr eine palliative Behandlung möglich ist. Lediglich in 10 % der Fälle ist das Karzinom bei Diagnose (noch) auf die Schilddrüse begrenzt [67].
Bei Verdacht auf ATC wird eine Stanzbiopsie empfohlen, um ausreichend Material (insbesondere für molekulare Testungen) zu erhalten, sowie ein umfassendes Staging (CT-Hals/Thorax/Abdomen sowie Schädel-MRT oder – bevorzugt – eine Ganzkörper-18F-FDG-PET-CT) [18, 67].
Eine Operation kann zur Symptomerleichterung oder in den seltenen Fällen der noch vorhandenen Resektabilität mit anschließender Strahlen- und Chemotherapie in Erwägung gezogen werden. In inoperablen Fällen kann eine Chemotherapie, Immuntherapie oder Bestrahlung durchgeführt werden, was selten in ein (wieder) resektables Stadium führt [18, 67].
Bei fortgeschrittener Ausbreitung steht vor allem die Symptomerleichterung im Vordergrund [67].

Red flags

Hochsuspekt auf ein ATC ist eine sehr schnell wachsende, harte, häufig schmerzende Raumforderung. Durch die Tumormasse liegt oft eine lokale Kompressionssymptomatik vor (z. B. Dysphagie oder Dyspnoe). Zudem zeigt sich häufig eine tastbare Lymphadenopathie [6].
In diesem Fall ist ein schnelles Handeln essenziell!
Tab. 1
Übersicht über die Schilddrüsenkarzinome
 
Papillär
Follikulär
Medullär
Anaplastisch
Familiäre Häufung
Nein
Nein
Ja
Nein
Feinnadelpunktion
Ja
Ja
Nein
Ja (+ Biopsie)
Metastasierung
Eher lymphogen, selten hämatogen
Hämatogen
Hämatogen und lymphogen
Lymphogen und hämatogen bzw. per continuitatem
Tumormarker
Thyreoglobulin
Thyreoglobulin
Calcitonin
Kein spezifischer Tumormarker vorhanden
Radiojodtherapie
In den meisten Fällen (abhängig vom histolog. Befund)
In den meisten Fällen (abhängig vom histolog. Befund)
Nein
Nein
TSH-suppressive Therapie
In den meisten Fällen (abhängig vom histolog. Befund)
In den meisten Fällen (abhängig vom histolog. Befund)
Nein
Nein
Routinemäßige genetische Testung
Nein
Nein
Ja
Nein

Fazit für die Praxis

Der sonographische Befund inkl. ACR-TIRADS-Klassifikation (Thyroid Imaging Reporting & Data System des American College of Radiologiy) ist die wegweisende Diagnostik für das weitere Prozedere bei Schilddrüsenknoten. Bei allen Schilddrüsenknoten wird Calcitonin bestimmt, womit die Diagnose eines medullären Schilddrüsenkarzinoms gestellt werden kann. Bei unauffälligem Calcitonin wird bei nichtautonomen, sonographisch suspekten Knoten eine Feinnadelpunktion empfohlen. Die Therapie bei gesichertem Karzinom ist in den meisten Fällen die Thyreoidektomie, ggfs. mit Lymphadenektomie. Die meisten differenzierten Karzinome erfordern eine postoperative Radiojodtherapie, womit einerseits eine Therapie, andererseits auch ein Staging durchgeführt wird. Thyreoglobulin ist der Tumormarker für die Nachsorge beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom nach Thyreoidektomie und Radiojodtherapie. Calcitonin ist sowohl für die Primärdiagnostik als auch für die Nachsorge des medullären Schilddrüsenkarzinoms geeignet. Die postoperative Tumornachsorge inkludiert die Tumormarkerbestimmung, die Einstellung der Substitutionstherapie, die Halssonographie und ggfs. eine weitere Bildgebung. Betrachtet man alle Schilddrüsenkarzinome, ist das Gesamtüberleben gut, nur bei ausgeprägten Befunden sowie beim medullären Karzinom sinkt das Überleben. Ein Sonderfall ist das anaplastische Schilddrüsenkarzinom, das ein rasches Vorgehen erfordert, um das Überleben zumindest gering zu erhöhen.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

A. Marschütz, B. Schmoll-Hauer und A. Kurtaran geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

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DRUCKEN
Titel
Das Schilddrüsenkarzinom – Epidemiologie, Diagnostik und Therapie
Verfasst von
Dr. med. univ. Angelika Marschütz
Brigitta Schmoll-Hauer
Amir Kurtaran
Publikationsdatum
29.10.2025
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Journal für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel
Print ISSN: 3004-8915
Elektronische ISSN: 3004-8923
DOI
https://doi.org/10.1007/s41969-025-00283-5
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