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Ärzte Woche

20.09.2018

Häufig umbenannte Wiener Straßen

verfasst von: Martin Krenek-Burger

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Damit die Erinnerung an die früheren Namen der Straßen und Plätze von Wien nicht verloren geht, gibt es nun ein Nachschlagewerk, das die Gründe für die vielen Umbenennungen anführt. Klar wird dabei eins: Straßennamen haben neben einer Orientierungsfunktion oft politischen Hintergrund.

Pars pro Toto. Einer der namentlich vielleicht unbekanntesten Plätze der Wienerstadt ist der Rooseveltplatz. Vielleicht liegt das an den häufigen Umbenennungen, die der Raum neben der 1853 gestifteten Votivkirche „erlebt“ hat. Mit dem Ende der jahrhundertelangen Habsburgerherrschaft erhielt Österreich eine Demokratie und das Wahlrecht für alle, die zentralen Verkehrsflächen hießen Revolutionsplatz (heute Ballhausplatz) und Freiheitsplatz, eben jener Rooseveltplatz.

Nach Etablierung der Diktatur 1934 wurde aus dem Freiheitsplatz der Dollfußplatz. Nach dem Anschluss 1938 erhielt er den Namen Hermann-Göring-Platz, seit 1946 heißt der Platz bei der Votivkirche nach Franklin Delano Roosevelt, Präsident der USA von 1933 bis 1945. Damit ist die Namenreihe noch nicht vollständig, den der erste amtliche Name war Maximilianplatz ( siehe großes Bild ), nach Erzherzog Ferdinand Maximilian, den nachmaligen Kaiser von Mexiko. Das Café Maximilian erinnert heute noch an die ursprüngliche Bezeichnung des Platzes. Für den Zeithistoriker Peter Autengruber fällt der Rooseveltplatz in die Kategorie der „oftmals Umbenannten“.

Autengruber erinnert in seinem neuen Buch an verschwundene Namen von Verkehrsflächen – Straßen, Gassen, Plätze, Wege, Alleen, Brücken, Stege – in Wien. Zum Beispiel jene des alten Judenviertels im 1. Bezirk. Die Judenstadt rund um den Judenplatz hatte ursprünglich fünf, später vier sogenannten „Judentore“, schreibt Autengruber. Herzog Albrecht V. (1397–1439), der Krieg gegen die böhmischen Hussiten führte, bezichtigte die Wiener jüdische Bevölkerung der Sympathie mit dem Feind. Es kam zu Vertreibungen, Folter, Zwangstaufen und Exekutionen. Das Vermögen der Juden wurde eingezogen, die Mauern der Judenstadt und ihre Synagogen zerstört, die Häuser verkauft.

Mit dem Untergang des Judenviertels 1421 verschwanden auch alte Ortsnamen. Beispiele sind „bey der Hohenprügk“ (heute: Hohe Brücke), „Gesslein das da get an das Judentor“ (war ein Teil des heutigen Stoß im Himmel), Wiltwercherstrass (seit 1795 Wipplingerstraße), um nur einige zu nennen.

Wien vor 170 Jahren

Spuren im historischen Namengut der Stadt hinterlassen hat auch die Revolution von 1848. Der im Meer der Zeit untergegangene Revolutionsplatz (heute: Ballhausplatz) geht auf diese Zeit zurück. Autengruber fördert dazu bemerkenswerte – früher hätte man gesagt: merk-würdige – Zeitungsausschnitte aus den Archiven hervor. In den Sonntagsblättern vom 26. März 1848 fordert etwa der Revolutionär Carl Scherzer die Umbenennung von Straßennamen: „Um die großartigen welthistorischen Ereignisse des 13., 14 und 15. März der fernsten Nachwelt in frischer Erinnerung zu bewahren, fordern wir alle Mitbürger, denen es mit der heiligen Sache der Freiheit und Volksverbrüderung wahrhaft ernst ist, hiermit feierlich auf, den furchtbaren Schauplatz der Siegestage: die Herrngasse (sic!) fortan Freiheitsstraße, den Michaelsplatz (sic!) Constitutionsplatz, die Freiung (sic!) Einheitsplatz, den Ballplatz Revolutionsplatz zu nennen.“

Vieles war im Fluss in jenen Märztagen vor 170 Jahren. Daher endet der Aufruf auch mit dem Nachsatz: „Vielleicht findet Jemand noch passendere Benennungen; jedenfalls aber sollten die alten Namen mit dem alten System verschwinden.“

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Metadaten
Titel
Häufig umbenannte Wiener Straßen
Publikationsdatum
20.09.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 39/2018

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