Adjuvante Immunchemotherapie neue Option bei lokal begrenztem Kolonkarzinom

Beim kolorektalen Karzinom im Stadium III, das ein defizientes Mismatch-Reparatur-System aufweist, könnte die Immunchemotherapie nach der Tumorresektion eine alleinige adjuvante Chemotherapie als Standard ablösen. Die Standardtherapie für das lokal begrenzte kolorektale Karzinom (CRC) mit befallenen Lymphknoten, aber ohne Metastasen (Stadium III), ist laut der aktuellen Onkopedia-Leitlinie eine Operation und eine anschließende medikamentöse Therapie mit Fluoropyrimidin (Folinsäure/5-Fluorouracil) plus Oxaliplatin (FOLFOX). Trotz der adjuvanten Chemotherapie würden aber fast ein Drittel der Behandelten ein Rezidiv entwickeln, wie Professor Frank Sinicrope vom Mayo Comprehensive Cancer Center in Rochester, USA, beim Annual Meeting der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in diesem Jahr erklärte. Hinzu komme, dass die adjuvante Behandlung derzeit ohne Berücksichtigung des defizienten Mismatch-Reparatur-System(dMMR)-Status verabreicht werde, obwohl bei circa 10–15 Prozent der nichtmetastasierten CRCs ein dMMR-Status vorliege. Dieser könnte eine Resistenz gegenüber Fluoropyrimidinen nach sich ziehen. „Es besteht demnach ein hoher medizinischer Bedarf in dieser Patientenpopulation“, ergänzte Dr. Myriam Chalabi vom Netherlands Cancer Institute in Amsterdam, Niederlande. Deshalb wurde nun in der offenen Phase-III-Studie ATOMIC erstmals prospektiv und randomisiert beim dMMR-CRC im Stadium III eine Chemotherapie mit einer Immunchemotherapie in der adjuvanten Situation verglichen. 712 Personen (55,1 Prozent weiblich) mit einem Stadium-III-CRC und nachgewiesener dMMR erhielten bis zu zehn Wochen nach einer R0-Resektion entweder modifiziertes FOLFOX 6 (mFOLFOX6) plus den PD-L1-Antikörper Atezolizumab für sechs Monate und anschließend weitere sechs Monate Atezolizumab (840 mg i.v., q2w) oder mFOLFOX6 allein für ein halbes Jahr. Sinicrope stellte nun erste Ergebnisse der multizentrischen Studie beim ASCO 2025 vor [1]. Rezidiv- und Sterberisiko um die Hälfte reduziert Nach einem medianem Follow-up von 37,2 Monaten verbesserte sich im primären Endpunkt die Rate für das krankheitsfreie Überleben (DFS) um nahezu 10 Prozent: Die 3-Jahres-DFS-Rate im Kombinationsarm betrug 86,4 versus 76,6 Prozent im Chemotherapiearm. Die Zugabe des Checkpointinhibitors zu mFOLFOX6 reduzierte das Risiko für Rezidiv oder Tod um 50 Prozent (Hazard Ration 0,5; KI 0,34–0,72). Alle Subgruppen hätten von der kombinierten Immunchemotherapie profitiert, die Daten für das mediane Gesamtüberleben seien jedoch noch nicht reif, berichtete Sinicrope. Für ihn stellte diese Immunchemotherapie einen neuen Standard beim Stadium-III-CRC mit dMMR dar. Auch die Diskutantin Chalabi sieht in Atezolizumab zusätzlich zu mFOLFOX6 eine neue Option für resezierte dMMR-Tumoren. Sie fordert deshalb dringend einen MMR-Test für alle Erkrankten bereits zur Diagnose beziehungsweise vor der Tumoroperation. Ihrer Ansicht nach sollten Personen mit Low-risk-Tumoren direkt operiert werden, bei einem Stadium-III-Tumor könne dann die adjuvante Immunchemotherapie zur Anwendung kommen. Sie verwies allerdings darauf, dass mit den Daten der erst nach dem Start der ATOMIC-Studie publizierten IDEA-Studie für Erkrankte mit einem Low-risk-Tumor die Dauer der adjuvanten Chemotherapie von sechs auf drei Monate reduziert werden könne [2]. Neoadjuvante Immuntherapie effektiver bei High-risk-Tumoren mit dMMR Für Betroffene mit einem High-risk-Tumor (cT4) und/oder für jene mit einem Risiko für eine R1-Resektion empfahl sie jedoch eine neoadjuvante Immuntherapie mit anschließender Operation. Denn trotz der statistisch signifikanten und klinisch bedeutsamen Verbesserung der 3-Jahres-DFS-Rate in der ATOMIC-Studie würden weiterhin 13 Prozent der Behandelten rezidivieren, diskutierte Chalabi. Darüber hinaus seien knapp 77 Prozent der Teilnehmenden auch ohne Atezolizumab nach drei Jahren noch krankheitsfrei geblieben. Empfehlung der Redaktion ASCO 2025 Annual Meeting der American Society of Clinical Oncology 2025 30. Mai - 3. Juni 2025 | Chicago Zahlreiche vielversprechende Studiendaten wurden dieses Jahr auf dem ASCO in Chicago diskutiert: Ein neuer Standards ist zur Therapie der Polycythemia vera in Sicht. Bei Kolonkarzinom und Plattenepithelkarzinom bewähren sich adjuvante Immuntherapien. Mehr zu diesen und weiteren Highlights lesen Sie hier im Kongressdossier. Daneben sei unklar, welche Effektivität eine adjuvante Atezolizumab-Monotherapie haben würde. „Dies ist der fehlende dritte Arm in der ATOMIC-Studie“, bemängelte sie. Zu bedenken gelte es außerdem, dass die Grad-3/4-Nebenwirkungen im Kombinationsarm erhöht waren – ihrer Meinung nach erwartungsgemäß mit häufigerem Hypothyreoidismus und Diarrhö, aber mit einer unerwarteten Zunahme der Grad-4-Neutropenie im Atezolizumab-Arm (14,2 vs. 6,9 Prozent) und einer gesteigerten Neuropathie-Rate (19 vs. 15 Prozent). Chalabi stellte sich deshalb die Frage, ob Betroffene mit dMMR-Tumoren überhaupt eine Chemotherapie und eine einjährige Atezolizumab-Therapie benötigen würden. So sei bereits beim metastasierten dMMR-CRC eine Erstlinientherapie mit Pembrolizumab oder Nivolumab/Ipilimumab ohne Chemotherapie Standard. Auch im Stadium III beim dMMR-CRC sei die alleinige neoadjuvante Immuntherapie effektiver und ermögliche eine Deeskalierung von Chemotherapie und Operation. Zusätzlich sei eine kürzere Dauer der Immuntherapie möglich, was deren Toxizität reduzieren würde. Ein tiefes pathologisches Ansprechen mit einer assoziierten vorteilhaften 3-Jahres-DFS-Rate habe sich bereits in mehreren Studien gezeigt, unter anderem in der Phase-II-Studie NICHE-2 mit dualer Immuntherapie (Nivolumab plus Ipilimumab) in der Neoadjuvanz [3]. Überbehandlung vermeiden – bessere prognostische Biomarker nötig In der laufenden AZUR-2-Studie werde zurzeit die neoadjuvante und adjuvante Therapie mit Dostarlimab einer adjuvanten Chemotherapie gegenübergestellt. Die kommenden Ergebnisse könnten möglicherweise einige ausstehende Fragen beantworten, hoffte Chalabi. „Die dMMR ist der beste prädiktive Biomarker für die Effektivität der Immuntherapie, wir brauchen nun aber bessere prognostische Biomarker für das dMMR-CRC, um eine Überbehandlung zu vermeiden im neoadjuvanten und adjuvanten Setting“, schlussfolgerte sie. basierend auf: ASCO Annual Meeting 30. Mai - 3. Juni 2025, Chicago, Late Breaking Abstract Session LBA1

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