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20.07.2022 | Apotheke

Antibiose stört Impfschutz

verfasst von: Wolfgang Geissel

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Kleinkinder, die häufigere Antibiotikatherapien erhalten, sprechen schlecht auf Impfungen an und weisen gegenüber der Vergleichsgruppe reduzierte Antikörpertiter auf.

Antibiotikaverordnungen in den ersten beiden Lebensjahren gehen, einer US-amerikanischen Studie zufolge, mit reduzierten Antiköpertitern beim Standardimpfschutz einher, zum Teil sogar auf subprotektive Werte. Die Relevanz der Ergebnisse ist groß: Im Kleinkindalter wird der Basisimpfschutz für das weitere Leben gelegt. Dass die Einnahme von Antibiotika mit einer verringerten Wirkung von Schutzimpfungen einhergeht, wurde bereits im Tiermodell sowie bei Erwachsenen mit Influenza-Impfung gezeigt. Die nun vorliegende Studie mit 560 Kindern im Alter von sechs bis 24 Monaten aus einer einzelnen Klinik im US-Staat New York, die zwischen 2006 und 2016 für eine Untersuchung zu Otitis media und anderen respiratorischen Erkrankungen rekrutiert worden waren, ist der erste Beleg, dass dies auch für Kleinkinder gilt. 342 der Kinder waren im Vorfeld der Impfungen mit Antibiotika behandelt worden und 218 nicht, untersucht wurden Blutproben, die ab dem sechsten Lebensmonat alle drei Monate sowie bei akuter Mittelohrentzündung gewonnen worden waren. In den Serumproben wurden die Antikörpertiter für die Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Haemophilus influenzae (Hib) und Pneumokokken bestimmt und mit Daten aus den Krankenakten der Kinder sowie mit Angaben der Eltern zu Krankheiten und Antibiotikaverordnungen abgeglichen.

Besonders niedrige Antikörperwerte

Ergebnis: Die Antikörpertiter waren bei Kindern mit Antibiotikatherapien in der Anamnese im Schnitt geringer als bei Kindern ohne Antibiotikabehandlung. Besonders häufig lagen die Antikörperlevel unter dem Schutzniveau, wenn die Kinder im Alter zwischen neun und zwölf Lebensmonaten eine Antibiotikabehandlung erhalten hatten. Auch bei wiederholten Antibiotikaanwendungen wurden besonders niedrige Antikörperwerte gemessen. Subprotektive Antikörpertiter traten nicht bei Amoxicillin-Monotherapien auf, aber bei Amoxicillin plus Clavulansäure sowie bei Ceftriaxon und Cefdinir. Als Erklärung für diese Beobachtung vermuten die Autoren die Elimination nicht nur der pathogenen Keime etwa bei einer Otitis media durch die Antibiose, sondern auch der kommensalen Bakterien etwa im Darm. Das Mikrobiom hat aber eine bedeutsame Rolle im Immunsystem, die allerdings bisher wenig erforscht ist. Ob eine Behandlung mit Probiotika nach einer Antibiose nützlich wäre, oder ob danach Booster-Impfungen für einen verbesserten Impfschutz erforderlich sind, könne derzeit nicht mit Sicherheit gesagt werden.

Rat zu sorgfältiger Verordnung

In welchem Maße der Impfschutz bei Kindern durch Antibiotika tatsächlich beeinträchtigt wird, ist aufgrund der Studiendaten nicht zu klären, da nur Antikörpertiter und nicht die ebenfalls durch Impfung induzierte zelluläre Immunität untersucht wurde. Die Studienautoren deuten jedoch darauf hin, dass der Impfschutz zum Beispiel gegen Pertussis bei Kindern oft schneller schwindet, als zu erwarten wäre, und sich ein Teil der Impfdurchbrüche im späteren Leben möglicherweise auf die verbreiteten Antibiotikatherapien im Kleinkindalter zurückführen lässt. Die Argumente für eine möglichst zurückhaltende Verordnung von Antibiotika sind damit um eine Facette reicher und es sollten – wenn möglich – Schmalspektrum-Präparate gewählt werden, bei einer möglichst geringen Dauer der antiinfektiven Medikation.

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Metadaten
Titel
Antibiose stört Impfschutz
Schlagwörter
Apotheke
Infektiologie
Publikationsdatum
20.07.2022

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