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25.06.2020 | Online-Artikel

Interview

"Als Familienunternehmen planen wir in Generationen“

verfasst von: C. Brouillon und M. Pairet im Gespräch mit Philip Klepeisz

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Das Familienunternehmen Boehringer Ingelheim, das sich für die Gesundheit von Mensch und Tier einsetzt, hat seinen Hauptsitz in Deutschland. Sicherheit und kontinuierliche Versorgung stehen dabei im Mittelpunkt, nicht zuletzt in Zeiten der Corona-Pandemie. Darüber hinaus engagiert sich das Unternehmen, durch die Beteiligung an Initiativen und Projekten, bei der Krisenbewältigung.

Ärzte Woche: Boehringer Ingelheim ist in einem starken Konkurrenzgeschäft tätig, was tun Sie, um sich vom Mitbewerb zu unterscheiden?

Brouillon: Bei Boehringer Ingelheim wollen wir die Gesundheit von Mensch und Tier verbessern – das treibt uns an. Als Familienunternehmen planen wir in Generationen und wir wollen einen bedeutenden Beitrag zur Gesundheit für Mensch und Tier leisten, daher konzentrieren wir uns auf Krankheiten, bei denen der medizinische Bedarf groß ist. Wir sind innovativ, um den Patienten zukunftsweisende Therapien und Verbesserungen für mehr Lebensqualität zu bieten und für eine fortschrittliche, präventive Tiergesundheit zu sorgen.

Ärzte Woche: Das SARS-CoV-2 hat sich rasch weiterverbreitet; das öffentliche Leben wurde in kürzester Zeit heruntergefahren, die Wirtschaft auf den Kopf gestellt. Wie hat das Unternehmen auf die verordneten Einschränkungen reagiert?

Brouillon: Wir alle sind persönlich oder in unserem beruflichen Alltag von der Situation betroffen. Als globales Unternehmen mit mehr als 50.000 Mitarbeitenden sehen wir es als unsere Pflicht an, bestmöglich für den Schutz und die Gesundheit unserer Beschäftigten, der Patienten und der Gesellschaft Sorge zu tragen. Wir haben in den vergangenen Wochen viele Maßnahmen eingeleitet, um unsere Mitarbeitenden zu schützen.
Dazu zählt unter anderem, dass wir von internationalen Dienstreisen absehen. Ein Großteil unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitet im Homeoffice. Tätigkeiten vor Ort und in der Produktion unterliegen gesonderten Schutzbedingungen, es wird hier in getrennten Schichten gearbeitet. So stellen wir sicher, dass unsere Produktion nicht betroffen ist und die Versorgung unserer Medikamente für Menschen und Tiere kontinuierlich bestehen bleibt.

Ärzte Woche: Mittlerweile scheinen sich viele Pharmahersteller auf die Forschung von Impfstoffen zu fokussieren, Boehringer ebenso?

Pairet: Humanimpfstoffe zählen nicht zu den Forschungsschwerpunkten von Boehringer Ingelheim. Doch das bedeutet keineswegs, dass wir unsere Wissenschaft, Technologie und Experten nicht für Initiativen zur Verfügung stellen können, die medizinische Lösungen im Kampf gegen das Corona-Virus suchen.

Ärzte Woche: Inwieweit engagiert sich Boehringer in der Corona-Krise?

Pairet: Dass die Patienten weiterhin ihre Medikamente bekommen, steht für uns im Zentrum unserer Geschäftstätigkeiten, auch in dieser Zeit. Boehringer Ingelheim unterstützt außerdem aktiv die Entwicklung von Therapien gegen COVID-19. Wir beteiligen uns beispielsweise an CARE, einem Projekt zur Entwicklung von potenziellen Therapien für COVID-19, dass von der Innovative Medicines Initiative, kurz IMI, der Europäischen Union zur Förderung vorausgewählt wurde.

Darüber hinaus sind wir am Accelerator-Projekt der Bill und Melinda Gates Foundation beteiligt, das ebenfalls auf Wirkstoffe gegen COVID-19 abzielt. Unser globales Forschungsteam überprüft in diesem Rahmen unsere gesamte Molekülbibliothek mit mehr als einer Million Verbindungen auf Aktivität gegen das Virus. Dasselbe gilt für bereits existierende Molekülverbindungen aus früheren antiviralen Forschungen von Boehringer Ingelheim. Und unsere Biowissenschaftler suchen nach Antikörpern, die das Virus neutralisieren können.

Wir untersuchen auch Moleküle aus unserem Portfolio, die möglicherweise die von SARS-CoV-2 verursachten Gewebsschädigungen durch eine Reduktion der Hyperkoagulation, der vaskulären Hyperpermeabilität und des Lungenödems vermindern können.

Wo immer benötigt, stellen wir unsere Kompetenzen und Ressourcen zur Verfügung, um zu einer Verbesserung der Situation für die Patienten beizutragen.

Ärzte Woche: Wo will Boehringer hin? Was ist in der Pipeline?

Pairet: Ich kann Ihnen Einblicke in unsere mittel- bzw. langfristige Pipeline geben: Im Bereich der Onkologie verfügt Boehringer Ingelheim über eine sehr robuste Pipeline von Onkologie-Wirkstoffen. Wir haben den klaren Ehrgeiz, schwer zu behandelnde Krebsarten und Targets, die als undruggable angesehen wurden, wie RAS, p53, Myc und b-Catenin, zu verfolgen. In unserer Pipeline befinden sich zahlreiche erstklassige Entwicklungskandidaten, darunter ein pan-KRAS-Inhibitor und unser LRP 5/6-Antagonist, ein hochselektiver WNT/b-Catenin-Signalweg-Inhibitor mit dem Potenzial, der erste seiner Klasse zu sein. Beide Beispiele wurden 2019 in die klinische Erprobung gebracht.

Bei den psychischen Störungen befassen wir uns mit Schizophrenie, Alzheimer und therapieresistenten Depressionen, kurz TRD. Gegenwärtig untersuchen wir die Auswirkungen von drei Molekülen auf fehlerhafte Signalübertragung im Gehirn.

Bei den Kardiometabolischen-Erkrankungen einschließlich NASH – nichtalkoholische Steatohepatitis –, haben wir in der kardiometabolischen Forschung einen patientenzentrierten, ganzheitlichen Ansatz, der sich mit drei Schlüsselprozessen befasst, die an der fortschreitenden Entwicklung von kardiometabolischen Erkrankungen beteiligt sind. Diese sind Stoffwechselstörungen, Entzündungen und Fibrose. Das ermöglicht uns, Synergien zwischen unseren Forschungsprogrammen zu schaffen und die vielversprechendsten Wege der Entdeckung zu priorisieren.

Ärzte Woche: Welche Produktionsstandorte sind für Boehringer wichtig bzw. welche Länder sind besonders interessant?

Brouillon: Als weltweit tätiges, forschendes Pharmaunternehmen leistet Boehringer Ingelheim einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln und wir produzieren weltweit. Seit Jahrzehnten setzten wir auf ein starkes europäisches Produktionsnetzwerk, das wir kontinuierlich weiterentwickeln. Mehr als 70 Prozent unserer Produktionsarbeitsplätze liegen heute in Europa. Unser weltweites Netzwerk ermöglicht uns, insbesondere auch in der derzeitigen Situation, die Patienten und auch Tierhalter und Tierärzte mit den notwendigen Medikamenten zu versorgen und für mehr Gesundheit bei Mensch und Tier zu sorgen.

Ärzte Woche: Welche Rolle spielt der Standort Wien im Konzern? Er wurde vergrößert. Was ist dort geplant?

Brouillon: Wien ist seit 1948 ein Standort von Boehringer Ingelheim und mit rund 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein extrem wichtiger. Der Fokus in Wien liegt auf der biopharmazeutischen Forschung und Produktion unter Einsatz von Mikroorganismen. Eine Großinvestition von 700 Millionen Euro in eine neue biopharmazeutische Produktionsanlage unterstreicht dies, der Produktionsstart ist hier für 2021 geplant.  

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