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03.12.2024 | Ärztekammer

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Ein Gespenst geht um in Österreich – die Abwanderung in andere Bundesländer. Niederösterreich, das Burgenland und die Steiermark haben ihre Gehälter angepasst. Und setzen damit Wiens Spitäler unter Druck.

Die Kurie der angestellten Ärztinnen und Ärzte in Wien warnt vor einer Abwanderung aus der Hauptstadt. Vizepräsidentin Dr. Natalja Haninger-Vacariu sagt: „Die Patientinnen und Patienten spüren, dass im Wiener Spitalssystem zunehmende Unruhe herrscht. Die Versorgungsqualität ist nur aufrechtzuerhalten, wenn es zu keiner Schlechterstellung der Wiener Spitalsärztinnen und -ärzte gegenüber den umliegenden Bundesländern kommt. Beispielsweise Niederösterreich, Burgenland und Steiermark haben die Zeichen der Zeit erkannt und notwendige Gehaltsanpassungen vorgenommen. Wien als größter Ballungsraum hat auch die größten Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Die Kurie spricht sich dafür aus, dass bei den laufenden Gehaltsverhandlungen das Grundgehalt deutlich angepasst wird, um die kritische Personalsituation in den Wiener Spitälern nicht weiter zu verschlechtern.“ Aber geht es „nur“ ums Geld? Oder geht es auch um Infrastruktur, Ausbildungsmöglichkeiten, Wertschätzung am Arbeitsplatz, flache Hierarchien und Bürokratieabbau?

Ärztekammer-Präsident Dr. Burkhard Walla aus Vorarlberg sagt, dass es schon immer Konkurrenz gegeben habe, aber man müsse auch den internationalen Wettbewerb mit der Schweiz und Deutschland berücksichtigen. „Wertschätzung, eine gute Ausbildung und Infrastruktur vor Ort“ seien nicht zu unterschätzen als Abwanderungsmotive, sagt Dr. Stefan Kastner aus Tirol. Dennoch: Bei den Gehältern in Tirol erkennt er „Luft nach oben“. Dr. Karl Forstner aus Salzburg sieht derzeit noch keine Völkerwanderung. Doch sei die demographische Entwicklung so angespannt, dass man schon jetzt Maßnahmen ergreifen müsse.

Markus Stegmayr

Andernfalls droht eine Abwanderung der Ärzte

„Natürlich habe ich einen Blick auf die Situation in ganz Österreich und in den Bundesländern; die einzelnen Länder lassen sich niemals isoliert voneinander betrachten. Es gibt spezifische Probleme, die in Vorarlberg sichtbar sind, denn die Situation in den Krankenhäusern ist angespannt. Bei uns gibt es einige Abteilungen, in denen der Personalmangel sehr deutlich zu spüren ist. Das ist etwas, das sich nicht wegleugnen lässt, dass nicht erst seit gestern so ist. Was neu ist, ist der Konkurrenzkampf untereinander, der jetzt offen ausgesprochen und forciert wird.

Daran sind die Länder und ihre jeweiligen Gehaltsschemata schuld. Tatsächlich steht das Vorarlberger Spitalwesen aber nicht nur in einem Konkurrenzkampf mit anderen Bundesländern, sondern auch mit Gesundheitseinrichtungen in der benachbarten Schweiz und in Deutschland, wo teilweise höhere Gehälter bezahlt werden als im Burgenland oder in der Steiermark. Das ist eine Besonderheit, die man aufgrund unserer geographischen Lage berücksichtigen muss. Von daher muss die Diskussion aus Vorarlberger Sicht erweitert und ein wenig internationaler und länderübergreifender geführt und betrachtet werden, als das derzeit der Fall ist.

Die Vorarlberger Gesundheitspolitik und das Spitalsmanagement sind überaus gut beraten, die Gehälter der Spitalsärztinnen und Spitalsärzte auf ein marktkonformes und konkurrenzfähiges Niveau anzuheben. Andernfalls droht eine Abwanderung. Das kann entweder in Krankenhäuser außerhalb des Bundeslandes oder aber in den niedergelassenen Bereich sein.

Wie sehr die Zeit drängt, zeigt eine Ärztebedarfsstudie für Vorarlberg: Bis 2030 müssen mehr als zehn Prozent zusätzliche Ärzte gefunden und beschäftigt werden, nur um den jetzigen Stand der Versorgung abzusichern. Diese Dringlichkeit haben die politisch Verantwortlichen im Land erkannt. Im Vorjahr wurde ein Prozess zur Gehaltsanpassung gestartet. Der erste Teil des Paketes konnte bereits geschnürt werden, für den zweiten Teil werden demnächst die Verhandlungen zwischen Land, Krankenhausbetriebsgesellschaft und Ärzteschaft starten.

Ich bin zuversichtlich, was diese Verhandlungen betrifft. Alle Seiten erkennen die Dringlichkeit.“

MR Dr. Burkhard Walla, Präsident Ärztekammer für Vorarlberg, stv. Finanzreferent der Österreichischen Ärztekammer

Ärzte haben Recht auf Zufriedenheit und Respekt

„Die Diskussion um die Gehaltsanpassungen in den Bundesländern Niederösterreich, Burgenland und Steiermark ist verständlich. Gut, dass diese Länder nachgezogen haben. Ich verstehe auch die Wiener Kollegen, die jetzt Sorge haben, dass eine Ärzte-Abwanderung aus Wien in Richtung der umliegenden Bundesländer stattfindet. Ich möchte aber betonen, dass es nicht nur ums Geld gehen kann und gehen sollte. Es geht auch darum, dass sich der Arzt in der jeweiligen Situation und am jeweiligen Ort wohlfühlt.

Wenn man spezifisch Tirol betrachtet, sind wir in Sachen Gehälter nicht vorne. Viele wollen dennoch in Tirol bleiben, eben weil es die sehr renommierte Medizin-Uni gibt, gute Ausbildungsmöglichkeiten und einiges mehr. Auch die Wertschätzung der Kolleginnen und Kollegen scheint zu passen, auch wenn es Abteilungen gibt, wo es noch Nachholbedarf und Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Der Schlüssel zu wirklicher Wertschätzung liegt in der post-promotionellen Ausbildung. Und später geht es dann darum, dass sich Kolleginnen und Kollegen von der Bürokratie freispielen können.

Womit man in gewisser Weise wieder zurück zum Gehalt kommt. Denn das Gehalt ist eine Form von Wertschätzung. Das darf man auf keinen Fall vergessen oder ausblenden. Und hierbei haben wir in Tirol noch deutlich Luft nach oben.

Jetzt hat die Politik angefangen, die Gehälter in einigen Bundesländern zu erhöhen. Hier gibt es aber große Unterschiede. Nicht nur was das Gehalt betrifft. Die Politik wünscht sich eine gewisse Gleichheit bei den Gehaltssystemen. Das ist aber nicht so einfach, denn die Systeme in den Bundesländern sind unterschiedlich, weil auch die Situationen und die Umstände in den Bundesländern unterschiedlich sind. Eine Anpassung der Gehälter ist also grundsätzlich gut, eine Vereinheitlichung in jeder Hinsicht oft nicht zielführend.

Je peripherer ein Standort liegt, desto schwieriger wird es jedenfalls, einen Arzt zu halten. Wer weiter weg vom Zentralraum arbeitet, für den muss sich das finanziell auch lohnen.

Jeder Arzt und jede Ärztin hat das Recht auf Zufriedenheit und Wertschätzung. Die Ärztinnen und Ärzte sollen Zeit für die Patienten haben, nicht mit überbordender Bürokratie konfrontiert sein. Die Diskussion muss jedenfalls auf vielen Ebenen geführt werden, und nicht nur über Gehalt und Geld.“

Dr. Stefan Kastner, Präsident Ärztekammer für Tirol

Wenn wir jetzt nicht handeln, bekommen wir Probleme

„Was grundsätzlich festzuhalten ist: Es gibt einen Arbeitsmarkt von Ärztinnen und Ärzten. Dieser ist erst einmal gar nicht so unterschiedlich zu anderen Arbeitsmärkten. Menschen orientieren sich nun einmal an den Bedingungen. Angebot und Nachfrage haben einen Einfluss auf Preis und Geld. Die Attraktivität einer Arbeitsstätte steigt aber nicht nur durch das Gehalt, wenngleich dieses keine untergeordnete Rolle spielt. Es gilt aber schon zu beachten, dass der Arbeitsmarkt der Ärztinnen und Ärzte ein paar Besonderheiten und Spezifika hat. Medizin ist weltweit mehr über weniger gleich. Es gibt viel weniger Grenzen als in manch anderen Berufssparten. Noch grenzenloser und einfacher wird die Sache, wenn die gleiche Sprache gesprochen wird, etwa wenn man in Richtung Deutschland schaut.

Konkurrenz am Arbeitsmarkt und Konkurrenz zwischen Ländern und Bundesländern hat es somit also schon immer gegeben. Das ist alles absolut keine neue Situation. Auch in der Vergangenheit war es schon so, dass Länder, in denen es einen Mangel an Ärztinnen und Ärzten gab, versucht haben, die Menschen mit höheren Gehältern anzuziehen.

Was jetzt neu ist, ist dieser offen ausgetragene Konkurrenzkampf und diese Haltung, die in Richtung Abwertung geht. Die Aussage, dass man besser bezahlen muss, damit Leute überhaupt kommen, hat ja etwas Seltsames an sich.

Der Arbeitsmarkt wird dadurch natürlich verändert. Dennoch sehe ich aktuell keine Massenbewegungen von einem Bundesland ins andere. Aber es reichen an sich schon zehn Prozent, die in Bewegung kommen. Es kann rein theoretisch dazu kommen, dass diese Bewegungen künftig aus dem Ruder laufen.

Ich habe den Eindruck, dass das Land Salzburg die Situation begriffen hat. Man muss jetzt handeln, den Ärztinnen und Ärzten eine Perspektive geben, herzukommen und dann hier zu bleiben. Das muss jetzt geschehen.

Die Dinge sind sehr komplex. Wenn wir uns die Gehaltsveränderungen in Niederösterreich, der Steiermark oder Burgenland ansehen, dann wird es wohl aktuell zu keiner Völkerwanderung kommen. Aber es wird sukzessive zu einer Verschlechterung kommen. Das kann einige Zeit dauern, aber am Ende haben wir im Bundesland Salzburg ein verschärftes Problem.“

Dr. Karl Forstner, Präsident Ärztekammer für Salzburg



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Metadaten
Titel
Ich weiß, was du letzen Monat verdient hast
Publikationsdatum
03.12.2024
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 50/2024

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