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Ärzte Woche

Open Access 13.02.2023 | Ärztekammer

Für Lücken büßen

verfasst von: Michael Krassnitzer

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Gebühren für das unbegründete Nicht-Erscheinen zu Arztterminen sind in betroffenen Praxen ein großes Thema. Soll es für „No-shows“ eine eigene gesetzliche Regelung geben? Dagegen wehrt sich die Patientenanwaltschaft.

Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) will, dass Ärzte eine Gebühr verrechnen, wenn ein Patient einen vereinbarten Termin ohne vorherige Absage nicht wahrnimmt. „Gerade jetzt, in dieser Phase hoher Belastung, ist Termindisziplin in den Ordinationen besonders wichtig“, sagt ÖÄK-Präsident Dr. Johannes Steinhart. Wer vereinbarte Arzttermine nicht wahrnehme, schade damit nicht nur dem Arzt und dessen Ordinationsmanagement, sondern auch Patienten, denen der Termin nicht angeboten werden könne. Die Standesvertretung liebäugelt mit einem Modell, in dem das eingenommene Geld – abzüglich eines kleinen Anteils für den Verwaltungsaufwand – einem Strukturfonds zur Verbesserung der Kassenmedizin zugutekommt. Mancher Arzt verrechnet bereits ein Entgelt, wenn Patienten einen individuell vereinbarten Arzttermin unentschuldigt sausen lassen. Diese Praxis ist rechtens, sagt Mag. Barbara Hauer, Bereichsleiterin „Info für Ärzte“ der Ärztekammer für OÖ: „Unter Umständen müssen jedoch bei der Honorarhöhe allfällige durch die nicht erfolgte Behandlung entstandene Ersparnisse oder absichtliche Erwerbsversäumnisse angerechnet werden.“ Die Juristin verweist auf ein Urteil des Landesgerichtes Linz, das einem Internisten in zweiter Instanz ein Ausfallshonorar für zwei nicht wahrgenommene Termine von je 75 Euro plus fünf Euro an Mahnspesen zugesprochen hat, obwohl der Patient erst bei der Vereinbarung des zweiten Termins darauf hingewiesen wurde, dass im Falle des unentschuldigten Nichterscheinens Stornogebühren anfallen. „Für den Praxisalltag ist zu empfehlen, die Patienten bei der Terminvereinbarung darauf hinzuweisen, dass bei zu später Absage bzw. unentschuldigtem Fernbleiben ein Ausfallshonorar in Rechnung gestellt wird.“

Als Kassenarzt verrechne ich 75 Euro Stornogebühr

„Als Kassenarzt bemüht man sich, die beste Versorgung bei hohen Patientenfrequenzen zu leisten. Die Kassen haben die Zuwendungsmedizin und somit den Zeitfaktor (noch) nicht in ihre Leistungen integriert. Drei-Minuten-Medizin wird die Kassenmedizin in Österreich daher auch immer wieder genannt. Das ist bedauernswert, entspricht aber leider der Realität. Hinzu kommt, dass die Kassenverträge sehr einschränkend sind und zu wenig den Lebensrealitäten entsprechen. Das begünstigt natürlich den Mangel im kassenärztlichen Bereich. Wenn nun die ohnehin schon knappen Ressourcen für Kassenärzte verschwendet werden, dann ist das frustrierend.

Leider kommt es nämlich immer wieder vor, dass Patienten ihre Arzttermine nicht absagen, sondern einfach nicht erscheinen. Das kann einfache Vergesslichkeit sein; das kann passieren, weil Patienten Termine bei mehreren Fachärzten ausmachen und dann bei dem erstmöglichen Termin erscheinen und die anderen unentschuldigt verstreichen lassen. Es gibt viele Gründe für dieses Verhalten. Fakt ist: Termine werden seitens mancher Patienten nicht in der Praxis storniert, was jedem Arzt die Möglichkeit nimmt, sich der Situation anzupassen und entweder andere Patienten einzuschieben oder sich mehr Zeit für andere Patienten zu nehmen. Es hat sicher etwas mit Haltung, Erziehung, Werten und Wertschätzung zu tun, ob man Arzttermine klanglos verstreichen lässt oder der Ordination Bescheid gibt. Bei Wahlärzten gibt es wiederholt den Hinweis, dass nicht rechtzeitig abgesagte Termine verrechnet werden.

Ich als Kassenarzt verrechne bei unentschuldigtem Fernbleiben 75 Euro Stornogebühr, das entspricht einer Erstordination. Den Betrag muss jeder Arzt für sich selbst entscheiden, abhängig von seinen eigenen Kosten etwa für Personal, Geräte, Raummiete und sonstige Infrastruktur. Das ist nicht schön, aber letztlich eine Notwendigkeit. Die öffentliche Meinung und die Reaktion der Patienten deutet mit großer Mehrheit auf Verständnis für diese Maßnahme hin. Idealerweise reicht der Hinweis auf Stornogebühren, damit sich Patienten disziplinierter verhalten und keine Termine unangekündigt verstreichen lassen. Das wäre natürlich optimal. Wir als Ärztinnen und Ärzte wollen hier Fairness: Wir wollen die Zeit, die ein Patient nicht in Anspruch nimmt, für andere Patienten verwenden können. Und dafür sind wir auch auf die Mithilfe der Patienten angewiesen.“

Prof. Dr. Dietmar Bayer, Vizepräsident der Ärztekammer für Steiermark

Ich erlebe Patienten als verantwortungsbewusst

„Das Einhalten von Vereinbarungen – sowohl seitens von Patienten als auch seitens von Ärzten – hat sehr viel mit Wertschätzung zu tun. Deshalb sehe ich die aktuelle Debatte um Stornogebühren nicht als generelles Problem und auch nicht als generelle Forderung. Ich erlebe Patienten als grundsätzlich verantwortungsbewusst und halte nichts davon, aufgrund einzelner Problemfälle eine gesetzliche Normierung anzustoßen. Für eine solche Maßnahme fehlen meiner Meinung nach auch konkrete Zahlen.

Umgangssprachlich als Stornogebühren bezeichnet, handelt es sich eigentlich um Ausfallshonorare für nicht stattgehabte Einkünfte von Ärzten. Man könnte die Gebühren auch als Abgeltung eines möglichen Verwaltungsaufwandes betrachten. Wichtig zu betonen ist, dass – sollten diese Honorare gerichtlich eingeklagt werden – es sich immer um eine Einzelfallbetrachtung handelt. Das heißt: Es wird geprüft werden, ob der Arzt tatsächlich einen Verdienstentgang durch das Nichterscheinen des konkreten Patienten zum konkreten Termin erlitten hat oder ob er nicht etwa kurzfristig andere Patienten behandeln konnte. In der Praxis ist es de facto ja in vielen Ordinationen so, dass Überbuchungen stattfinden bzw. es einen Pool von Patienten gibt, die einen Termin brauchen würden und angerufen werden können, um kurzfristig zu kommen. In Zusammenhang mit möglichen Stornogebühren muss sich der Arzt auch Ersparnisse anrechnen lassen, zum Beispiel nicht entstandene Aufwendungen. Es geht auch darum, wie viel Zeit für einen Patienten bzw. eine Untersuchung im konkreten Fall eingeplant wurde. Auch wird zu beachten sein, dass den Patienten im Vorfeld bekannt gegeben wird, dass bei Nicht-Absage eines Termins Stornogebühren anfallen können – etwa bei der Terminvereinbarung oder durch Hinweise auf der Homepage und Aushang in den Ordinationen. In jedem Fall sollte konkretisiert werden, was unter rechtzeitig verstanden werden soll. Man muss auch bedenken, dass bestimmte Umstände, etwa die plötzliche Erkrankung eines Patienten, wohl als zu akzeptierende Entschuldigung anerkannt werden müssen.

Eine generelle Regelung ist aufgrund all dieser Punkte schwer vorstellbar und wird auch schwer durchsetzbar sein. Falls es dennoch zu entsprechenden Regelungen kommt, sollten diese jedenfalls möglichst konkret, transparent, verhältnismäßig und vor allem den Patienten bekannt sein.“

Dr. Michaela Wlattnig, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft der Patienten- und Pflegeanwaltschaften

Tarife für versäumte Termine bisher nur bei Problemfällen


„Bei Zahnärzten geht es oft um namhafte Beträge, wenn ein Patient nicht zu einem vereinbarten Termin erscheint. Für größere Arbeiten, zum Beispiel ein Implantat oder eine Krone, reserviert der Zahnarzt bis zu einer Stunde pro Patient. Es ist natürlich auch gegenüber den anderen Patienten unfair, wenn Termine vergeudet werden, denn auch im zahnärztlichen Bereich ist es schwierig geworden, Kassenplanstellen zu besetzen, und die Kassenordinationen sind entsprechend voll. In den Allgemeinen Honorarrichtlinien beträgt der Tarif für versäumte Termine 273 Euro pro Stunde. Da es sich um eine Empfehlung handelt, kann der Tarif 30 Prozent nach oben oder nach unten abweichen. Wenn der vereinbarte und nicht wahrgenommene Termin kürzer ist, verringert sich der Tarif entsprechend. Es handelt sich um ein Privathonorar, das aber natürlich auch für Kassenpatienten gilt, wenn sie einen Termin nicht einhalten. Aus juristischer Sicht handelt es sich um eine Verordnung der Kammer. Um eine solche erlassen zu dürfen, bedarf es einer gesetzlichen Ermächtigung – und die ist im Zahnärztekammergesetz festgeschrieben.

Zu den Tarifen für versäumte Stunden gibt es bereits eine umfangreiche Judikatur. So muss der Zahnarzt den Patienten im Vorfeld explizit darauf hinweisen, dass im Falle des Nichterscheinens zu einem Termin ein Honorar verrechnet wird. Auch die Höhe des Tarifs muss dem Patienten mitgeteilt werden. Das fällt unter die zahnärztliche Aufklärungspflicht. Das Zahnärztegesetz sieht ausdrücklich vor, dass der Zahnarzt einen Patienten über alle zu erwartenden Kosten zu informieren hat. Ob in Bezug auf die Tarife für versäumte Stunden ein Aushang in der Ordination genügt oder ob jeder Patient individuell darauf hingewiesen werden muss, war noch nicht Gegenstand eines Gerichtsurteils. Im Fall von höherer Gewalt – zum Beispiel einer Erkrankung – kann kein Honorar für versäumte Stunden verlangt werden. Auch für den Fall, dass der Zahnarzt die Gelegenheit hat, an diesem Termin einen anderen Patienten zu behandeln, darf kein Honorar verrechnet werden, weil ja kein Schaden entstanden ist.

Es gibt keine Daten dazu, wie häufig Zahnärzte Tarife für versäumte Stunden tatsächlich verrechnen. Bei der Patientenschlichtungsstelle der Zahnärztekammer ist das jedenfalls so gut wie nie Thema. Daraus schließe ich, dass diese Möglichkeit anscheinend nur in problematischen Fällen angewendet wird.“

Dr. Jörg Krainhöfner, Kammeramtsdirektor der Österreichischen Zahnärztekammer


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Metadaten
Titel
Für Lücken büßen
Schlagwort
Ärztekammer
Publikationsdatum
13.02.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 07/2023

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