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Ärzte Woche

03.02.2023 | Ärzteball 23

Komm, tanz mit mir!

verfasst von: Von Martin Krenek-Burger

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Tanzen ist etwas, das man gemeinsam tut. Nach zwei Jahren des Lebens auf Distanz bewegen sich die Menschen, manche nur zaghaft und vorsichtig, viele aber mit großer Begeisterung und staunenden Auges, wieder aufeinander zu.

Die Einkaufsstraßen sind seit einigen Monaten wieder voller Menschen, viele halten ihre Smartphones vor das Gesicht – die Digitalisierung hat ihre Schattenseite –, nehmen ihre Umwelt nicht mehr bewusst wahr. Doch wie die Tango-Tänzer in einer überfüllten Milonga weichen die Handyträger rechtzeitig aus, ehe sie mit Passanten kollidieren. Es war der Anblick dieser geschmeidigen Bewegungen, die mich wieder in die Tanzschule geführt haben. Das typische Schieben und Wiegen im Tanzsaal erinnerte mich an eine gut besuchte Fußgängerzone an einem Samstagvormittag.

Tanz ist mehr, als in der Mariahilfer Straße oder auf der Kärntner Straße nicht mit anderen zusammenzustoßen. Unter den Kalendersprüchen über das Tanzen sind mir die erlittenen, erlebten Resümees am liebsten: „Keiner kann mir nehmen, was ich getanzt habe.“ Diese Zeile stammt vom Tanzschulbesitzer und Dancing Star Thomas Kraml. Bedeutet: Der Körper behält es, selbst wenn die Erinnerung verblasst. Die ersten paar Tanzstunden nach zwei Jahren Pandemiepause bringen Erstaunliches zutage. Sliding Doors, Lasso, Valentino – die fantasievollen Namen der Figuren sind halb vergessen, die Füße, die Beine, die Hüfte, der Oberkörper, die Schultern, die Arme bewegen sich wie von selbst durch den Tanzsaal. Mit all dem Geschick und den eingelernten Fehlern, die sich klettengleich in die Erinnerung eingehakt haben.

Es gibt auf der Welt kaum etwas Schöneres und Ehrlicheres. Gemeinsames Tanzen ist ein Wellenbad der Gefühle, zwischen Ekstase und Ernüchterung. Man sollte es auf Rezept bekommen.

Wir brauchen den Kontakt, wir sind keine Einzelgänger

(Mit Jolantha Seyfried hat Martin Křenek-Burger gesprochen)

Jolantha Seyfried zählt zu den besten Tänzerinnen, die je auf einer Bühne gestanden sind. Sie wurde an der Ballettschule der Wiener Staatsoper ausgebildet. Ihre Bühnenkarriere krönte sie 1998 mit der Berufung zur 1. Solistin des Wiener Staatsopernballetts. Bis 2004 war sie Trägerin des Fanny Elßler-Ringes ( Anm.: Ihre Nachnachfolgerin ist Rebecca Horner ). „In den vergangenen drei Jahren ist uns hoffentlich eines klar geworden: Nämlich, wie sehr wir den Kontakt mit anderen Menschen brauchen, die körperliche Nähe, das Teilen von Emotionen. Wir sind keine Einzelgängerinnen oder Einzelgänger, die nur für sich bleiben, wir sind soziale Wesen. Das beste Beispiel sind meine Tanzstudierenden, die wegen der Kontaktbeschränkungen mit Onlineunterricht vorlieb nehmen mussten, und froh und glücklich waren, als sie endlich wieder in den Tanzsälen der MUK trainieren durften.“

Davon, dass die Profis fleißig weitertrainiert haben, kann man sich am 28. Jänner überzeugen. Talente der MUK eröffnen den Ärzteball 2023. Details wollte sie bis zuletzt keine verraten, „außer dass es kein medizinisches Eröffnungsthema sein wird und dass nicht nur getanzt, sondern auch gesungen wird“. Im Anschluss ist das Tanzparkett für alle Ballgäste freigegeben, die sich an Standard- und Lateintänzen versuchen – auf unterschiedlichem Niveau. „Die Lockdowns haben Spuren hinterlassen, aber das wird wieder. Geduld!“

Nicht umsonst wird der Tanz auch als Archiv der Emotionen bezeichnet. „Unsere Körper tragen viele Geschichten in sich, die durch den Tanz wieder sichtbar werden“. Bedeutet: „Die flüchtigen Bewegungen der Tänzer berühren auf verschiedene Weise. Durch den Druck einer Hand, die Änderung der Körperhaltung, das Wegschieben der Füße der Partnerin. Durch die Emotionen, durch das, was zwischen den Menschen nonverbal passiert.“

Prof. Jolantha Seyfried, Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien, ehem. 1. Solistin des Wiener Staatsopernballetts

Beim Tanzen umarmen wir uns dauerhaft

„Berührungen sind wie Tanzen, das verlernt man nicht. Vielleicht tritt man nach längerer Tanzabstinenz dem anderen auf den Fuß, aber die Schritte bleiben gleich. Schon vor Corona haben wir Umarmungen untersucht und festgestellt, dass es Phasen gibt. Wenn wir Umarmungen beenden wollen, geben wir Signale zur Ablösung: Wir klopfen auf den Rücken. Eine unserer Bachelorstudentinnen hat 60 Personen umarmt, deren Augen verbunden waren, sodass das Aussehen oder eventuelle Bekanntschaft irrelevant waren. Die Versuchspersonen sollten ein Taschentuch fallen lassen, sobald sie ein Signal von Ablösung wahrnehmen, und hier hat sich unsere Klopf-Hypothese bestätigt. Feste Umarmungen werden übrigens generell präferiert. Eine Beobachtungsstudie an öffentlichen Plätzen hat darüber hinaus gezeigt, wenn zwei Frauen oder ein Mann und eine Frau sich umarmen, dann gibt es diese Phase mit den sich hingebenden Rhythmen und einer späteren Ablösung. Aber wenn zwei Männer sich umarmen, dann fangen sie normalerweise gleich an zu klopfen. Die Ablösung geschieht früher.

Beim Tanzen umarmen wir uns dauerhaft, trennen uns wieder, kommen wieder zusammen. Wobei dies in der Tanztherapie auch anders ist – zumindest außerhalb der Gruppentherapie tanzen und bewegen wir uns auch viel alleine. Dabei spielen Bewegungsrhythmen eine ständige Rolle der Strukturierung und des Ausdrucks von Bedürfnissen. Beim Tanzen kommt noch die Musik dazu, die uns Schwung gibt oder verlangsamen kann.

Auf die Signale des eigenen Körpers und des Gegenübers zu achten und sein Verhalten entsprechend zu steuern, das geschieht beim Tanzen wie beim Umarmen meist unbewusst und ist doch in allen Lebenslagen so wichtig.

Die Haut ist das größte Sinnesorgan, das wir haben. Taktile Stimulation ist also sehr wichtig. Wenn wir berührt, gedrückt werden, schütten wir Glückshormone aus, vor allem Oxytocin. Dieser Boost für die Psyche zahlt auch aufs Immunsystem ein.“

Prof. Dr. Sabine Koch, Tanz- und Bewegungstherapeutin an der SRH Hochschule Heidelberg

Mediziner sind sich ihrer Verantwortung bewusst

„Durch die Digitalisierung hat sich die Möglichkeit ergeben, über große Distanzen hinweg zu kommunizieren. Vor der Pandemie habe ich mich noch ernsthaft gefragt, warum so viele Kolleginnen und Kollegen zu Kongressen fliegen, wo man doch auch virtuell teilnehmen kann. Während der Pandemie haben wir aber unzählige Zoom-Meetings hinter uns gebracht. Da habe ich erkannt, dass man damit nur einen Teil der zwischenmenschlichen Kommunikation abdecken kann. Es ist zwar eine gute Alternative, wenn man die Dinge stringent durchplant und diszipliniert durchspricht, aber es geht doch viel Sinngehalt verloren. Als Faustregel gilt für mich: Wenn man viele Meetings hat, sollte man sich zumindest jedes dritte Mal persönlich treffen. Richtig Spaß miteinander haben – das geht gerade noch über den Gartenzaun hinweg mit ein paar Metern Abstand, aber via Zoom-Meeting ist Freude unmöglich zu vermitteln.

In den Monaten vor dem Ärzteball ist der Wunsch in meinem Umfeld immer dringlicher geworden, diesen Ball auch wirklich durchzuführen, auch um ein Zeichen zu setzen, dass die Corona-Pandemie in eine Endemie übergegangen ist, so wie die altbekannte saisonale Influenza, mit der sich die Ballgäste ja schon immer angesteckt haben.

Doch egal, ob Pandemie oder Endemie – als Veranstalter des Ärzteballs sind wir uns unserer besonderen Verantwortung und unserer Vorbildfunktion bewusst. Immerhin sind mehr als die Hälfte unserer Ballgäste Ärztinnen und Ärzte. Deshalb mussten wir tatsächlich höhere Sicherheitsvorkehrungen treffen, damit der Ball so gefahrlos wie möglich über die Bühne geht, auch wenn es absolute Sicherheit nicht gibt.

Wir wollen sicherstellen, dass sich auch ältere Ballbesucher bei uns bedenkenlos aufhalten können und sich wohlfühlen, weil sie unser Sicherheitskonzept kennen.

Zur Erinnerung: Alle Ballbesucher mussten einen gültigen PCR-Test vorweisen, der nicht älter als 72 Stunden sein durfte. Ansonsten appellierten wir an die Ballgäste, in den Tagen vor dem Ereignis keine anderen Großveranstaltungen zu besuchen. Nun sind Ärztinnen und Ärzte aber jene Berufsgruppe, die sich und andere ohnehin am besten schützt: Wir arbeiten das dritte Jahr mit FFP-2-Masken.“

Dr. Bettina Wiltos, Fachärztin für Chirurgie und Gefäßchirurgie; Leiterin des Referats für Ärzteball und Veranstaltungen in der Ärztekammer für Wien

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Metadaten
Titel
Komm, tanz mit mir!
Schlagwort
Ärzteball 23
Publikationsdatum
03.02.2023
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 1/2022

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