Psychiatr Prax 2003; 30(2): 49-50
DOI: 10.1055/s-2003-37446
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zürich sehen und sterben

Fragwürdige Freitodhilfeangebote in der SchweizAssisted Suicide in ZurichQuestionable Suicide Assistance Offers in SwitzerlandAsmus  Finzen, Martin  Eichhorn
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Publication Date:
24 February 2003 (online)

Im Windschatten der heftigen Auseinandersetzungen um die aktive Sterbehilfe und deren Legalisierung in den Niederlanden und in Belgien sowie der Hilfe zum ärztlich begleiteten Suizid im US-Bundesstaat Oregon, hat sich in der Schweiz eine Entwicklung vollzogen, die zur Unruhe Anlass gibt. Hierzulande sind derzeit drei Sterbehilfe- bzw. „Freitodhilfe-Organisationen” am Werk, die sich zum Anliegen gemacht haben, sterbewilligen Menschen zum Tod durch eigene Hand zu verhelfen.

Voraussetzung für solche Hilfe ist eine schwere Erkrankung, die auch ärztlich attestiert sein sollte. Voraussetzung ist ebenfalls die Mitgliedschaft in einer dieser Organisationen, möglichst über einen Zeitraum von drei Monaten hinaus, die einmalige Zahlung einer Eintrittsgebühr von etwa Fr. 100,- und einen Jahresbeitrag von etwa Fr. 25 - 50,-. Dies genügt, um Hilfe anzufordern, wenn der Ernstfall eingetreten ist.

Die Sterbehelfer, sie nennen sich Freitodbegleiter, von Exit, Dignitas und jener neuen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, auch psychisch Kranke in den Tod zu begleiten, kommen ins Haus, bereiten das Suizidmittel (10 g eines rasch wirkenden Barbiturates) vor, begleiten den Sterbewilligen, während er dieses Mittel in aufgelöster Form zu sich nimmt, warten den Tod ab, verfertigen ein Protokoll und informieren die Polizei.

Das Verfahren hat Routine. Möglich geworden ist es durch eine „liberale” Gesetzgebung im Hinblick auf eine Hilfe zum Suizid im Schweizerischen Strafgesetzbuch. Auch die Untersuchung und Abwicklung der unnatürlichen Todesfälle durch Polizei und Staatsanwaltschaft ist in den meisten Kantonen zur Routine geworden.

Etwa 200 Schweizer jährlich beenden ihr Leben mittlerweile auf diese Weise. Es handelt sich meist um ältere Menschen, meist um allein stehende Menschen, überwiegend um Frauen. Suizidforscher schätzen, dass etwa zwei Fünftel bis die Hälfte aller Suizide in der Schweiz von Menschen über 65 auf diese Weise zustande kommen.

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