Dr. Arno Melitopulos, Priv.Doz. Mag.Dr Wolfgang Dür, Prof. Mag. Dr. Markus Hengstschläger Margaryta Danderfer × Das West-Ost Gefälle in der Gesundheit. Bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen hatte die Tiroler Gebietskrankenkasse eine Reihe von Experten aus Wissenschaft und Politik geladen, um der Frage "Warum ist Tirol gesünder?" nachzugehen. Ein gesundheitliches West-Ost-Gefälle zieht sich durch Europa und teilt auch Österreich in einen gesünderen "Westen" und einen statistisch gesehen weniger gesunden "Osten". Ein Resultat ist fix: An den Genen liegt es nicht. Die Tiroler sind im Bundesländervergleich die gesündesten Österreicher, werden am ältesten, haben die höchste Gesundheitskompetenz (Health Literacy) und brauchen am wenigsten von ihrer Gebietskrankenkasse. Gibt es dafür Erklärungsansätze der Wissenschaft und was bedeutet das für die Politik? Für die TGKK rund um Obmann Werner Salzburger und Direktor Dr. Arno Melitopulos geeignete Fragen, um im Rahmen der Alpbacher Gesundheitsgespräche einen Prozess zu starten, in dem zuerst festzustellen ist, ob die Tiroler tatsächlicher gesünder sind und wenn ja, in welchen Bereichen und insbesondere warum. Obmann Werner Salzburger: "Wir wollen aus unserer Verantwortung für die Gesundheit der Tirolerinnen und Tiroler heraus möglichst genau wissen wo wir ansetzen müssen, um einen allfälligen Vorsprung nicht zu verspielen und wo es klaren Handlungsbedarf für die Zukunft gibt." Wissenschaftlich beleuchtet wurde der Gesundheitsstatus der Tiroler durch Referate von Doz. Mag. Dr. Wolfgang Dür, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Health Promotion Research, Prof. Mag. Dr. Hengstschläger, Vorstand Institut für Medizinische Genetik der MedUni Vienna und Direktor Dr. Arno Melitopulos. Im Anschluss diskutierten Bundesminister Alois Stöger, Landesrätin Dr. Beate Palfrader, Prof. Dr. Helga Fritsch und TGKK-Obmann Werner Salzburger über die Bedeutung der Ergebnisse für das Gesundheitssystem; moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Alois Vahrner, Chefredakteur der Tiroler Tageszeitung. West-Ost-Gefälle in Gesundheitsdaten erkennbar Privatdozent Mag. Wolfgang Dür, Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Health Promotion Research, hat 88 Gesundheits-Indikatoren aus nationalen und internationalen Studien verglichen. Durch die Auswertung verschiedener Zahlen von Statistik Austria, Eurostat und Einzelstudien wurde klar untermauert: Die Tiroler Bevölkerung verfügt im Vergleich zum Österreichschnitt über eine höhere Gesundheitskompetenz, raucht deutlich weniger (in Westösterreich rauchen 12,4 % der 18 bis 80-Jährigen, in Ost-Österreich sind dies 26,7%), ernährt sich gesünder und bewegt sich mehr. Die Lebenserwartung der Tiroler liegt um ein Jahr über dem Österreichschnitt (79,5 Jahre bei den Männern und 84,2 Jahre bei Frauen) und Tiroler leben im Schnitt zwei Jahre länger als die Bewohner von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. In Tirol gibt es unter den über 64-Jährigen eine geringere Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, eine geringere Mortalität bei Krebs ebenso wie aufgrund von Diabetes mellitus. Weniger Herzinfarkte, weniger Personen mit Bluthochdruck, weniger SchülerInnen mit Magenschmerzen, Gereiztheit und Nervosität runden das Gesamtbild vom „gesunden Westösterreicher" ab. Und unter der Tiroler Jugend gibt es nur halb so viele stark Übergewichtige wie beispielsweise in Niederösterreich. Gene nicht verantwortlich „Genetisch gesehen sind die Tiroler nichts Besonderes, sie unterscheiden sich genetisch definitiv nicht von den übrigen Österreichern", eröffnete Prof. Dr. Markus Hengstschläger, Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik der Medizinischen Universität Wien, seinen Vortrag. Die Ursache für das sogenannte West-Ost-Gefälle muss vor allem im Verhalten und in der Umwelt liegen, so Hengstschläger. Ein Umzug nach Tirol würde somit nicht bedeuten, dass man länger lebt, äußere Faktoren seien in diesem Zusammenhang wesentlich bedeutender. Geringeres Einkommen – dennoch gesünder Dr. Arno Melitopulos, Direktor der Tiroler Gebietskrankenkasse, lieferte Daten und Fakten dazu: Der Durchschnittsverdienst in Tirol liegt im österreichischen Schlussfeld, die Lebenshaltungskosten deutlich über dem Österreichschnitt. Tiroler gehen verstärkt zum Hausarzt, vielfach wird der Arzt auch präventiv besucht – Vorsorgeuntersuchungen werden häufiger genützt als im Österreich-Schnitt. Die Lebenserwartung spiegelt das wider: Im Bezirksvergleich wurde der Trend deutlich, dass Tiroler länger leben, insbesondere in den Bezirken Kitzbühel, Kufstein und Lienz. Neben Fakten zum Leistungsangebot und Inanspruchnahme von Anspruchsberechtigten der TGKK sowie dem repräsentativen Gesundheitszustand und Wohlbefinden der Tiroler lieferte Dr. Melitopulos einen Ausblick, der Gesundheit in allen Politikbereichen, im Fachjargon Health in all Policies, vorsieht: "Tiroler stehen im Gesundheitsvergleich gut da, man sollte sich auf den Lorbeeren aber nicht ausruhen. Wichtige Einflussfaktoren auf die Gesundheit befinden sich allerdings außerhalb des Gesundheitssystems. Bei der Versorgung sind wir schon recht gut aufgestellt. Wir sehen das größte Gesundheitspotenzial daher in den täglichen Lebenswelten der Menschen, insbesondere im Sozial- und Bildungsbereich, aber auch im Umwelt- und Wirtschaftsbereich. Sämtliche Lebensweltenverantwortliche und damit Ressorts müssen das Thema Gesundheit mitdenken, dann können wir die Gesundheitskompetenz als wichtigsten Erfolgsfaktor für ein gesundes Leben steigern." Wege in eine gesündere Zukunft Was macht oder hält gesund? Wo soll Gesundheitspolitik vorrangig ansetzen? Bei der Diskussion „Tirol ist gesünder. Aber warum" wurde der Boden für viele dieser Fragen aufbereitet. Die innovative Expertendiskussion bot viele Aspekte und Absichten. So erklärte Bundesminister Stöger: „Der Weg in eine gesündere Zukunft führt über weniger rauchen, mehr Bewegung und verbessertes Gesundheitswissen." Dies habe die Politik erkannt, daher soll die Gastronomie rauchfrei werden, der nationale Aktionsplan Bewegung ist erarbeitet und es werde auch damit begonnen, das Gesundheitswissen der Bevölkerung zu stärken und in den Lehrplänen der Schulen zu verankern. „Wir haben früh angefangen, unsere Studienpläne an die veränderten Ansprüche anzupassen, es wird in der Ausbildung zum Beispiel verstärkt auf die alternde Gesellschaft eingegangen und es werden multifaktorielle Krankheiten erforscht", so Universitätsrektorin Fritsch. „Wesentlich für ein gesundes Land ist aber auch, dass die hier ausgebildeten Ärzte tatsächlich im Land bleiben." Für Landesrätin Palfrader liegt ein Schlüssel zu mehr Gesundheit in einem ganzheitlichen Gesundheitssystem, in dem Prävention vor kurativer Medizin steht. Daher gehe es nicht zuletzt um Bewusstseinsbildung, um gesunde Lebenswelten zu erhalten oder aufzubauen, sei es im Bereich Familie, Beruf, Gemeinde oder Schule. Und ihr Nebensatz: „Wenn es nicht die Gene sind, warum die Tiroler gesünder sind – vielleicht liegt es doch an der Landespolitik." Die Tiroler Gebietskrankenkasse hatte zu diesem sehr gut und hochkarätig besuchten Diskussionsnachmittag nach Alpbach geladen. Dazu Obmann Werner Salzburger: „Wir wollten damit einen Anstoß für ein gesünderes Österreich geben. Uns ist wichtig, dass wichtige Erkenntnisse gefunden und kommuniziert werden, damit es uns gelingt, unsere Bevölkerung möglichst gesund zu erhalten - ein wichtiger Schritt in diese Richtung: Die Initiativen in der Gesundheitsförderung. Wir sind als TGKK auf dem Weg in Richtung Gesundheitskasse, es wird aber auch zukünftig viel zu tun geben."