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Ärzte Woche

19.09.2018 | Tekal

Mit seinem Gehirn Gassi gehen

verfasst von: Dr. Ronny Tekal, Medizinkabarettist

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Gedächtnistraining mit Bewegung bringt den Geist in Schwung. 

Das Gehirn hat eine beachtliche medizinische Karriere hinter sich. Immerhin dachten die alten Griechen noch, das Organ wäre lediglich dafür verantwortlich, unser Blut zu kühlen. Die heutigen Griechen kühlen ihr Blut mittels Air-Conditions in ihren Geschäften auf 15 Grad runter, sodass sich das Gehirn nun anderen Aufgaben widmen kann. So konnte es das Herz, als Sitz unseres Bewusstseins, imagemäßig überholen.

Angeblich soll es in der Lage sein, mehrere Petabyte zu speichern – das sind in etwa 1.000 Festplatten. Warum wir dann beim Einchecken in den Urlaubsflieger gefühlte 100-mal auf die Bordkarte blicken, da wir uns den Sitzplatz 10 E partout nicht merken können, steht auf einem anderen Blatt. Allerdings haben solche Vergleiche viel mit dem technischen Zeitgeist zu tun. Denn in der Frühzeit der Computer, als man es noch nicht besser wusste, ging man noch davon aus, dass das menschliche Gehirn auf gerade mal 20 Megabyte kommt – das entspricht etwa der Größe des per Whatsapp versendeten Clips „Süße Katze beim Kacken“. Wir werden also von Jahr zu Jahr klüger, ohne etwas dafür tun zu müssen.

Man traut dem Gehirn auch immer mehr zu: War man früher noch davon überzeugt, dass man jene Gehirnareale, die man sich in jahrelanger akribischer Arbeit weggesoffen hat, unwiederbringlich verloren gegangen sind, so gibt man sich heute optimistischer. Quasi pro Gedanke entsteht eine neue Verbindung zwischen den Neuronen: Denken Sie zum Beispiel an eine Registerkasse. Und nun denken Sie an einen Kranken. Und schon haben Sie eine neue Bahn zwischen „Kranken“ und „Kasse“ geschaffen, sodass Sie bei jedem Patienten zwangsläufig immer auch an dessen Kosten denken. Man kann sich die Welt also schöndenken: Assoziieren Sie einfach die Begriffe: „Regenwetter“ und „Kaminfeuer“; „Zahnschmerz“ und „behaglich“; oder „Tekal“ und „neues Buch“.

Neueren Datums ist die Erkenntnis, dass sich komplett neue Nervenzellen bilden können. Dazu muss man aber etwas tun: Beim Gehen etwa wächst unser Hippocampus, also jener Teil, der für die Gedächtnisfunktion so wichtig ist. Wer mit seinem Gehirn regelmäßig Gassi geht, wird also schlauer.

Für Chirurgen, die kaum die Möglichkeit haben, an die frische Luft zu gehen, könnte das auf Dauer einen evolutiven Nachteil gegenüber den Praktikern bedeuten, die mit ihren Hausbesuchen stets auf Achse sind. So muss man die mangelnde sportliche Aktivität mit ein wenig Gehirntraining kompensieren: Während der OP die Bürgschaft auswendig lernen, zu erraten, ob der Anästhesist hinter seiner Kulisse tatsächlich noch wach ist oder ein Sudoku auf die Bauchdecke zu sticken, kann dem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Schließlich darf es nicht sein, dass man im direkten Hippocampus-Größenvergleich mit dem Allgemeinmediziner den Kürzeren zieht.

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Metadaten
Titel
Mit seinem Gehirn Gassi gehen
Schlagwort
Tekal
Publikationsdatum
19.09.2018
Zeitung
Ärzte Woche
Ausgabe 38/2018

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